Schäuble will präventives Polizeirecht auf internationaler Ebene

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat bei einem Treffen
mit Amtskollegen auf fünf europäischen Ländern und den USA für
gemeinsame verstärkte Maßnahmen zur Terrorismus-Bekämpfung geworben.
Als erforderlich bezeichnete der CDU-Politiker in der Runde, die am
heutigen Samstag im brandenburgischen Werder an der Havel zu Ende ging,
die Entwicklung eines "einheitlichen Rechtsrahmens für ein
internationales Polizeirecht auch zur präventiven
Terrorismusbekämpfung". Weiter pochte er auf Lösungsansätze zur Abwehr
von Gefahren durch das Internet, wobei er vor allem heimliche
Online-Durchsuchungen international ins Gespräch brachte.

Auf der Agenda stand zudem die Suche nach Maßnahmen gegen
terrorismusverdächtige Ausländer in ihrem jeweiligen Aufenthaltsstaat.
Damit sollen "sichere Häfen" für Schwerverbrecher verhindert und
bessere
Möglichkeiten zur Kontrolle und Überwachung potenzieller "Gefährder"
aus Drittstaaten gefunden werden, die nicht sofort abgeschoben werden
können. Die Minister diskutierten auch über den "Ausbau der guten
Zusammenarbeit unter den Nachrichtendiensten" ihrer Länder. Ein
besserer Informationsfluss sei nötig. Kritiker monieren dagegen seit
langem, dass Schäuble einen "Präventivstaat" anstrebe und dabei jeden Bürger zum Verdächtigen erklären wolle.

Ziel des zweitägigen Symposiums auf Einladung der Bundesregierung
war es allgemein laut Innenministerium, "jenseits des politischen
Tagesgeschäftes und gerade auch mit Hilfe unabhängiger
wissenschaftlicher Expertise die Entwicklungen im Bereich des
internationalen Terrorismus zu reflektieren". Zugleich sollte der
Dialog über "die Entwicklung von wirksamen Maßnahmen gegen diese
Bedrohung" intensiviert werden. Die Konferenz im so genannten
"G6-Rahmen" folgte auf ein Treffen in gleicher Besetzung im Mai in
Venedig. Konkrete Beschlüsse sind nicht gefasst worden. Die Debatte
über die teils tief in Verfassungsgefüge einschneidenden Vorhaben soll
zunächst fortgeführt werden.

Schäuble unterstrich, dass "der neue Terrorismus die überkommene
Grenze zwischen innerer und äußerer Sicherheit verschwimmen" lasse.
Spätestens seit dem 11. September 2001 stelle sich die Frage, wie eine
in souveränen Staaten verfasste Weltgemeinschaft auf einen global
agierenden Terrorismus effektiv reagieren kann. Das staatliche
Gewaltmonopol sei schon längst keine Konstante in der weltpolitischen
Beurteilung mehr. Terrororganisationen würden über ein Gewaltpotenzial
verfügen, das verheerende Wirkung haben könne. In der G6-Runde sei man
sich daher einig, "dass ein strategischer Rahmen zur präventiven
Bekämpfung des Terrorismus erforderlich ist". Rechtsstaatlichkeit und
effektiver Schutz der Bevölkerung seien dabei keine
Gegensätze. US-Heimatschutzminister Michael Chertoff betonte in diesem
Sinne, dass alles zum Schutz unschuldiger Menschen getan werden müsse.

In einem
Interview mit der Wirtschaftswoche
warnte Schäuble parallel vor Cyber-Attacken gegen das internationale
Finanzsystem. "Gewisse Zentren" desselben würden zu den "kritischen
Infrastrukturen" gehören. Es sei "ein reales Risiko", dass diese nicht
nur "physischen Angriffen", sondern auch "Hackern oder Attacken von
Computer-Viren" ausgesetzt sein könnten. Es sei unbestritten, dass
Regierung und Wirtschaft die kritischen Infrastrukturen "stärker gegen
Terrorismus schützen müssen".

Gleichzeitig verteidigte der Innenminister seine Pläne für
Online-Razzien. Es gebe darin "keinen Ansatz für eine flächendeckende
Untersuchung von Online-Daten", versuchte er Gegner des Vorhabens zu
beruhigen. Im Gesetzesentwurf zu Online-Untersuchungen gehe es "nur um
Terrorismusabwehr und nicht um Steuerfahndung" sowie auch "sonst um
nichts anderes". Unionspolitiker und Strafverfolger wollten den so
genannten Bundestrojaner dagegen auch bei der Bekämpfung
einer Reihe anderer Straftaten einsetzen, etwa zur Verfolgung von
Kinderpornographie, Wirtschaftskriminalität oder von gewaltbereiten
Fußballfans. Dagegen erklärte Schäuble, dass die deutsche Verfassung es
"nur unter strengsten Voraussetzungen" zulasse, "in den geschützten
Raum der persönlichen Lebensführung einzugreifen".

Trotz weiteren Widerständen in Reihen der Sozialdemokraten gegen die
Netzbespitzelung zeigte sich der Minister zudem zuversichtlich, dass
sich die Koalition beim Streitthema Online-Durchsuchungen
im kommenden Jahr rasch einigen wird. "Die Auslassungen der SPD
begründen sich doch einzig darin, dass die
Sozialdemokraten mit schlechten Umfragewerten kämpfen. In Wahrheit
bestreitet die SPD nicht ernsthaft, dass wir die Online-Durchsuchung
brauchen". Den vor allem in der Bloggerszene erhobenen Vorwurf, er
setze ein Modell der Stasi 2.0
um, bezeichnete Schäuble als irreal. "Die jungen Menschen, die mir
derartige Vorhaltungen machen, meinen das ja auch nicht ernst." Aber er
wundere sich schon, "wie über die Medien mit offensichtlichen
Fehlinformationen solche
Hysterie geschürt" werde. Auf einen aktuellen Fall, in dem das
Bundeskriminalamt Material aus Stasi-Opferakten interner DDR-Kritiker zur Erstellung eines Personenprofils heranzog, ging der Minister nicht ein.

(Stefan Krempl) /
(vza/c’t)

 

Quelle: http://www.heise.de/newsticker/meldung/99870/from/rss09