Get out of Control: Redebeitrag der Freien Arbeiterinnen- und Arbeiterunion Berlin

Heute wird wieder unter dem Motto “Freiheit statt Angst” demonstriert. Wie es um die Freiheit und die Angst im Überwachungsstaat BRD bestellt ist, wissen die Beschäftigten in den Betrieben und die Erwerbslosen nur allzugut. Kapitalistische Profitlogik, Konkurrenzdruck und Leistungszwang spiegeln sich in einer zunehmend technisierten Effizenz- und Verhaltenskontrolle am Arbeitsplatz wider. Erwerbslose wiederum müssen sich in den staatlichen Agenturen und Ämtern digital entblößen. Sie können mit Sanktionen belegt werden, wenn sie auf dem Rest einer Privatsphäre beharren.Die unzähligen Überwachungsskandale der letzten Jahre haben gezeigt, dass Lohnabhängige nicht nur im viel zitierten “Einzelfall” heimlich beobachtet, belauscht, bespitzelt und gerastert werden. Die elektronische Überwachung und Kontrolle ist heute eher die Regel und nicht die Ausnahme – und, sie erfolgt oft auch mit Kenntnis und Billigung der Betriebsräte. Die Instrumente der Überwachung sind vielfältig; erinnert sei beispielsweise an die allgegenwärtigen Zeiterfassungssysteme, das weitgehend automatisierte Beschäftigten-Screening, die permanente Videoüberwachung oder die in der Logistikbranche verbreiteten Ortungs- und Verfolgungssysteme.

Doch jetzt soll angeblich alles besser werden: Vor wenigen Wochen hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf zum Beschäftigtendatenschutz vorgelegt. Was uns von den bürgerlichen Medien unter der Schlagzeile “Handschellen für Big Brother” angepriesen wird, ist beim genauen Hinsehen als billiger Aktionismus und Legalisierung der bestehenden Überwachungspraktiken zu entlarven.

Beispiel Videoüberwachung:
Das gefeierte Verbot von Videoaufnahmen in Toiletten und Umkleideräumen zeigt entweder die Scham- und Grenzenlosigkeit der Überwachung oder aber die banale Rechtwerdung von Selbstverständlichkeiten. Die permanente Videoüberwachung an den übrigen Orten eines Betriebes bleibt hingegen zur Wahrung so genannter “wichtiger betrieblicher Interessen” nahezu unberührt.

Beispiel Ortungssysteme:
Sie sind zugelassen, soweit dies aus betrieblichen Gründen zur Koordinierung des Einsatzes erforderlich ist. Eine entsprechende Begründung lässt sich von den Bossen natürlich immer finden, sei sie auch noch so abwegig.

Beispiel Screening bei Neueinstellung:
Die Bosse dürfen allgemein zugängliche Daten (z.B. im Internet) erheben, sofern nicht ein schutzwürdiges Interesse des Beschäftigten überwiegt. Zwar wird diese Gummiklausel in Bezug auf Daten aus sozialen Netzwerken noch etwas eingeschränkt, die Kontrollinteressen der Arbeitgeber werden im kapitalistischen Überwachungsstaat jedoch stets vorrangig sein.
Dass ein solches Überwachungsgesetz umgehend weitere Begehrlichkeiten hervorruft, überrascht nicht: So möchte beispielsweise der Verband der bayrischen Wirtschaft ganze Abteilungen präventiv überwachen lassen, d.h. ohne Vorliegen von tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Pflichtverletzung. Ein Schelm, wer hier das staatliche Mantra der “vorausschauenden Kriminalitätsbekämpfung” betrieblich verkleidet wiedererkennt.

Wie üblich ist auf dem Papier von Alternativlosigkeit die Rede. Für uns lohnabhängig Beschäftigte oder Erwerbslose gibt es jedoch stets eine praktische Alternative: Mit den Mitteln der direkten Aktion können wir den Bossen und Agenturen zeigen, dass ihre Überwachungsmaßnahmen von uns nicht geduldet werden. Eine mögliche Antwort auf den fortwährenden Kontrollwahn des Kaptials wäre beispielsweise die konsequente und geschlossene Arbeitsverweigerung in videoüberwachten Räumen.

Abschließend sei auf zwei weitere Einschränkungen unserer Freiheiten hingewiesen.

Dass die Gewerkschaftsfreiheit fortlaufend verteidigt werden muss, hat unser Arbeitskampf im Kino “Babylon Mitte” gezeigt. Der FAU Berlin war im vergangenen Jahr untersagt worden, sich als “Gewerkschaft” oder “Basisgewerkschaft” zu bezeichnen. Zuvor waren bereits jegliche Arbeitskampfmaßnahmen verboten worden. Nach einer Welle der Solidarität hat schließlich auch das Kammergericht einsehen müssen, dass ein solches de-facto-Verbot keinen Bestand haben kann. Unverständlicherweise wurde zur Begründung jedoch nicht die Koalitionsfreiheit sondern die Meinungsfreiheit herangezogen.

Der andere Punkt ist der aktuelle Angriff von BDA und DGB auf das Streikrecht. Es scheint so, als ob derzeit den DGB-Gewerkschaften die eigene Monopolstellung mehr am Herzen liegt als grundlegende gewerkschaftliche Rechte. In dunkler Allianz mit dem Kapital soll die so genannte Tarifeinheit gesetzlich geregelt werden — kurz: der von einer Mehrheitsgewerkschaft geschlossene Tarifvertrag soll sich innerhalb eines Betriebes auch auf Mitglieder anderer Gewerkschaften erstrecken und konkurrierende Tarifverträge verdrängen. Die gleichzeitige Ausweitung der Friedenspflicht führt dann zu einem de-facto-Streikverbot für die übrigen Gewerkschaften. Ganz nebenbei bringt dieser Vorschlag auch die Totalerfassung aller Gewerkschaftsangehörigen mit sich und sollte schon deshalb entschieden bekämpft werden.

In diesem Sinne: Gewerkschaftsfreiheit und Streikrecht verteidigen!
Auf die Barrikaden gegen Überwachung und Kontrolle durch Staat und Wirtschaft!