german-foreign-policy.com: Nationaler Sicherheitsrat

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HEILIGENDAMM/BERLIN

(Eigener Bericht) – Die polizeiliche Hilfsarbeit der
Deutschen Bahn AG bei Erfassung und Verfolgung von G8-Demonstranten ist
Teil einer bundesweiten Kooperation. Die Bahn AG, die ihre Kontrolleure
angewiesen hat, "größere Reisegruppen" als mögliche G8-Demonstranten zu
identifizieren, gibt Erkenntnisse über Passagiere regelmäßig weiter. Zu
den zivil-polizeilichen Operationszielen gehören "gemeinsame
Frühwarnstrukturen", in die auch andere deutsche Großunternehmen
einbezogen sind. Das Ausmaß der "Sicherheitspartnerschaften", die erst
anlässlich des G8-Gipfels Irritationen hervorrufen, offenbart eine
systematische Infiltration staatlicher Repressionsbehörden in
geschützte Bereiche gesellschaftlicher Öffentlichkeit. Zu den
polizeilichen Zulieferern gehören auch die Deutsche Telekom AG und die
Deutsche Post AG, die im Bundesland Nordrhein-Westfalen verschwiegene
Dienste leisten. Dabei geht es um die Meldung "sicherheitsrelevanter"
Erkenntnisse. Eine "Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Wirtschaft"
will die Kooperation "aktiv weiterentwickeln" und strebt "die
Einrichtung eines nationalen Sicherheitsrates" an. Neuer Höhepunkt der
staatlichen Absorption gesellschaftlicher Grundfreiheiten ist die
Durchleuchtung unliebsamer G8-Journalisten durch das Bundeskriminalamt
(BKA).

Totalitäre Züge

Wie gestern bekannt wurde, wird Berichterstattern über den kommenden
G8-Gipfel die Akkreditierung verweigert, wenn sie einer verdeckten
Überprüfung durch das Bundeskriminalamt nicht genügen. Die
Ausschlusskriterien sind unbekannt, eine detaillierte Begründung
erfolgt nicht. Die kaltgestellten Journalisten werden auf den Rechtsweg
verwiesen. Damit maßt sich die deutsche Exekutive an, über die
Ausführung des journalistischen Verfassungsauftrags nach eigenem
Belieben zu bestimmen. Diese Praxis, von der bis jetzt etwa 20
Berichterstatter betroffen sind, stellt Grundrechte auf den Kopf und
trägt deutlich totalitäre Züge.

Generalverdacht

Zuvor hatte die Deutsche Bahn AG eingeräumt, sie werde während der
Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm die Anwesenheit von
"größeren Reisegruppen in Richtung Mecklenburg-Vorpommern (z.B.
Rostock)" weitermelden.[1] Die Erkenntnisse seien zunächst "an interne
Stellen" zu geben und sollen dort offensichtlich abgeglichen werden,
"da die globalisierungskritische Szene nicht unbedingt als solche zu
identifizieren ist". Nach positivem Ausgang der Gesichts- und
Habituskontrolle sind die Polizeibehörden zu informieren. Dies sei
notwendig, um "möglichem Gefahrenpotenzial" gezielt zu begegnen, heißt
es bei der Bahn AG über den Generalverdacht gegen Oppositionelle. Den
verdächtigen Reisenden, die auf dem Weg zur Wahrnehmung eines
Grundrechts sind, sei durch "polizeiliche bzw. betriebliche Maßnahmen
frühzeitig und konsequent entgegenzuwirken".

Legierung

Die autoritären Dienstleistungen sind nicht auf die Bahn AG
beschränkt und greifen bundesweit. Zwischen Großunternehmen wie der
Bahn AG und staatlichen Stellen werden seit Jahren sogenannte
Sicherheitspartnerschaften institutionalisiert. Beispielhaft ist eine
"Gemeinsame Erklärung über die Bildung einer Sicherheitspartnerschaft
im Lande Rheinland-Pfalz". Bei der als Partnerschaft ausgegebenen
Legierung arbeiten sämtliche maßgeblichen Wirtschaftsverbände den
Behörden der Mainzer Landesregierung zu, darunter
Unternehmerorganisationen, die Arbeitsgemeinschaft der Industrie- und
Handelskammern und die Arbeitsgemeinschaft der Handwerkskammern.
Maßgeblichen Einfluss auf die Entstehung der "Gemeinsamen Erklärung"
hatte die "Vereinigung für die Sicherheit der Wirtschaft Hessen,
Rheinland-Pfalz, Saarland", ein regional beschränkter Zusammenschluss
von rund 200 Privatunternehmen unterschiedlicher Branchen.

Extremismus

Wie die Unterzeichner der "Gemeinsamen Erklärung" bekunden, wollen
sie "den vertrauensvollen Dialog in Sicherheitsfragen zwischen der
Landesregierung und der (…) Wirtschaft erweitern und
intensivieren".[2] Gegenstand des "Dialogs" sind "Gefährdungen durch
(…) Sabotage, Extremismus und Terrorismus", heißt es in dem Dokument.
Die Rubrik "Extremismus" eröffnet die Ausweitung der Kooperation auf
vielfältige Formen politisch nicht gewünschter Tätigkeiten.
Privatunternehmen sollen von den Sicherheitsbehörden "allgemeine
Lagebilder", "Gefährdungsanalysen" und "Hinweise zur Prävention"
erhalten. Im Austausch verpflichten sie sich, Informationen zur
Verfügung zu stellen, "die für die jeweilige Aufgabenstellung der
Sicherheitsbehörden von Bedeutung sein können". Die Formulierung
überlässt es der Exekutive, über das geforderte Ausmaß staatlicher
Penetration in die gesellschaftliche Öffentlichkeit nach Belieben zu
befinden. Gesetzliche Einschränkungen bleiben unerwähnt. Des weiteren
behalten sich die Repressionsapparate vor, "anlassbezogene
Informationsgespräche zu führen". Die unterzeichnenden
Wirtschaftsverbände "ermuntern die Unternehmen dazu, aktiv zu dieser
Informationsübermittlung beizutragen".

Bahn, Post, Telekom…

Mit "Sicherheitspartnerschaften" ähnlicher Art werden inzwischen
zahlreiche weitere Bundesländer überzogen. Der Berliner Senat etwa
unterhält eine "Sicherheitspartnerschaft" mit dem "Arbeitskreis für
Unternehmenssicherheit Berlin-Brandenburg" (AKUS). Der Organisation
gehören mehr als 200 Unternehmen an, darunter die Landesbank Berlin,
die DaimlerChrysler AG, die Siemens AG, die BerliKomm
Telekommunikationsgsellschaft mbH – und die Deutsche Bahn AG. Zu den
Mitgliedern im "Verband für Sicherheit in der Wirtschaft
Nordrhein-Westfalen", der ebenfalls eine "Sicherheitspartnerschaft"
vereinbart hat, zählen neben zahlreichen Großkonzernen wie Bayer,
Henkel und ThyssenKrupp auch die Deutsche Post AG und die Deutsche
Telekom AG. Die Einbeziehung der maßgeblichen deutschen
Kommunikationsunternehmen verdeutlicht, dass das Post- und
Fernmeldegeheimnis zur Disposition steht.

Verkehrsbetriebe

Wer den informellen Diensten von Post und Telekom entgangen sein
sollte, könnte im deutschen Bundesland Sachsen bei Straßenbahnfahrten
erfasst werden. In der sächsischen Landeshauptstadt wirkt ein "Verband
für Sicherheit in der Wirtschaft" und führt die Dresdner
Verkehrsbetriebe AG auf der Liste seiner Mitglieder. Auch die Flughafen
Dresden GmbH achtet auf ihre Passagiere und ist wegen detaillierter
Kenntnisse über aktuelle Reisebewegungen polizeilich von Interesse. Ob
Passagiere auf den deutschen Flughäfen von den G8-Kontrollen betroffen
sind, ist bisher unbekannt, aber gilt wegen der verschärften
Grenzüberwachung als sicher.

Nationaler Sicherheitsrat

Zusammengeschlossen sind die flächendeckend präsenten "Verbände für
Sicherheit in der Wirtschaft" in der bundesweiten "Arbeitsgemeinschaft
für Sicherheit der Wirtschaft" (ASW). Die Organisation steht in
regelmäßigem Austausch mit entsprechenden Behörden des Bundes, darunter
den Geheimdiensten für Inneres (Verfassungsschutz) und Äußeres
(Bundesnachrichtendienst). Auch das Bundeskriminalamt (BKA), das im
Vorfeld des G8-Gipfels Journalisten filtert, ist einbezogen. Wie die
ASW mitteilt, will sie "die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Staat
über das bisher Erreichte hinaus aktiv weiterentwickeln" und strebt im
sogenannten Sicherheitsbereich "(n)eue und intensivere Prozesse der
Kooperation" an.[3] Ziel sei die "Errichtung integrierter gemeinsamer
Frühwarnstrukturen", heißt es bei der Arbeitsgemeinschaft: "Am Ende
dieser Entwicklung könnte die Einrichtung eines nationalen
Sicherheitsrates stehen unter Einschluss von Staat, Wirtschaft und
Gesellschaft."

Auf dem Wege

Unwillentlich beschreibt diese Zielprojektion eine repressive
Legierung von Staat und Gesellschaft, in der jeder gegen jeden einen
Präventivverdacht hegt. Bei dem sogenannten Sicherheitsrat handelt es
sich um einen Wiedergänger zentraler Überwachungscluster, wie sie in
totalitären Gesellschaften üblich sind. Die vorbereitende Unterdrückung
der G8-Proteste stellt unter Beweis, dass diese Entwicklung auf dem
Wege ist.

Quelle: www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56866

One response to “german-foreign-policy.com: Nationaler Sicherheitsrat”

  1. r.oc

    jah also ich find graffiti sehr
    gut gut dah ich auch writer sehr cool finde alles super
    und alle die was gegen graffpower haben und züge buffen sind schweine :)