»Natürlich war Kennedy in Berlin dienstlich unterwegs!«

BKA-Chef Ziercke hat im Innenausschuß des Bundestages zum britischen Polizeispitzel offenbar falsch ausgesagt. Ein Gespräch mit Matthias Monroy

Der Fall des britischen Polizeispitzels Mark Kennedy, der auch in Deutschland eingesetzt wurde, wird in Kürze den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern beschäftigten. Vergangene Woche noch hatte der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, dem Bundestagsinnenausschuß erklärt, Kennedy habe aus Berlin »nicht berichtet«, er sei lediglich zur »Legendenbildung« dort gewesen. War er also »außer Dienst«?

Berlin war jahrelang Kennedys Hauptstützpunkt in Deutschland. Dort inszenierte er zahlreiche Freundschaften und nahm auch an Treffen teil. Er hat zugegeben, Beweismittel von dort mitgebracht zu haben. Fazit: Natürlich war Kennedy in Berlin dienstlich unterwegs! In Hamburg übrigens auch.

In Berlin hat Kennedy Ende 2007 am Rande einer Demonstration zum Erhalt von Hausprojekten eine für die Barrikade umfunktionierte Mülltonne angezündet. Wie sieht die Rechtslage hierzu aus?

Verdeckte Ermittler dürfen hierzulande grundsätzlich keine »milieubedingten Straftaten« begehen. Um sich in der linken Szene zu tarnen, hat sich Kennedy aber z. B. als »Drogenkurier« ausgegeben und andere mit Heroin und Kokain versorgt. Das ist doch wohl strafbar, oder?
Wegen der erwähnten Brandstiftung wurde er zunächst festgenommen und umgehend wieder freigelassen. Das Verfahren wurde mit der Begründung »Bagatelldelikt« eingestellt – andere hingegen wandern wegen des gleichen Vorwurfs erst einmal in die Untersuchungshaft. Aufklärung könnte eine Strafanzeige gegen das Landeskriminalamt Berlin bringen, und zwar wegen Strafvereitelung.

Ist der Einsatz von Sexualität zur Informationsbeschaffung, wie es über Kennedy aus mehreren Ländern berichtet wird, in Deutschland straf- oder zivilrechtlich relevant?

Das Vortäuschen einer anderen Identität zur Anknüpfung sexueller Kontakte ist bei uns nicht strafbar. Ob allerdings Polizisten das dienstlich dürfen, ist fraglich – erst recht, wenn eine solche Beziehung über einen längeren Zeitraum bestanden hat. Nach deutschem Recht könnte die Privatheit der Sexualsphäre tangiert sein. Zivilrechtlich könnten Betroffene, die angesichts ihrer emotionalen Enttäuschung eine Traumatisierung nachweisen, nach Einschätzung von Anwälten Schadensersatz verlangen. In Großbritannien wird zur Zeit diskutiert, ob Kennedy als Staatsbediensteter seine »Fürsorgepflicht« –ein Begriff des britischen Rechts – verletzt hat.

Gesetzt den Fall, jemand wurde von Kennedy zu strafbaren Aktionen angestiftet und bekommt deswegen Ärger mit dem Staatsanwalt. Kann er sich rechtlich wehren?

Es ist aus Großbritannien, Irland und Island bekannt, daß Kennedy Aktivisten nicht nur angestiftet, sondern sie auch technisch eingewiesen hat. Nach seiner Enttarnung mußte deswegen in Großbritannien ein Verfahren gegen Klimaaktivisten sofort eingestellt werden. Die Bundesregierung hingegen verweist auf die Strafprozeßordnung, nach der ein Verdächtiger durchaus erfahren kann, woher die Beweise stammen. Dazu müßte dieser aber erst einmal wissen, daß gegen ihn ermittelt wurde. Und wenn das verdeckt geschah, wird ihm das sicher nicht mitgeteilt.

Kennedy wurde von der britischen »Associaton of Chief Police Officers« (ACPO) geführt. Die ist jedoch als Firma eingetragen und arbeitet im Auftrag von Scotland Yard. Dürfen in Deutschland überhaupt ausländische verdeckte Ermittler eingesetzt werden, die für Privatfirmen arbeiten?

Seit Ende der 90er Jahre widmet sich die ACPO vorrangig dem politischen »Extremismus«. Unklar ist, ob ihre Daten auch an andere Firmen weitergegeben wurden. Nachdem der Kennedy-Skandal jetzt hochgekocht ist, hat der britische Innenminister der ACPO erst einmal verboten, weiter verdeckte Ermittler einzusetzen. Kennedy hat aber nicht nur für diese Sicherheitsfirma gearbeitet: Er stand auch bei der Global Open Ltd. unter Vertrag und gründete sogar sein eigenes Unternehmen: die Tokra Ltd. Es ist nicht ausgeschlossen, daß er die Informationen, die er als Polizist bekommen hat, zusätzlich über diese Privatfirmen zu Geld gemacht hat.

Info:
http://euro-police.noblogs.org/2011/01/entgrenzte-spitzel

http://dokumente.linksfraktion.de/drucksachen/20171_1704333.pdf

Interview: Peter Wolter
Matthias Monroy ist Journalist und Mitarbeiter der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke

Source: http://www.jungewelt.de/2011/02-02/049.php

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