Große Abschlussübung der Polizei in Schwerin / Einsatzkräfte aus allen Revieren rekrutiert
Schwerin (Thomas Volgmann) • "Steinschlag", brüllt der
Gruppenführer. Die Polizisten knien ab. Keiner will den anfliegenden
Steinen der "Störer" ein leichtes Ziel bieten. "Weiter", heißt das
nächste Kommando. Die Kette aus grünen Kampfanzügen und weißen Helmen,
knapp hundert Meter breit, bewegt sich unaufhaltsam vorwärts. Die
Flanken sichern Hundeführer, die ihre nervös bellenden Tiere kaum
halten können.
Die wildgewordenen Barbaren räumen den Platz
Zwei Wasserwerfer schieben sich in der Mitte der Phalanx wie
Kriegselefanten im Schritttempo voran. Jeder kann mit 9000 Litern
Wasser alles wegspülen, was sich ihm in den Weg stellt.
Die Truppen gegenüber sind mit Kaputzenshirt und Jogginghose
bekleidet – so wie man sich bei der Polizei einen so genannten Störer
eben vorstellt. Unaufhaltsam bewegt sich die exakt ausgerichtete
Polizeimasse auf den Gegner zu.
Es kommt zum Handgemenge, bei dem es nur grüne Sieger gibt.
Die wildgewordenen Barbaren mit ihren pludrigen Jogginghosen räumen den
Platz.
Was wie eine Schlacht im Bürgerkrieg aussieht, ist in
Wirklichkeit die Abschlussübung der Schweriner Polizei vor ihrem
Einsatz beim G8-Gipfel im Juni in Heiligendamm.
"Das sind Bilder, wie wir sie im Sommer nicht sehen wollen", meint
Hermann Borgward, der die Hundertschaft führt. Aber auch für diese
Konfliktsituationen müsse man gewappnet sein.
Die Nachfrage nach Polizisten ist enormDas Problem: Die auf dem
ehemaligen Armee-Exerzierplatz bei Schwerin trainierende Hundertschaft
mit ihren 120 Beamten ist kein eingeübtes Rollkommando. Die Truppe
wurde zusammengewürfelt aus allen zwölf Polizeirevieren des Schweriner
Direktionsbereichs – von Grevesmühlen bis Boizenburg.
"Normalerweise sitzen die Kollegen am Schreibstisch und nehmen
Anzeigen auf oder gehen Streife", erklärt Gilbert Küchler,
Ausbildungsleiter. Doch die Nachfrage nach Hundertschaften für den
G8-Gipfel ist enorm. Etwa 17000 Beamte sollen insgesamt zum Einsatz
kommen, wenn sich zwischen dem 6. und 8. Juni in Heiligendamm die acht
wichtigsten Staatschefs der Welt treffen. Mehr als 1000 Polizisten
kommen aus dem eigenen Land. Doch nur drei Hundertschaften
Bereitschaftspolizei hat Mecklenburg-Vorpommern unter Waffen. Die Masse
der Einsatzkräfte zum Gipfel wird darum aus den Polizeirevieren
rekrutiert und geschult.
"Sogar die über 40-Jährigen sind bei uns dabei", ergänzt Borgward,
der sonst das Revier in Grevesmühlen leitet. Das klingt, als gehe es um
das letzte Aufgebot. Tatsächlich sind die Personalreserven bei der
Polizei so dünn, dass viele der in den Revieren verbliebenen Beamten
Doppelschichten leisten müssen, um die zweitägige Übung ihrer 120
ausgerückten Kollegen zu ermöglichen, berichtet Borgward. Manche
Revierleiter denken längst mit Grausen an die Personalnöte in der
heißen Phase des Gipfels.
Viele von denen, die auf dem Exerzierplatz den Ernstfall
trainieren, tragen in ihrem Berufsalltag selten die 20 Kilogramm
schwere Schutzausrüstung eines Bereitschaftspolizisten. Einige
schnappen nach der Übung nach Luft. Die Weste ist schuss-und
stichsicher, die Jacke hat eine brandhemmende Oberschicht. "Die
Ausrüstung unserer Hundertschaft ist fast komplett, nur in einigen
Dingen müssen wir bis zum Gipfel noch nachlegen", sagt
Ausbildungsleiter Gilbert Küchler, vom Ludwigsluster Polizeirevier.
Gemeint ist vor allem Funktechnik.
Ziel ist die Geschlossenheit der Truppe
Mit der Taktik der zusammengewürfelten Truppe ist der Übungsleiter
dagegen zufrieden: "Streifenpolizisten sind es gewohnt in kleinen Teams
zu arbeiten, darum war es wichtig, in einer Hundertschaft zu
trainieren." Ziel sei die Geschlossenheit während des Einsatzes. "Jeder
muss wissen, was sein Nebenmann macht, einheitliches Handeln ist
Voraussetzung für den Erfolg", weiß der Ausbilder. Bereits im
vergangenen Jahr wurde die Hundertschaft aufgestellt. Seitdem wird in
Abständen von Monaten immer wieder das Räumen von Plätzen, die
Begleitung von Demonstrationszügen und das Betreiben von
Kontrollstellen geübt.
Aus Sicht der Hundertschaft könne der Gipfel beginnen. "Wir sind soweit", sagt Küchler am Ende der Abschlussübung.
Quelle: http://www.svz.de/newsmv/MVVermischtes/15.03.07/23-16373745/23-16373745.html