Erklärung der Zivilgesellschaft an e-G8 und G8

Die Unterzeichner dieser Erklärung sind Vertreter der Zivilgesellschaft aus der ganzen Welt, die Freiheiten im Internet, digitale Bürgerrechte und freie Kommunikation fördern wollen.

Unmittelbar vor dem diesjährigen G8-Gipfel in Deauville richtet die französische G8-Präsidentschaft ein G8 Internet-Treffen, das so genannte „e-G8 Forum“ aus. Hier will Frankreich die Agenda des G8-Gipfels hinsichtlich zentraler Internet-Regulierungsfragen formen. Dieses Treffen ist deshalb so wichtig, weil die Rolle des Internets in Gesellschaft und Wirtschaft erstmalig ausdrücklich auf der G8-Agenda steht.

Aufgrund ihrer maßgeblichen Stellung für die Weltpolitik haben die Richtlinien der G8 großen Einfluss auf die globale Internet-Regulierung. Bedauerlicherweise unterwandern und bedrohen einige der derzeit in den Industriestaaten geschaffenen gesetzlichen Rahmenbedingungen das offene und neutrale Internet – und damit genau jene Eigenschaften, die den Wesenskern des demokratischen und wirtschaftlichen Potenzials des Internets ausmachen.

Unserer Meinung nach sollten die G8-Mitglieder das e-G8-Forum als Gelegenheit nutzen, sich öffentlich zu den Zielen zu bekennen, allen Menschen Internetzugang zu ermöglichen, digitale Zensur und Überwachung zu bekämpfen, die Haftung von Internetmittlern in Grenzen zu halten und die Prinzipien der Netzneutralität zu wahren.

Freier Internetzugang für alle
Wir sind insbesondere besorgt über die zunehmende Zahl an Ländern, die ihren Bürgern in Krisenzeiten den Zugang zum Internet und zu mobilen Netzen verwehren, wie es in Ägypten, Libyen, Iran, China, Nepal und Burma der Fall war. In vielen, wenn nicht allen dieser Länder, konnten wir beobachten, wie wichtig der Zugang zum Internet als Tor zur Fülle der Bürgerrechte, politischen Möglichkeiten und Menschenrechte anderer ist.

Viele G8-Länder setzen derzeit aktiv Bestimmungen um, die in ähnlicher Weise darauf abzielen, den Netzzugang zu kontrollieren und einzuschränken. Diese Regelungen legitimieren die Eingriffe repressiver Regime und bedrohen den wirtschaftlichen Kern des Internets. Da viele Länder nun beginnen, die Infrastruktur für den Zugang zum Netz zu verbessern, ist diese Zunahme an restriktiver Regulierung, die wir sowohl in den entwickelten, als auch den sich entwickelnden Ländern beobachten, eine rückwärtsgewandte und zutiefst beunruhigende Entwicklung.

Freiheit von Zensur und Überwachung
Gleichzeitig nutzen repressive Regime die Macht des Internets für ihre eigenen Interessen, häufig mit Hilfe weltweit agierender Konzerne, die in den G8-Ländern beheimatet sind. Wir fordern Sie daher auf, den Verkauf derartiger Technologien sowohl im In- als auch im Ausland zu stoppen und diesen groben Eingriffen in Privatsphäre und Sicherheit ein Ende zu bereiten.

Providerhaftung und Geistiges Eigentum
Insbesondere die Unterhaltungsindustrie, aber auch andere Wirtschaftszweige arbeiten mit zunehmendem Druck daran, die Haftung von Online-Dienstleistern für die Handlungen ihrer Nutzer zu erhöhen (z.B. HADOPI und ACTA). Um die Meinungsfreiheit zu erhalten, muss gegen diesen Druck Widerstand geleistet werden.

Deshalb schlagen wir vor, dem Beispiel der brasilianischen Regierung und ihren Prinzipien für die Regulierung und Nutzung des Internets zu folgen, insbesondere Grundsatz 7, der festlegt: „Jede Maßnahme gegen illegale Handlungen im Netz muss sich gegen jene richten, die unmittelbar dafür verantwortlich sind – und darf nicht die Infrastruktur/Kommunikationsmittel betreffen, so dass die grundlegenden Prinzipien von Freiheit, Privatsphäre und die Achtung der Menschenrechte immer gewahrt werden.

Netzneutralität
Wir rufen Sie außerdem auf, sich dem Schutz der Netzneutralität zu verpflichten – dem Prinzip, dass aller Datentransfer im Netz gleichberechtigt behandelt wird, unabhängig von seinem Ziel, Ursprung oder Inhalt.

Dies sind einige der zentralen Fragen der Internetregulierung, von welchen wir glauben, dass sie der Aufmerksamkeit durch die G8 verdienen. Wir wollen Ihre Aufmerksamkeit weiterhin auf zwei umfassende Erklärungen lenken, die den Nationalstaaten in Fragen der Netzregulation als Richtwert dienen sollten:

* Die 10 Rechte und Prinzipien für das Internet, entwickelt von der Internet Rights and Principles Coalition

Assembly Declaration of the Right of Communication, verfasst beim Weltsozialforum 2011

Weiters möchten wir unserer Besorgnis über die Organisation des e-G8-Forums Ausdruck verleihen. Wir stimmen mit dem Internet Governance Caucus darin überein und möchten gemeinsam unsere Sorge über die fehlende Beteiligung und Vertretung der Zivilgesellschaft sowohl beim diesjährigen e-G8 Forum als auch beim G8-Gipfel selbst äußern. Entgegen heutiger Gepflogenheiten in der Politikgestaltung standen hauptsächlich Regierungs- und Wirtschaftsvertreter auf den Einladungslisten, die ohnehin schon einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf die Netzregulierung haben.

Insbesondere sind wir zutiefst darüber besorgt, dass wirtschaftliche Interessen die Diskussionen sowohl beim e-G8 Forum als auch beim G8-Gipfel bestimmen werden. Fragen wie die einer strengen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte und verschärfte Providerhaftung drohen so Vorrang vor bürgernahen Richtlinien wie Netzneutralität, freier Software und dem Kampf gegen Zensur zu erhalten.

Da Firmen 100.000 U$ für einen Sitz am Tisch der e-G8 zahlen, werden nur wenige Bürgerrechtsbewegungen vertreten sein und sich für die Rechte der Nutzer aus aller Welt einsetzen zu können. Wir befinden uns an einem kritischen Punkt in der Geschichte des Internets und dem Kampf für Menschenrechte. Wir rufen Sie – als gewählte Vertreter der mächtigsten Länder der Welt – auf, jetzt zu handeln, um die Prinzipien digitaler Bürgerrechte und eines freien Netzes aufrechtzuerhalten und zu verteidigen – nicht nur für Ihre Bürger, sondern für die gesamte Menschheit.

Dank an die Digitale Gesellschaft, auf deren Übersetzung sich der vorliegende Text stützt.

Source: http://www.unwatched.org/20110523_Erklaerung_der_Zivilgesellschaft_an_die_e-G8_und_G8