Tarnen und Täuschen

[german-foreign-policy.com] Im Rahmen einer hochrangig besetzten Konferenz präsentiert die Bundeswehr in dieser Woche neuartige Technologien für die Kriege der Zukunft. Schwerpunkte der Veranstaltung sind das Tarnen der eigenen Streitkräfte, das Täuschen des Gegners und das Stören der feindlichen Kommunikationsverbindungen. Die Bundeswehr-Szenarien gehen explizit von einem Aufmarsch westlicher Interventionstruppen in ressourcenreichen Ländern des Südens aus: Diskutiert werden Einsätze in Wüsten- und Dschungelgebieten ebenso wie das Konzept des "Three Block War". Das Konzept geht davon aus, dass eine sogenannte humanitäre Hilfsmission innerhalb kürzester Zeit und auf engstem Raum zu einer blutigen militärischen Auseinandersetzung eskaliert. Die aktuelle Konferenz wird von der "Wehrtechnischen Dienststelle 52" der Bundeswehr organisiert. Das deutsche Militär unterhält zudem einen "Technologiestützpunkt Tarnen und Täuschen" – Presseberichten zufolge eine "einmalige" Einrichtung innerhalb der NATO.

Wüsten und Dschungel
Wie das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung mitteilt, eröffnet am morgigen Dienstag das zweite "Internationale Symposium für Indirekte Schutzsysteme" ("ISIS 2009") der Bundeswehr in Bad Reichenhall (Bayern). An vier aufeinanderfolgenden Tagen würden die "neuesten Entwicklungen und Ergebnisse aus dem Bereich Tarnen, Täuschen, Stören und Tarnnebel" vorgestellt, heißt es. Die Teilnehmer hätten die "Möglichkeit, sich mit Vortragenden, Experten und Entscheidungsträgern aus verschiedenen Nationen auszutauschen", erklärt das Bundesamt weiter.[1] Dabei gehen die Veranstalter explizit von einem Aufmarsch westlicher Interventionstruppen in den ressourcenreichen Ländern des Südens aus: Diskutiert werden laut Konferenzprogramm die "Tarnungsanforderungen in Wüsten- und Dschungelgebieten" ("Camouflage requirements in desert and jungle environments").[2]

Three Block War
Als "grundlegendes Operationsszenario" gilt dem Bundesamt der so genannte "Three Block War". Hieraus ergäben sich, heißt es, zentrale "Implikationen" für die Entwicklung von "Systemen der Tarnung, des Verbergens und der Täuschung" ("Implications of the Three Block War as the basic operational scenario for C(amouflage), C(oncealment) and D(eception) Systems").[3] Das "Three Block War"-Szenario sieht vor, dass ein als "humanitäre Hilfsaktion" in einem Entwicklungsland deklarierter Militäreinsatz innerhalb kürzester Zeit und auf engstem Raum zu einer blutigen Auseinandersetzung eskaliert. Die Bundeswehr führt regelmäßig entsprechende Manöver durch (german-foreign-policy.com berichtete [4]).

Signaturanpassung
Organisiert wird "ISIS 2009" von der "Wehrtechnischen Dienststelle 52" (WTD 52) der deutschen Streitkräfte. Die in Oberjettenberg nahe dem Tagungsort gelegene Einrichtung des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung zählt die Entwicklung von Technologien zum "Schutz vor Wärmebildsensoren und bildgebenden Radaren" nach eigener Aussage ebenso zu ihren "Kernkompetenzen" wie "Tarnmaßnahmen für Fahrzeuge der Krisenreaktionskräfte". Dabei geht es darum, dass Panzer und Kampfflugzeuge nicht mehr aufgrund ihrer "Signatur", also durch ihr Aussehen oder die von ihnen ausgehende Wärmestrahlung, erkannt werden können. Ziel sei die "Signaturanpassung von Wehrmaterial aus den Bereichen Land und Luft an die neuen Einsatzgebiete der Bundeswehr", heißt es. "Federführend" ist die WTD 52 laut einer Selbstdarstellung auch auf dem Gebiet der Erprobung vermeintlich "nicht-letaler" Waffen.[5] Untersucht wird unter anderem die Wirkung von Gummigeschossen und Elektroschockgeräten, die bei der Aufstandsbekämpfung in den Operationsgebieten des deutschen Militärs zum Einsatz kommen sollen (german-foreign-policy.com berichtete [6]).

Heimatschutz
Im Rahmen der aktuellen Konferenz wird außerdem die "Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft" (IABG) Computersysteme zur Simulation und Evaluation von Tarnmaßnahmen vorstellen. Das bis zu seiner Privatisierung 1993 staatliche Rüstungsunternehmen mit Sitz im bayerischen Ottobrunn beschäftigt nach eigenen Angaben mittlerweile mehr als 1.000 Mitarbeiter und verweist auf einen Jahresumsatz von 131 Millionen Euro.[7] Da man "an den Planungen und Bewertungen nahezu aller Systeme der Bundeswehr mitgewirkt" habe, sei man für das deutsche Militär ein "einzigartige(r) Vertrauenspartner", heißt es. Gemäß den politischen Vorgaben Berlins versteht die IABG die Streitkräfte "als Fundament für die außenpolitische Handlungsfähigkeit" und fordert die "enge Verzahnung von innerer und äußerer Sicherheit" im Rahmen eines umfassenden "Heimatschutzes" ("Homeland Security").[8]

Kampflaser
Der Geschäftsbereich "Überlebensfähigkeit" der IABG befasst sich nicht nur mit Techniken zum "Schutz gegen Minen" und mit der Konstruktion von Kriegsgerät aller Art, sondern insbesondere mit der "Tarnung von Mensch und Material". In diesem Zusammenhang arbeitet das Unternehmen nach eigenen Angaben eng mit anderen kommerziellen Rüstungsproduzenten zusammen: "Auch die Schiffsbauwerften wissen, dass reduzierte I(nfra)R(ot)- und Radarsignaturen zu einer verbesserten Überlebensfähigkeit der neuen Fregatten und Korvetten beitragen und haben uns mit deren Optimierung beauftragt."[9] Analog der "Wehrtechnischen Dienststelle 52", die "ISIS 2009" organisiert, analysiert die IABG laut einer Selbstdarstellung zudem "Effekte", die durch "neuartige, nichtletale Wirkmittel oder futuristische Waffentechnologien wie Kampflaser und Hochleistungsmikrowellen" erzielt werden können.[10]

Einmalig
Neben der WTD 52 unterhält die Bundeswehr einen eigenen "Ausbildungs- und Technologiestützpunkt Tarnen und Täuschen" auf dem Truppenübungsplatz Storkow (Brandenburg). Verantwortlich hierfür ist die "Heeresaufklärungstruppe", zu deren Aufgaben Spionage und sogenannter elektronischer Kampf zählen. In Storkow wird Presseberichten zufolge einerseits an der "Veränderung der Signatur" von Kriegsgerät aller Art gearbeitet; andererseits werden hier Soldaten vor ihrem "Auslandseinsatz" in der Anwendung von Tarntechniken geschult. Der Stützpunkt sei damit, heißt es, "einmalig in der Bundeswehr und der NATO".[11]


[1] ISIS 2009 – Internationales Symposium für Indirekte Schutzsysteme; www.bwb.org
[2], [3] ISIS 2009 – Programm; www.bwb.org
[4] s. dazu Three Block War
[5] Aufgaben der WTD 52/Kernkompetenzen; www.bwb.org
[6] s. dazu Abgestufte Aufstandsbekämpfung
[7] Unternehmen – Fakten; www.iabg.de
[8] Verteidigung und Sicherheit; www.iabg.de
[9] Überlebensfähigkeit; www.iabg.de
[10] Wirksamkeit im Einsatz; www.iabg.de
[11] Mission: Tarnen und Täuschen; Der Prignitzer 26.09.2009

Source: http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57650