Österreich regelt Polizeizugriff auf VIS

[futurezone.orf.at] Die österreichische Regierung will mit einem eigenen Gesetz die EU-Abmachungen zur grenzüberschreitenden Polizeikooperation in nationales Recht umsetzen. Der vom Innenministerium eingebrachte Text regelt auch den umstrittenen Zugriff der Strafverfolger auf die zentrale europäische Visumsdatenbank VIS.

Das federführende Innenministerium hat am Dienstag die Regierungsvorlage für das Bundesgesetz über die polizeiliche Kooperation mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf der Website des Parlaments verfügbar gemacht.

Das Gesetz, mit dem auch das Polizeikooperations- und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden sollen, wird die Zusammenarbeit der nationalen Behörden mit Europol sowie den Zugriff auf verschiedene Datenbanken wie das geplante Schengen-Informationssystem II (SIS II) regeln. Die Vorlage wird am 5. November im Ausschuss für innere Angelegenheiten behandelt werden.

Zugriff auf VIS umstritten

Der 4. Teil des Gesetzes regelt die Nutzung des zentralen Visa-Informationssystems der Union (VIS) durch die Sicherheitsbehörden. Diese dürfen demnach auf das VIS zugreifen, "wenn das im Einzelfall für Zwecke der Verhütung, Aufdeckung und Ermittlung terroristischer Straftaten (…) sowie sonstiger schwerwiegender Straftaten (…) erforderlich ist". Zu diesen Daten gehören auch die digitalisierten Fingerabdrücke der Visumsantragsteller, die im VIS gespeichert werden. Die personenbezogenen Daten aus dem VIS dürfen bei "Gefahr im Verzug" auch an Drittstaaten und deren Sicherheitsorganisationen übermittelt werden, allerdings nur mit Zustimmung des Mitgliedslandes, in dem die Daten in das System eingegeben wurden. Die Bestimmungen zum Zugriff auf die VIS-Daten gehen auf entsprechende Vereinbarungen auf EU-Ebene aus dem Jahr 2008 zurück. VIS soll im September 2010 den Betrieb aufnehmen.

Nach Ansicht des Europäischen Datenschutzbeauftragten (EDPS) Peter Hustinx verstößt der Zugriff der Sicherheitsbehörden auf die Datenbanken wie VIS und die EU-Fingerabdruckdatenbank für Asylsuchende (EURODAC) gegen ein elementares Prinzip des europäischen Datenschutzrechts, nämlich dass Daten nur zu dem Zweck genutzt werden dürfen, zu dem sie erhoben wurden. Die Strafverfolger, so Hustinx in einer Mitteilung vom 7. Oktober, hätten damit Zugriff auf die Daten von Menschen, die nicht unter Verdacht stünden, Straftaten begangen zu haben. Hustinx warnte in diesem Zusammenhang nachdrücklich vor dem "Entstehen einer totalen Überwachungsgesellschaft", zumal im Stockholm-Programm der EU schon wieder über die Einrichtung neuer Datenbanksysteme, beispielsweise zur Erfassung von Flugpassagierdaten (PNR), verhandelt werde.

Änderung des SPG

Das Sicherheitspolizeigesetz (SPG) soll in Paragraf 58b dahingehend geändert werden, dass die Behörden auch Digitalfotos angehaltener Menschen anfertigen und "in einem vom Bundesminister für Inneres betriebenen Informationsverbundsystem automationsgestützt" verwenden dürfen. Laut Materialien zur Regierungsvorlage sei das notwendig, um die betroffenen Personen eindeutig identifizieren zu können, da diese oft kein brauchbares Ausweisdokument bei sich tragen würden.

Im Abschnitt "Finanzielle Auswirkungen" der Materialien zur Regierungsvorlage ist zu lesen, dass die technische Umsetzung des automatisierten Vergleichs von DNA-Profilen im Rahmen der grenzüberschreitenden Polizeikooperation "in den kommenden Budgetjahren" Ausgaben in Höhe von rund vier Millionen Euro verursachen werden. Daneben sei eine "Unterstützungsleistung durch Österreich für andere Staaten (z. B. für internationale Software-Teile)" in Planung, die jährlich mit 1.780.000 Euro zu Buche schlagen würde, wovon das Innenministerium dank EU-Förderung aber nur 530.000 Euro übernehmen muss. Die Mehrausgaben für Technik und Infrastruktur des SIS II veranschlagt das Ministerium auf jährlich rund 100.000 Euro plus "geringer Mehrausgaben" für "zusätzliche Personalleistungen".

Die Umsetzung von SIS II stand zuletzt unter scharfer Kritik von Innenministerin Maria Fekter. Anlässlich des Treffens der EU-Innenminister am vergangenen Freitag in Luxemburg hatte sie EU-Kommission und den verantwortlichen IT-Dienstleister Steria dafür verantwortlich gemacht, dass sich die Einführung des Systems auch nach Zahlung von über 300 Millionen Euro immer noch verzögere. Laut Fekter werde auch das VIS nicht, wie ursprünglich geplant, im September 2010 starten können.

Source: http://futurezone.orf.at/stories/1630394/