Neuer Koalitionsstreit um die Online-Durchsuchung – Mögliches Eindringen in Wohnungen umstritten

[ddp] In der großen Koalition ist der Streit
um Online-Durchsuchungen neu entbrannt. Der Vorschlag der Union, zur
Manipulation von Rechnern auch das heimliche Betreten von Wohnungen
zuzulassen, stößt nicht nur bei der SPD, sondern auch in der Opposition
und bei Datenschützern auf heftige Kritik. Die
SPD bezeichnete die Pläne am Freitag als
«Grenzüberschreitung» und Verstoß gegen das Grundgesetz. Die FDP
kritisierte, die Politik habe offenbar «jedes Maß verloren». Der
Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sprach von einem «hohen
verfassungsrechtlichen Risiko» des Vorhabens.
«Es ist eine Grenzüberschreitung, die Online-Durchsuchung mit einer
Lizenz zum Einbrechen zu verbinden», sagte der SPD-Innenpolitiker
Dieter Wiefelspütz. Das Grundgesetz schütze die Wohnung. Auch der
Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD)
lehnte eine solche Regelung ab, weil sie gegen das Grundgesetz
verstoße. «Wir sollten ausschließen, dass dieses Gesetz wieder vom
Bundesverfassungsgericht aufgehoben wird», sagte Edathy. Die Karlsruher
Richter hatten in den vergangenen Monaten mehrere Sicherheitsgesetze
gekippt und als verfassungswidrig erklärt.
«Die Politik hat jedes Maß verloren und übertritt ständig die rote
Linie, die durch das Grundgesetz gezogen wird», kritisierte die
FDP-Innenexpertin Gisela Piltz. Das zeige sich auch in dem aktuellen
Streitfall der Koalition. «Wer zum Zwecke der Online-Durchsuchung in
Wohnungen eindringt, greift in die Unverletzlichkeit der Wohnung ein»,
sagte Piltz.
Auch Datenschützer Schaar pochte auf den Schutz des Wohnraumes und
bezweifelte die Rechtmäßigkeit des Vorschlags. Bislang sei man immer
davon ausgegangen, als «Trojaner» getarnte Suchprogramme über das
Internet, per E-Mail oder V-Personen auf den Rechner des Verdächtigen
zu schleusen. «Dass jetzt in Wohnungen eingebrochen werden soll, ist
neu», sagte Schaar. Eine Änderung des Grundgesetzes lehnten sowohl er
als auch die übrigen Kritiker aus SPD und FDP ab.
Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) verteidigte den Vorschlag
gegen die Attacken. «Wer die Online-Durchsuchung für unverzichtbar
hält, muss den Ermittlern auch die Möglichkeit dazu geben», sagte er
und kritisierte die Abwehrhaltung des Koalitionspartners. «Die SPD will
die Online-Durchsuchungen so weit wie möglich erschweren», sagte
Bosbach.
Er sperre sich nicht gegen eine Verfassungsänderung, sagte der
CDU-Politiker. Seiner Meinung nach sei dies jedoch nicht nötig. Die
Regel für die akustische Wohnraumüberwachung, den sogenannten
Lauschangriff, könne analog angewendet werden.
Das Betreten von Wohnungen war laut Deutschem Richterbund (DRB) bereits
beim Lauschangriff umstritten. Diese Debatte müsse nun wieder
aufgegriffen werden, sagte der DRB-Vorsitzende Christoph Frank. Eine
eindeutige gesetzliche Grundlage bei der Online-Durchsuchung in der
Strafprozessordnung sei nötig. Frank forderte: «Wir brauchen eine klare
Regelung, die auch praxistauglich sein muss und Rechtssicherheit
gewährleistet.»

 

Source: http://www.pr-inside.com/de/einbruch-im-staatsauftrag-r520249.htm