Eine Erfolgsbilanz europäischer Innenpolitik
Deutsche EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007
Vorwort von Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
Liebe Leserinnen und Leser,
ich möchte Ihnen die Bilanz zur Umsetzung des Arbeitsprogramms des Bundesinnenministeriums für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 vorstellen.
Der Ausbau des Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts
war ein Schwerpunkt im Arbeitsprogramm der Bundesregierung. Das
Leitmotiv des Bundesinnenministeriums für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft lautete: Europa sicher leben.
Es ist zwar richtig, dass wir noch nie in der Geschichte Europas
so frei und sicher leben konnten wie zu Beginn des 21. Jahrhunderts,
nichts aber wäre so verkehrt, wie den erreichten Wohlstand, Frieden und
die Stabilität als gesichert und für immer gegeben zu betrachten:
Terrorismus, Organisierte Kriminalität und illegale Migration bedrohen
unsere Sicherheit. Und in einer globalen und vernetzten Welt können
entfernte Konflikte direkte Auswirkungen auf uns haben. Umfragen
zeigen, dass die Menschen gerade im Bereich von Freiheit und innerer
Sicherheit eine gemeinsame und entschiedene Antwort von Europa erwarten.
Wir haben mit unserem Leitmotiv deshalb ganz bewusst die
Interessen der Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt der
europäischen Innenpolitik gestellt. Denn die Menschen müssen spüren,
dass das gemeinsame Handeln der EU
ihrer Sicherheit, ihren Freiheiten dient, dass Europa einen erlebbaren
Mehrwert für sie hat. Dies setzt Kontinuität und Kohärenz der Politik
voraus. Es war mir für unsere Präsidentschaft deshalb auch sehr
wichtig, dass wir vorhandene Instrumente effektiv nutzen und sie
erweitern, statt immer neue Initiativen zu entwickeln. Es gilt, die
praktische Zusammenarbeit zu intensivieren und zu konsolidieren. Ich
glaube sagen zu können, dass uns dies gelungen ist. Und wir konnten
damit – gemäß unserem Leitmotiv – einen Beitrag dazu leisten, Europa
heute und für die Zukunft sicherer (er)lebbar zu machen. Die
Darstellung der konkreten Vorteile, die unsere Präsidentschaft den
Bürgerinnen und Bürgern in Europa bringen wird, steht deshalb auch im
Mittelpunkt dieser Broschüre.
Eine starke Kontinuität wird auch dadurch erreicht, dass erstmals
in der Geschichte der Europäischen Union unsere Präsidentschaft Teil
einer engen Zusammenarbeit drei aufeinanderfolgender Ratsvorsitze ist.
So ist unser Arbeitsprogramm mit den folgenden Präsidentschaften von
Portugal und Slowenien im Rahmen eines gemeinsamen 18-Monatsprogramms
abgestimmt. Portugal und Slowenien werden damit den von uns
eingeschlagenen Weg fortsetzen.
Eine EU-Ratspräsidentschaft
stellt für jeden Mitgliedstaat ein besonderes Privileg, aber auch eine
große Herausforderung dar. Mein Dank gilt abschließend deshalb den an
diesem Erfolg beteiligten Kolleginnen und Kollegen der Mitgliedstaaten,
der Europäischen Kommission, des Generalsekretariats des Rates sowie
dem Europäischen Parlament und ganz besonders allen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern des Bundesinnenministeriums als auch der
nachgeordneten Behörden. Sie alle haben zum guten Gelingen unserer
Präsidentschaft beigetragen.
Weitere Informationen über unsere EU-Ratspräsidentschaft
finden Sie auch auf den Internetseiten des Bundesministeriums des
Innern (www.bmi.bund.de und www.eu2007.bmi.bund.de).
Ich hoffe auf Ihr Interesse und wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Schäuble
Bundesminister des Innern, MdB
Internationalen Terrorismus und grenzüberschreitende Kriminalität bekämpfen
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts können wir in Europa weitgehend ohne Passkontrollen reisen und in fast allen EU-Mitgliedstaaten
leben und arbeiten. Dies ist, neben der Einführung des Euro und dem
gemeinsamen Binnenmarkt, die bedeutendste und für die Menschen in
Europa spürbarste Errungenschaft des europäischen Integrationsprojekts.
Gewonnene Freiheiten können aber auch missbraucht werden. Wir müssen
deshalb im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Europas darauf achten,
dass Terroristen, Schleuser und Kriminelle auch bei offenen Grenzen
keine Chance bekommen. Dabei haben wir in Europa eng
zusammenzuarbeiten. Unsere Polizeien und Sicherheitsbehörden müssen
ihre Erkenntnisse und Daten austauschen. Dazu brauchen wir einen
europäischen Informationsverbund, der sowohl die nationalen Datenbanken
miteinander verknüpft als auch den Sicherheitsbehörden der
Mitgliedstaaten und Europol Zugang zu den gemeinsamen Datenbanken wie
dem Schengener Informationssystem oder dem Visuminformationssystem
ermöglicht. Unsere vordringlichste Aufgabe ist es, Freiheit und
Sicherheit zu gewährleisten. Wir konnten in unserer EU-Ratspräsidentschaft zur Umsetzung dieser Ziele wichtige Fortschritte erreichen.
Europaweite Vernetzung polizeilicher Datenbanken zur wirksamen Verbrechensbekämpfung
Die Abschaffung der Binnengrenzkontrollen in Europa darf nicht
dazu führen, dass sich Straftäter in einen anderen Mitgliedstaat
begeben und damit ihrer Entdeckung entziehen können. Eines der
wichtigsten Ziele unserer Präsidentschaft war es deshalb, die
wesentlichen Bestimmungen des Vertrags von Prüm (Vertrag über die
Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur
Bekämpfung des Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und
der illegalen Migration, unterzeichnet am 27. Mai 2005 in der Stadt
Prüm/Eifel von Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg,
Niederlande, Österreich und Spanien) in den Rechtsrahmen der EU zu überführen.
Dies bedeutet konkret:
- Künftig werden alle 27 Mitgliedstaaten von dem erheblichen
Mehrwert des Vertrages profitieren. So gewähren sich zukünftig alle
Mitgliedstaaten gegenseitig einen automatisierten Zugriff auf ihre DNA–
und Fingerabdruckdateien sowie Fahrzeugregisterdaten. Damit kann ein
moderner polizeilicher Informationsverbund aufgebaut werden, der es
ermöglicht, europaweit wirksam gegen Verbrecher vorzugehen. - Bereits
aufgrund der ersten Datenabgleiche zwischen Österreich, Deutschland,
Spanien sowie Luxemburg sind nach wenigen Monaten bislang schon über
3.700 Treffer und damit neue Ermittlungsansätze erzielt worden. In
zahlreichen Totschlags- beziehungsweise Morddelikten konnten
erfolgreich Ermittlungen aufgenommen und Täter verhaftet werden. So hat
beispielsweise ein grenzüberschreitender DNA-Abgleich
zutage gebracht, dass zwei in Österreich festgenommene Täter einer
Einbrecherbande zugleich einen Doppelmord in Spanien verübt haben.
Ebenfalls konnte etwa ein durch den Datenabgleich identifizierter
mutmaßlicher Täter zweier Vergewaltigungen inzwischen verhaftet werden. - Weiterhin
ermöglicht der Vertrag einen schnellen Informationsaustausch zu
Terrorismusverdächtigen und reisenden Gewalttätern wie zum Beispiel
Hooligans. Damit können künftig gewaltsame Ausschreitungen, unter
anderem bei Fußballspielen, frühzeitig verhindert und Randalierer
schnell erkannt und festgenommen werden. - Ebenfalls wird durch Überführung des Vertrags von Prüm in den EU-Rechtsrahmen
die operative polizeiliche Zusammenarbeit in Europa wesentlich
intensiviert. So ermöglicht der Vertrag gemeinsame Einsatzformen. Damit
können gerade in Grenzgebieten gemeinsame Polizeistreifen, zum Beispiel
zwischen deutschen und französischen, österreichischen oder polnischen
Polizisten, stattfinden. - Gleichzeitig können sich die
Bereitschaftspolizeien der Mitgliedstaaten bei Bedarf gegenseitig
unterstützen. So können beispielsweise im Rahmen der
Fußball-Europameisterschaft in Österreich im nächsten Jahr Beamte aus
Deutschland ihren österreichischen Kollegen vor Ort helfen. Dabei
dürfen sie auch exekutive polizeiliche Befugnisse ausüben.
Polizeikräfte können damit zukünftig schnell und flexibel
grenzübergreifend eingesetzt werden. Dies führt nicht nur zu einem
effizienten Ressourceneinsatz, sondern trägt erheblich dazu bei, den
Bürgerinnen und Bürgern sicheres Reisen in Europa gerade auch im Rahmen
grenzüberschreitender Großereignisse zu ermöglichen. - Besonders hervorzuheben sind weiterhin die umfassenden Datenschutzregelungen des Vertrags, die ebenfalls mit in den EU-Rahmen überführt werden und die den hohen Ansprüchen eines modernen Datenschutzes entsprechen.
- Zusammenfassend
kann festgestellt werden, dass die polizeiliche Zusammenarbeit in
Europa mit der Überführung des Vertrages von Prüm in den EU-Rechtsrahmen eine ganz neue Qualität erhält.
Weiterer Ausbau von Europol
Wir können in Europa den Gefahren des Terrorismus, der weltweiten
Netzwerke Organisierter Kriminalität, wie zum Beispiel im Bereich des
Drogen- und Waffenhandels, aber auch grenzüberschreitenden schweren
Verbrechen oder Angriffen auf unsere Währung durch Fälschung von
Euronoten nur gemeinsam effektiv begegnen. Deshalb hatten wir uns den
Ausbau und die weitere Stärkung von Europol als Ziel unserer
Präsidentschaft gesetzt.
Der erste wichtige Schritt hierzu war das Inkrafttreten der Änderungsprotokolle zum Europolübereinkommen. Bundesinnenminister Dr.
Wolfgang Schäuble konnte am 20. April in Luxemburg anlässlich der
2. Sitzung des Rates der Justiz- und Innenminister unter deutscher
Ratspräsidentschaft feierlich dem Direktor von Europol die in allen
Mitgliedstaaten ratifizierten und im März und April dieses Jahres in
Kraft getretenen drei Änderungsprotokolle zum Europolübereinkommen
überreichen. Durch sie wird Europol an die Anforderungen moderner
Kriminalitätsbekämpfung angepasst und seine Effizienz maßgeblich
gesteigert. Mit ihnen wird eine neue operative Phase für Europol
eingeleitet:
- So ist nunmehr die Teilnahme von Europol-Beschäftigten an
gemeinsamen Ermittlungsgruppen der Mitgliedstaaten möglich. Damit wird
Europol die Mitgliedstaaten, zum Beispiel bei der Bekämpfung des
Terrorismus, der Drogenkriminalität oder der Eurofälschung, noch
effektiver als bisher unterstützen. Europol-Bedienstete können
Informationen aus laufenden Europol-Analysedateien unmittelbar in die
gemeinsamen Ermittlungsgruppen einbringen. Auch umgekehrt kann Europol
direkt aus den gemeinsamen Ermittlungsgruppen aktuelle Informationen
erhalten und verarbeiten. Außerdem wird für Europol die Möglichkeit
geschaffen, einzelne Mitgliedstaaten um die Aufnahme von Ermittlungen
zu ersuchen. - Weiterhin ist jetzt die Möglichkeit eröffnet,
neben den bisherigen nationalen Zentralstellen weiteren zuständigen
Behörden (unter anderem Staatsanwaltschaften, Zollbehörden,
Bundespolizei) der Mitgliedstaaten einen direkten Zugriff auf das
Europol-Informationssystem zu gewähren. Auf diese Weise wird der
Informationsaustausch mit Europol wesentlich schneller, polizeiliche
Fahndungsmaßnahmen können unmittelbar umgesetzt werden. - Schließlich
besteht nun die Möglichkeit, Experten aus Drittstaaten in einer
Analysegruppe der Mitgliedstaaten bei Europol direkt mitarbeiten zu
lassen. Dies ist zum Beispiel in der Zusammenarbeit mit den USA im
wichtigen Bereich der Terrorismusbekämpfung von größter Bedeutung. - Der
zweite wesentliche Schritt zur Stärkung von Europol war die Überführung
des bisher allein zwischen den Mitgliedstaaten geltenden
Europol-Übereinkommens in den Rechtsrahmen der EU. Damit werden weitere operative Verbesserungen erreicht und Verwaltungsaufwand reduziert: - So
wird der Mandatsbereich Europols auf alle Formen der
grenzüberschreitenden schweren Kriminalität ausgedehnt. Europol kann
zukünftig zum Beispiel auch Fälle grenzüberschreitender
Kinderpornographie, auf PKW-Diebstahl spezialisierter Banden oder Straftaten europaweit reisender Hooligans verfolgen. - Ab 2010 soll das Budget von Europol aus dem EG-Haushalt bestritten und seine Mitarbeiter in den Status von EG-Bediensteten überführt werden. Durch die Angleichung werden Sonderregelungen abgeschafft und der Verwaltungsaufwand reduziert.
Bekämpfung der terroristischen Nutzung des Internets
Terroristen missbrauchen die vielfältigen Möglichkeiten des
Internets für ihre Zwecke. Sie nutzen das Internet als
Kommunikationsmittel untereinander, zur Verbreitung ihrer Ideologie,
zur Anwerbung neuer Anhänger und zur Ausbildung bis hin zur Verbreitung
genauer Bombenbauanleitungen. Angesichts der Vielzahl entsprechender
Seiten müssen die Mitgliedstaaten ihre Informationen zusammenführen, um
ihre Erkenntnis zu steigern, Ressourcen zu bündeln und Doppelarbeit zu
vermeiden. Hier konnten wir Folgendes erreichen:
- Die von Deutschland entwickelte Initiative „check the web“ zur
Vertiefung der Kooperation bis hin zur Arbeitsteilung der
Mitgliedstaaten bei der Beobachtung und Auswertung des Internets zur
Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist erfolgreich gestartet. - Am
8. Mai 2007 wurde ein Informationsportal bei Europol freigegeben, über
das alle Mitgliedstaaten Informationen austauschen können. Dieses
Portal bringt die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten entscheidend
voran: Es bietet die Plattform dafür, dass die Mitgliedstaaten ihre
Erkenntnisse gegenseitig verfügbar machen und so den Kenntnisstand der EU zusammenführen. Auf dieser Grundlage wird die arbeitsteilige Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten ausgebaut. - Weiterhin
konnten bereits erste Expertentreffen durchgeführt werden. Sie dienen
dem Erfahrungsaustausch zur Analyse entsprechender Internetauftritte
und zu technischen Fragen der Internetbeobachtung sowie zur gezielten
Abstimmung konkreter Projekte der Zusammenarbeit.
Einrichtung eines Informationsaustauschs zu terroristischen Entführungen
Entführungen durch Gruppierungen/Einzelpersonen, die dem Spektrum
des internationalen Terrorismus zuzuordnen sind, stellen die
Mitgliedstaaten vor große Herausforderungen. Terroristen haben bereits
in einer Vielzahl von Fällen EU-Bürger
entführt und auf diesem Weg versucht, politischen Forderungen Nachdruck
zu verleihen, ihre Gefährlichkeit zu demonstrieren oder finanzielle
Gegenleistungen für eine Freilassung zu erlangen. Verschiedene
Mitgliedstaaten haben bereits Erfahrung mit der Bewältigung solcher
Entführungen. Um für mögliche zukünftige Fälle diese wertvollen
Erfahrungen nutzen zu können, hat die deutsche Präsidentschaft einen
Informationsaustausch auf EU-Ebene zu terroristischen Entführungen auf den Weg gebracht:
- Die Mitgliedstaaten werden sich künftig gegenseitig
Kerninformationen beendeter Entführungsfälle übermitteln. Dies wird es
ermöglichen, im Fall einer neuen Entführung schnell festzustellen, ob
in einem anderen Mitgliedstaat bereits Erfahrungen mit der Entführung
von EU-Bürgern in der jeweiligen Gegend durch die terroristische Gruppierung oder unter sonst vergleichbaren Umständen vorliegen. - Durch
die bestehenden Erfahrungen der Partnerländer werden die
Handlungsmöglichkeiten des jeweils betroffenen Mitgliedstaats erheblich
verstärkt.
Neue Mitgliedstaaten an das Schengener Informationssystem anschließen
Ein weiteres Ziel unserer Präsidentschaft war, den Anschluss der
neuen Mitgliedstaaten an das gemeinsame polizeiliche Schengener
Fahndungssystem voranzutreiben. Wir konnten hierzu wichtige Akzente
setzen:
- Der Anschluss der am 1. Mai 2004 der EU
beigetretenen neuen Mitgliedstaaten an das gemeinsame europäische
Fahndungssystem liegt im Zeitplan. Damit werden ab nächstem Jahr zum
Beispiel in Deutschland gestohlene Fahrzeuge in fast allen europäischen
Mitgliedstaaten zur Fahndung ausgeschrieben. Kfz-Schieberbanden werden
es damit zukünftig in Europa schwerer haben, Geschäfte zu machen. - Im
gemeinsamen Fahndungssystem sind darüber hinaus alle Personen
gespeichert, die nicht nach Europa einreisen dürfen. Damit wird
gefährlichen Straftätern oder terrorismusverdächtigen Personen bereits
weit vor den Grenzen Deutschlands der Zutritt nach Europa verwehrt. - Auch
vermisste oder hilflose Personen können in dem gemeinsamen
Fahndungssystem dann europaweit ausgeschrieben werden. Dies ist ein
wesentliches Hilfsmittel für unsere deutschen Polizeien bei der
Aufklärung von Entführungen. - Mit dem Anschluss der neuen
Mitgliedstaaten an das gemeinsame Fahndungssystem sowie dem damit
einhergehenden Aufbau leistungsfähiger Polizei- und Grenzschutzsysteme
in den neuen Mitgliedstaaten sind die Voraussetzungen geschaffen, ab
2008 die Grenzkontrollen zwischen und zu diesen Staaten aufzuheben.
Damit können wir künftig ohne aufwendige Grenzkontrollen in fast alle
Staaten der EU
reisen. Unsere Grenzen werden ab 2008 weit vorverlagert und direkt an
den Außengrenzen der Europäischen Union nach höchstem
Sicherheitsstandard geschützt und kontrolliert. - Das Schengener
Informationssystem soll aber noch weiter verbessert werden. So werden
ab 2008 nicht nur die neuen Mitgliedstaaten angeschlossen, sondern auch
seine Funktionen erheblich erweitert. Dann können ab Ende 2008 im
Rahmen der zweiten Generation des Schengener Fahndungssystems auch
Fingerabdrücke und Lichtbilder von Straftätern direkt von allen
Polizeien in Europa abgefragt und untereinander ausgetauscht werden.
Einrichtung eines Warn- und Meldeverbundes zur Ausweisung Terrorismusverdächtiger
Wenn terrorismusverdächtige Personen aus einem Mitgliedstaat
ausgewiesen werden, ist es wichtig, dass alle anderen Mitgliedstaaten
hiervon sofort in Kenntnis gesetzt werden:
- Wir konnten in unserer Präsidentschaft erreichen, dass die
Mitgliedstaaten einen Informationsmechanismus einrichten, indem sie
sich gegenseitig unverzüglich über Drittstaatsangehörige unterrichten,
die durch einen Mitgliedstaat im Zusammenhang mit terroristischen
Aktivitäten sowie Aufrufen zu Diskriminierung, Hass oder Gewalt
ausgewiesen wurden. - Dies ist besonders in den Fällen relevant,
in denen ein Mitgliedstaat eine Person ausweist, diese aber – etwa
wegen laufender Gerichtsverfahren – noch nicht sofort in ihren
Herkunftsstaat abschieben kann. Der vereinbarte Informationsaustausch
stellt nunmehr sicher, dass jeder Mitgliedstaat, der eine solche
Information erhält, rechtzeitig eventuell notwendige eigene
Sicherheitsvorkehrungen treffen kann. - Zusätzlich zum
eingerichteten Warnsystem besteht aufgrund des gemeinsamen Schengener
Informationssystems die Möglichkeit, Drittstaatsangehörige auch zur
Einreiseverweigerung europaweit auszuschreiben. Der neue
Warnmechanismus ergänzt diese Möglichkeit gerade für Fälle, in denen
eine solche Ausschreibung noch nicht möglich ist.
Datenschutz in Europa stärken
Ohne Sicherheit keine Freiheit. Dies trifft auch auf die Sicherheit unserer Daten vor Missbrauch zu:
- So wie wir die Zusammenarbeit der europäischen Polizeibehörden,
die Vernetzung ihrer Datenbanken im Kampf gegen Terroristen und
Verbrechen in unserer Präsidentschaft vorangebracht haben, haben wir
gleichzeitig dafür gesorgt, dass die hierbei erhobenen und
gespeicherten Daten aktuellen Anforderungen an den Datenschutz gerecht
werden und das Persönlichkeitsrecht der Bürgerinnen und Bürger Europas
geschützt wird. - So haben wir bei der Verknüpfung oder
Einrichtung von Datenbanken nicht nur jeweils bereichsspezifische
Datenschutzregelungen aufgenommen, sondern konnten auch ganz erheblich
den Rahmenbeschluss zum Datenschutz im Bereich der gesamten
polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Europa voranbringen.
Er kann damit noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Er enthält
wichtige Grundsätze und Regelungen, die beim grenzüberschreitenden
polizeilichen und justiziellen Datenaustausch zwischen den
Mitgliedstaaten einzuhalten sind. Damit ist beim Austausch von
personenbezogenen Daten zwischen den Mitgliedstaaten sowie mit den
europäischen Sicherheitsbehörden Europol und Eurojust zukünftig ein
einheitlich hohes Datenschutzniveau sichergestellt.
Katastrophenschutz fortentwickeln
Als Sicherheitsgemeinschaft muss die EU
in Katastrophenfällen inner- wie außerhalb Europas in der Lage sein,
Betroffenen schnell und unbürokratisch zu helfen. Damit dies zukünftig
besser gewährleistet werden kann, haben wir in unserer
Ratspräsidentschaft:
- einen Beitrag zur Fortentwicklung der Analyse und Koordinierungsfähigkeit des Beobachtungs- und Informationszentrums der EU
in Brüssel geleistet. Dies ist wichtig, denn so können die
Mitgliedstaaten ihre Hilfsleistungen besser abstimmen. Unterstützung
kann schnell und zielsicher dahin geleitet werden, wo sie benötigt
wird. Dies ist gerade bei großen Naturkatastrophen, wie zum Beispiel
dem Tsunami Ende 2004 im Indischen Ozean, von großer Bedeutung. Aber
auch in Europa selbst sind wir durch Überschwemmungen oder große
Waldbrände betroffen und werden von der verbesserten Funktion des
gemeinsamen Beobachtungs- und Informationszentrums profitieren. - Um
immer schnell Hilfe zu gewährleisten, ist weiterhin Voraussetzung, dass
die Mitgliedstaaten mögliche Hilfsangebote in „Modulen“ zusammenfassen.
Dies konnten wir wesentlich vorantreiben. So gibt es zukünftig in den
Mitgliedstaaten spezielle Hilfsmodule, zum Beispiel für die Bekämpfung
von Waldbränden (spezialisierte Teams, die unter anderem über
Hubschrauber und Flugzeuge mit speziellen Fähigkeiten zum
Wassertransport verfügen), Überschwemmungen (Einheiten zum Bau von
Dämmen oder zum Abpumpen von überschwemmten Kellern) oder zur
Unterstützung nach Naturkatastrophen wie Erd- oder Seebeben
(Bergungsteams, Trinkwasserversorgungsteams einschließlich Fahrzeugen
und Vorrichtungen zur Wasserreinigung etc.). - Damit Mitgliedstaaten, die bei Katastrophenfällen in Drittstaaten auch im Namen der EU
Hilfe leisten, durch die Gemeinschaft hierbei auch finanziell
unterstützt werden können, haben wir eine finanzielle Grundlage dafür
geschaffen, dass bis zu 50 Prozent der Transportkosten für
Hilfseinsätze, also zum Beispiel für den Transport von
Notstromaggregaten oder Bergungsteams und ihrer Ausrüstung, aus dem EG-Haushalt bezuschusst werden. - Und
schließlich konnten wir durch gemeinsame Übungen das gute Zusammenspiel
und den Erfahrungsaustausch zwischen Mitgliedstaaten bei der
Bewältigung von chemischen Unfällen befördern. Solche Gefahrenlagen
stellen wegen des Dekontaminationsaspekts ganz besondere Anforderungen
an Einsatzkräfte und entwickeln sich leicht zu Großschadenslagen mit
grenzüberschreitenden Folgen.
Illegale Migration bekämpfen, legale Migration gemeinsam steuern
Gesamtansatz Migration – Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitstaaten illegaler Migration ausbauen
Nur wenn Herkunfts- und Transitstaaten ihrerseits gegen illegale
Migration wirksam vorgehen und in Rückführungsfragen mit uns effektiv
kooperieren, haben wir eine wirkliche Chance, illegale Migration
zurückzudrängen. Hierbei sind aber auch ein Entgegenkommen und
Unterstützung der EU
gefordert. Wenn wir temporär Menschen aus Drittstaaten bei uns
ausbilden und fördern, bei der Eingliederung der Rückkehrer helfen und
diesen Staaten vor Ort beim Aufbau eigener Grenzschutz- und
Migrationssysteme zur Seite stehen, kann eine erfolgreiche
Zusammenarbeit zwischen der EU und den Transit- und Herkunftsstaaten etabliert werden. Wir konnten in unserer Präsidentschaft hierzu einen Beitrag leisten:
- So sind auf unsere Initiative wichtige Schritte für eine
Neuorientierung der europäischen Migrationspolitik erfolgt. Es wird
angestrebt, dass die EU
mit ausgewählten Drittstaaten Partnerschaften über Migration und
Entwicklung schließt. Dabei sollen der Aufbau effektiver
Verwaltungsstrukturen in Drittstaaten, Rückübernahmeabkommen,
Möglichkeiten temporärer zirkulärer Migration und gegenseitiger
Visaerleichterungen sowie geringere Überweisungsgebühren für Migranten
zur Unterstützung ihrer Heimatländer eine wichtige Rolle spielen. - Darüber hinaus wird sich die Zusammenarbeit der EU
in Fragen der Migration und Sicherheitskooperation zukünftig nicht nur
auf Afrika und die Mittelmeerregion, sondern insbesondere auch auf die
östlichen und südöstlichen Nachbarregionen der Europäischen Union
konzentrieren. Denn illegale Migration nach Europa, insbesondere
Deutschland, findet in erheblichem Maß über östliche und südöstliche
Schleusungsrouten statt. - Im Laufe unserer Präsidentschaft
erfolgten bereits zur Vertiefung des Dialogs mit Herkunfts- und
Transitstaaten im Mai und Juni dieses Jahres erste EU-Missionen
zu Sondierungsgesprächen über eine verbesserte Zusammenarbeit in
Migrationsfragen nach Kap Verde, Ghana und Mauretanien.
Schutz der EU-Außengrenzen im Kampf gegen illegale Migration verstärken
Der freie Personen und Reiseverkehr in bald der gesamten
Europäischen Union, einschließlich der schengenassoziierten Partner
(Norwegen, Island und demnächst der Schweiz) ist eine der wesentlichen
Errungenschaften des europäischen Einigungsprozesses. Um aber zu
verhindern, dass Terroristen, Schleuserbanden und Kriminelle diese
Freiheit ausnutzen, müssen wir gewährleisten, dass an den gemeinsamen
Außengrenzen umso effektiver und nachhaltiger Kontrollen durchgeführt
werden. Die weitere Stärkung der europäischen Grenzschutzagentur
FRONTEX, deren Aufgabe die Unterstützung und Koordinierung gemeinsamer
Maßnahmen der Mitgliedstaaten an den Außengrenzen ist, war deshalb
strategisches Ziel unserer Präsidentschaft:
- Dabei ist es uns gelungen, mit der Verabschiedung der
Verordnung zur Einrichtung eines Mechanismus zum Aufbau von
Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke die Arbeitsmöglichkeiten
der Agentur wesentlich zu verbessern. So können zukünftig durch FRONTEX
kurzfristig jedem Mitgliedstaat, der einer besonderen Belastung durch
erhöhte Versuche illegaler Migration ausgesetzt ist, grenzpolizeiliche
Expertenteams zur Unterstützung zur Verfügung gestellt werden. - Bei
FRONTEX wird zu diesem Zweck ein entsprechender Ad-hoc-Einsatzpool von
bis zu 600 Grenzpolizisten der Mitgliedstaaten eingerichtet. Weiter
sieht die Verordnung vor, dass bei gemeinsamen Einsätzen unter der
Ägide von FRONTEX alle vor Ort eingesetzten Kräfte, also in Italien zum
Beispiel auch Beamte der Bundespolizei, Eingreifbefugnisse haben und
somit die Grenzpolizisten des jeweiligen Einsatzstaates effektiv
unterstützen können. - Außerdem konnte bei FRONTEX ein Pool von
Flugzeugen, Hubschraubern, Schiffen und Überwachungsgeräten
eingerichtet werden, die die Mitgliedstaaten sich auf freiwilliger
Basis temporär zur Verfügung stellen. Der Agentur wurden inzwischen
über 20 Flugzeuge, fast 30 Hubschrauber und weit mehr als 100 Schiffe
neben umfassender weiterer technischer Ausrüstung gemeldet. Damit
werden insgesamt in Europa nicht nur Ressourcen gespart; es ist auch
sichergestellt, dass an allen Brennpunkten illegaler Migration
jederzeit ausreichend technische Grenzschutzmittel im gemeinsamen Kampf
gegen illegale Migration zur Verfügung stehen. - Bereits im Mai
war es weiterhin möglich, im Mittelmeer ein gemeinsames Patrouillennetz
der Grenzpolizeibehörden unter Koordinierung von FRONTEX einzurichten.
Seitdem stimmen die betroffenen Mitgliedstaaten ihre grenzpolizeilichen
Überwachungsfahrten ab und können damit wesentlich effektiver den
Schutz der Seeaußengrenzen der Europäischen Union im Mittelmeer
sicherstellen. Dies wird zukünftig helfen zu verhindern, dass Menschen
ihr Leben auf den gefährlichen Überfahrten von Afrika nach Europa aufs
Spiel setzen.
Wir konnten damit in unserer Präsidentschaft einen erheblichen
Beitrag zur Stärkung des Schutzes unserer gemeinsamen Außengrenzen und
im Kampf gegen illegale Migration und die Machenschaften von
Schleuserbanden leisten. Nur gut geschützte Außengrenzen garantieren
Freiheit und Sicherheit im Inneren und ermöglichen, weiterhin in Europa
ohne zeitaufwendige Grenzkontrollen zu reisen.
Visummissbrauch verhindern
Das auf einem deutschen Vorschlag beruhende EU-Visuminformationssystem
(VIS) ist ein wichtiges Beispiel dafür, wie man mit intelligenten und
flexiblen Lösungen einen entscheidenden Vorsprung sowohl vor denen
erreicht, die unsere Sicherheit bedrohen, als auch vor denen, die durch
den Missbrauch von Einreisemöglichkeiten die Regelungen der
europäischen Visumpolitik unterlaufen. Bei dem VIS handelt es sich um
die Einrichtung einer gemeinsamen europäischen Datenbank, mit der die
Speicherung und der Abruf der persönlichen Daten des
Visumantragstellers einschließlich biometrischer Merkmale sowie
erteilter, abgelehnter und widerrufener Visa durch die zuständigen
Behörden (insbesondere Visum-, Grenz- und Einwanderungsbehörden)
ermöglicht wird:
- Es ist uns gelungen, die seit Anfang 2005 andauernden
Beratungen zur VIS-Verordnung zu einem erfolgreichen Abschluss zu
bringen und mit der erfolgten politischen Einigung zwischen Rat und
Europäischem Parlament über den Rechtsakt die notwendige Grundlage für
den weiteren Aufbau und die Inbetriebnahme des VIS zu legen. - Bei
jeder Visumantragsstellung können die Auslandsvertretungen der
Mitgliedstaaten zukünftig überprüfen, ob der Drittstaatsangehörige
bereits bei weiteren Auslandsvertretungen Anträge gestellt hat und ob
diese abgelehnt wurden (Verhinderung des sogenannten Visa-Shoppings). - Zur
Verweigerung der Einreise nach Europa ausgeschriebene Personen sind
mittels biometrischer Daten eindeutig identifizierbar.
Identitätstäuschungen bei Visumantragstellung können bei vorheriger
Erfassung im VIS aufgedeckt werden. Ein Visum wird dann nicht erteilt. - Die
Überprüfungen bei der Einreise an den Außengrenzen und im Inland werden
erleichtert, da zukünftig mittels der Fingerabdrücke festgestellt
werden kann, ob für den betreffenden Drittstaatsangehörigen tatsächlich
das Visum erteilt wurde. Illegale Einreisen können so verhindert werden. - Das VIS wird auch dazu beitragen, die Identifizierung von ausreisepflichtigen Personen zu ermöglichen.
- Zudem kann die Zuständigkeit eines Mitgliedstaates für die Durchführung von Asylverfahren leichter festgestellt werden.
- Außerdem
können die europäischen Polizei und Sicherheitsbehörden, einschließlich
Europol, zu Zwecken der Prävention, Aufdeckung und Untersuchung
terroristischer und sonstiger schwerwiegender Straftaten auf die Daten
des VIS zugreifen. Durch die neu geschaffenen Recherchemöglichkeiten
der Sicherheitsbehörden wird der Schutz vor allem vor den Bedrohungen
durch den internationalen Terrorismus und die Organisierte Kriminalität
zukünftig entscheidend vorangebracht. Hiermit konnten wir, neben der
Überführung des Vertrags von Prüm in den EU-Rechtsrahmen, einen weiteren wichtigen Grundstein zur Verwirklichung eines europäischen Informationsverbundes legen.
Rückführungen verbessern
Die effektive Rückführung von ausreisepflichtigen Drittausländern
ist ein wesentliches Element bei der Bekämpfung illegaler Migration und
macht deutlich, dass illegale Migration in der EU nicht hingenommen wird. Dazu muss die EU mit den Herkunfts- und Transitländern eng zusammenarbeiten.
- Während der deutschen Ratspräsidentschaft wurden die Beratungen
zum Vorschlag der Kommission für eine sogenannte Rückführungsrichtlinie
vorangetrieben. Mit dem Vorschlag soll erreicht werden, dass die
Mitgliedstaaten bei der Rückführung von Drittstaatsangehörigen
möglichst nach gemeinsamen Standards verfahren. - Die
Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitstaaten wurde durch den
Abschluss von Verhandlungen über Rückübernahmeabkommen der Gemeinschaft
mit Drittstaaten weiter intensiviert. Während der deutschen
Ratspräsidentschaft wurden Verhandlungen mit Serbien, Montenegro, der
früheren jugoslawischen Republik Mazedonien, Bosnien-Herzegowina,
Moldau und der Ukraine abgeschlossen. Das Abkommen mit Russland ist zum
1. Juni 2007 in Kraft getreten. - Die durchgeführte Evaluierung
der Verläufe und Ergebnisse der seit dem Jahr 2000 geführten
Verhandlungen der Gemeinschaft mit Drittstaaten über
Rückübernahmeabkommen wird in zukünftige Vertragsverhandlungen
einfließen. - Außerdem wurde vereinbart, die Zusammenarbeit
zwischen den Mitgliedstaaten, der Kommission und FRONTEX auf dem Gebiet
der Rückführung weiter zu verbessern. - Während der deutschen
Ratspräsidentschaft fanden im Februar und im April 2007 zwei
Sammelrückführungen nach Kamerun, Ghana und Togo im Rahmen eines EU-Projektes
statt. An diesen Maßnahmen beteiligten sich neben Deutschland auch
Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Polen, Spanien, die
Schweiz und die Tschechische Republik.
Legale Zuwanderung steuern
Um legale Zuwanderung wirksam steuern zu können, ist die
Europäische Union gefordert, unter Berücksichtigung nationaler
Gegebenheiten gemeinsame Kriterien zu erarbeiten. Die deutsche
Präsidentschaft hat hierbei einige Fortschritte erreicht:
- Zur Frage der Ableitung von Aufenthaltsrechten von Drittstaatsangehörigen aus Kooperations- und Assoziationsabkommen der EU
mit Drittstaaten wurden auf Initiative Deutschlands Leitlinien für die
zukünftige Vorgehensweise entwickelt. Durch ihre Anwendung soll bei der
Mandatserteilung an die Kommission sowie den Verhandlungen und dem
Abschluss zukünftiger Abkommen Klarheit über die durch diese
verliehenen Rechte mit einreise- oder aufenthaltsrechtlicher Relevanz
geschaffen werden. - Im März 2007 hat der gegenseitige
Informationsmechanismus zu Maßnahmen der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet
von Asyl und Einwanderung seinen Wirkbetrieb aufgenommen. Dieser
Mechanismus war aufgrund eines Beschlusses des Rates vom 5. Oktober
2006 eingerichtet worden. Ziel ist, dass sich die Mitgliedstaaten
möglichst frühzeitig über wichtige nationale Maßnahmen im asyl- und
einwanderungspolitischen Bereich informieren, die über den jeweiligen
Mitgliedstaat hinaus Wirkung entfalten. - Für die Entwicklung wirksamer politischer Maßnahmen der EU-Institutionen
sowie der Mitgliedstaaten in den Bereichen internationale Wanderung,
internationaler Schutz sowie zur Bekämpfung der illegalen Einreise und
des illegalen Aufenthalts sind verlässliche und vergleichbare Daten
über das Ausmaß und die Art von Wanderungsbewegungen in den
Mitgliedstaaten unerlässlich. Hierzu wurde unter deutscher
Ratspräsidentschaft die Verordnung zu Gemeinschaftsstatistiken über
Wanderung und internationalen Schutz verabschiedet. Mit dieser
Verordnung wird künftig ein rechtlicher Rahmen auf Gemeinschaftsebene
existieren, der es ermöglicht, die erforderlichen Daten zu erheben.
Integration und interkulturellen Dialog fördern
Migration und Integration sind zu alltäglichen Erfahrungen in
unserer globalisierten Welt geworden. Das Phänomen großer anhaltender
Wanderungsbewegungen und die damit einhergehenden Fragen werden uns
dauerhaft begleiten. Wenn Migration nicht zum Problem für die innere
Toleranz und die Stabilität unserer Freiheitsordnungen werden soll,
muss die Integration der Zuwanderer gelingen. Die Mitgliedstaaten der
Europäischen Union stehen hier ganz überwiegend vor denselben
Problemen. Es war daher auch ein wesentliches Ziel unserer
Ratspräsidentschaft, den Erfahrungs- und Informationsaustausch zu
Fragen der Integration und des interkulturellen Dialogs auf
europäischer Ebene voranzubringen:
- Denn auf der einen Seite sind aufnahmebereite Gesellschaften
notwendig, die Zuwanderer darin unterstützen, ihre Fähigkeiten zu
erkennen und sie zum Nutzen aller weiterzuentwickeln. Auf der anderen
Seite müssen Migranten, die längerfristig oder für immer bleiben
wollen, eigene Anstrengungen unternehmen, sich zu integrieren. Vor
allem müssen sie die Sprache der Aufnahmegesellschaft erlernen sowie
deren Grundwerte anerkennen. - Viele Mitgliedstaaten sind durch
Radikalisierungstendenzen bedroht. Der interkulturelle Dialog kann bei
der Förderung des sozialen Zusammenhalts eine wichtige Rolle spielen
und die religions- und gesellschaftspolitische Integration insbesondere
von Zuwanderern verschiedener Herkunft, Kultur und Religion fördern.
Zugleich wirkt der interkulturelle Dialog Rassismus und Extremismus
entgegen und leistet einen bedeutenden Beitrag, Radikalisierung zu
verhindern. - Wir konnten in unserer Präsidentschaft erreichen,
dass die Nationalen Kontaktpunkte der Mitgliedstaaten für Fragen der
Integration ein umfassendes Mandat, das auch den Herausforderungen der
Integration der Zuwanderer der zweiten und dritten Generation gerecht
wird, erhalten haben. Damit wird zukünftig eine verbesserte,
kontinuierliche und nachhaltigere Zusammenarbeit auf EU-Ebene und zwischen den Mitgliedstaaten im Bereich der Integration erfolgen. - Im
Bereich des interkulturellen Dialogs wird auf Initiative des deutschen
Vorsitzes erstmals ein Erfahrungs- und Informationsaustausch auf
europäischer Ebene eingerichtet. Deutschland wird zu den beiden ersten
Treffen von Experten aus den interessierten Mitgliedstaaten der EU
einladen. Darauf aufbauend sollen Strukturen geschaffen werden, die die
kurzfristige und schnelle Abstimmung bei aktuellen Problemen
ermöglichen. - Auf Einladung von Minister Dr.
Schäuble fand am 20. Juni in Berlin ein Treffen der Präsidentschaft mit
Vertretern der großen Kirchen und Religionsgemeinschaften Europas statt.
Die äußere Dimension gestalten
Die Terroranschläge von New York, Madrid und London zeigen, dass
die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit zunehmend
unschärfer werden. Die Wurzeln unserer Bedrohungen liegen oft außerhalb
der Europäischen Union. Die EU
arbeitet deshalb mit vielen Drittstaaten auch im Bereich der Innen- und
Justizpolitik eng zusammen, um die Sicherheit ihrer Bürgerinnen und
Bürger zu gewährleisten:
- Dabei ist es uns gelungen, mit einer erstmals ausgetragenen Konferenz der EU,
USA und Russlands die beiden strategisch bedeutenden Partner der
Gemeinschaft in Fragen der inneren Sicherheit und Terrorismusbekämpfung
zusammenzuführen. Bei diesem Treffen haben wir über
Terrorismusbekämpfung, wichtige Grenzschutzthemen sowie Möglichkeiten
der Bekämpfung des Drogenschmuggels aus Afghanistan diskutiert. Wir
konnten erreichen, dass eine trilaterale Expertengruppe eingerichtet
wird, die die Zusammenarbeit der drei Partner bei der
Terrorismusbekämpfung noch weiter vertiefen wird. - Darüber hinaus haben wir zwischen der EU
und den USA in einem weiteren Treffen die Zusammenarbeit beim
Datenschutz und Fragen des freien Reiseverkehrs vorangebracht. Denn wir
wollen, dass zukünftig alle EU-Bürger
visumfrei in die USA einreisen können und seitens der USA im
Datenschutz die von uns geforderten Standards eingehalten werden. - Im Rahmen des EU-Russland-Treffens
konnten wir intensiv an der weiteren Ausgestaltung des gemeinsamen
Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts arbeiten. So wurde
unter anderem vereinbart, einen Dialog über Visumfragen zu beginnen,
der auch dazu dient, die Sicherheitsstandards Russlands in Bezug auf
den Datenschutz oder die Einführung biometrischer Merkmale denjenigen
der EU anzunähern. - Weiterhin fand eine Sitzung der EU
mit der Ukraine statt, einem der wichtigsten direkten Nachbarn der
Gemeinschaft. Wir haben gemeinsam mit der Ukraine die Fortschritte der
Zusammenarbeit im Bereich Grenzschutz, Migration und Asyl sowie der
Bekämpfung Organisierter Kriminalität bewertet. Darüber hinaus wurde
bei dem Treffen ein Arbeitsübereinkommen zwischen der europäischen
Grenzschutzagentur FRONTEX und dem ukrainischen Grenzschutz
unterzeichnet. - Wir haben zusammen mit der Europäischen
Kommission für die Gemeinschaft mit der Ukraine Verhandlungen über ein
erweitertes Partnerschafts- und Kooperationsabkommen begonnen. Es soll
den guten Fortschritten in der Zusammenarbeit der letzten Jahre
zwischen der EU und der Ukraine Rechnung tragen und wird die Rechtsgrundlage einer künftig noch engeren Kooperation bilden.
Zukunft der europäischen Innenpolitik
Es ist wichtig, dass wir uns frühzeitig darüber Gedanken machen, wie wir europäische Innenpolitik zukünftig gestalten wollen:
- Auf Vorschlag von Bundesinnenminister Dr. Schäuble stimmten die Innenminister der EU
der Einrichtung einer informellen hochrangigen beratenden Gruppe
(Future Group) zur Zukunft der europäischen Innenpolitik ab 2010 zu
(bis Ende 2009 werden die Ziele der gemeinsamen europäischen
Innenpolitik noch durch das sogenannte Haager Programm definiert). - Damit ist sichergestellt, dass wir frühzeitig über Konzepte für die europäische Innenpolitik bis 2015 nachdenken.
- An
den Diskussionen nehmen die Innenminister der laufenden sowie der
nächsten Triopräsidentschaft (Deutschland, Portugal, Slowenien,
Frankreich, Tschechien, Schweden), ein Vertreter der nachfolgenden
Triopräsidentschaft (zurzeit Spanien) sowie der Vizepräsident der
Europäischen Kommission Frattini und der Vorsitzende des für
Innenpolitik zuständigen Ausschusses des Europäischen Parlaments teil.
Durch die Zusammensetzung der Gruppe sind die Interessen kleiner wie
großer, nördlicher wie südlicher, neuer und alter Mitgliedstaaten
umfassend gewahrt. Die Gruppe ist gleichzeitig immer noch klein genug,
um effektiv beraten und konkrete Visionen für die zukünftige
europäische Innenpolitik zur weiteren Stärkung von Freiheit und
Sicherheit entwickeln zu können. - Wir konnten bereits unter
unserer Präsidentschaft die ersten beiden Sitzungen der Gruppe
durchführen. Die Minister und Vizepräsident Frattini erörterten dabei
Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der europäischen Grenzschutzagentur
FRONTEX, des gemeinsamen Schengener Grenz- und Visummanagements, der
grenzpolizeilichen Zusammenarbeit mit Drittstaaten sowie der immer
stärkeren Verschmelzung von innerer und äußerer Sicherheit. - Die
Gruppe wird im Herbst 2008 und damit rechtzeitig zu Beginn der
förmlichen Verhandlungen des Post-Haager-Programms zur Zukunft der
Innenpolitik der EU einen umfassenden Bericht vorlegen.
Weitere Themen der Ratspräsidentschaft
Europäische Union und Sport
Wir konnten in unserer Präsidentschaft im Rahmen etlicher
Veranstaltungen und Projekte dazu beitragen, die Rolle und Bedeutung
des Sports in unserer Gesellschaft in seinen vielschichtigen Facetten
weiter zu stärken:
- Um die Dopingbekämpfung auch auf europäischer Ebene noch weiter zu intensivieren, haben die EU-Sportminister
beschlossen, die Zusammenarbeit der nationalen
Anti-Doping-Organisationen im Sinne eines Kommunikationsnetzwerks zu
unterstützen. - Im Bereich „Sport und Ökonomie“ haben wir auf europäischer Ebene, gemeinsam mit der EU-Kommission,
die Arbeiten an einem „Satellitenkonto Sport“ vorangetrieben. Das
Satellitenkonto ermöglicht, die ökonomischen Auswirkungen des Sports,
zum Beispiel seinen Anteil am Bruttoinlandsprodukt und die Anzahl der
Beschäftigten im Sport, zu ermitteln. - Zur Gewaltbekämpfung vereinbarten die EU-Sportminister, das Modell des grenzüberschreitenden Polizeieinsatzes weiter voranzubringen.
- Beim
Thema „Sport und Integration“ konnten wir in unserer Präsidentschaft
auf EU-Ebene insbesondere die sozialintegrativen Potenziale von
Sportvereinen verdeutlichen. - Das Thema „Duale Karriere –
Vereinbarkeit von Spitzensport, Ausbildung und Beruf“ stand im
Mittelpunkt eines am 5. und 6. Mai 2007 in Stuttgart durchgeführten
Workshops. Der Workshop zeigte Probleme und Lösungsmöglichkeiten auf,
wie sportliche und berufliche Karriere miteinander vereinbart werden
können. - Weiterhin haben wir in unserer Ratspräsidentschaft die
Arbeiten der Europäischen Kommission am „ EU-Weißbuch zum Sport“, das
im Juli 2007 von der Kommission verabschiedet werden soll, maßgeblich
begleitet.
Verwaltungszusammenarbeit stärken
Die europäische Zusammenarbeit im Bereich des öffentlichen Dienstes – European Public Administration Network „EUPAN“ – hilft durch einen Informations- und Erfahrungsaustausch über erfolgreiche Lösungsansätze („Best Practices“), die Arbeit der öffentlichen Verwaltungen in den einzelnen Staaten weiterzuentwickeln:
- Thema unserer Präsidentschaft waren Fragen der strategischen
Steuerung von Zentralverwaltungen vor dem Hintergrund der
Herausforderungen des demographischen Wandels. Wir konnten erreichen,
dass die Anforderungen der demographischen Entwicklung an den
öffentlichen Dienst zukünftig übergreifender Schwerpunkt der
Zusammenarbeit im EUPAN-Netzwerk werden. - Außerdem haben wir uns
damit beschäftigt, wie die öffentlichen Verwaltungen zur Förderung und
Ausbildung von Bewerbern aus allen Bevölkerungsgruppen und damit zur
Verbesserung der Chancengleichheit im öffentlichen Dienst beitragen
können. - Weiterhin haben wir eine Intensivierung des sozialen
Dialogs der Zentralverwaltungen auf europäischer Ebene erreicht.
Künftig wird es für die Zusammenarbeit der im EUPAN-Netzwerk
versammelten öffentlichen Arbeitgeber mit der europäischen
Gewerkschaftsdelegation „TUNED“ feste Strukturen und geregelte
Verfahren geben. - Unter deutscher Präsidentschaft konnte
ebenfalls eine Studie zur Leistungsbewertung im öffentlichen Dienst der
Mitgliedstaaten erarbeitet, ausgewertet und erörtert werden. - Und
es ist uns gelungen, gemeinsame Richtlinien zur Gewährleistung der
Qualität öffentlicher Dienstleistungen („Citizen Charters“) fertig zu
stellen und zu verabschieden. Eine wichtige Rolle spielen dabei auch
Fragen der Bürgerzufriedenheit und einer kundenorientierten
öffentlichen Verwaltung.
Den sicheren elektronischen Kommunikationsraum realisieren
Internet, E-Mail und Mobiltelefone sind aus unserer Welt nicht
mehr wegzudenken. Informationen sind dadurch überall verfügbar. Von
ihrer sicheren Übertragung hängt der Erfolg der europäischen Wirtschaft
ab. Und für eine reibungslose Zusammenarbeit der Verwaltungen, in
Deutschland wie in Europa, ist Voraussetzung, dass die modernen
elektronischen Kommunikationsmittel kompatibel sind sowie höchsten
Sicherheitsanforderungen entsprechen.
- Die in unserer Präsidentschaft bereits Anfang März
durchgeführte Konferenz „Advancing eGovernment2007“ in Berlin hat
dringliche Aufgaben der öffentlichen Verwaltung benannt, um einen
elektronischen Kommunikationsraum in Europa für die Verwaltungen der
Mitgliedstaaten zu realisieren: Interoperabilität, das heißt die
Fähigkeit zur Zusammenarbeit verschiedener Systeme, ein elektronisches
Identitätsmanagement, das eine sichere Authentisierung im Internet
ermöglicht, Standardisierung und offene Dokumentenaustauschformate
sowie ein nutzerorientiertes E-Government. Im Dialog der Verwaltungen
mit Bürgern und Unternehmen müssen die notwendigen Voraussetzungen
geschaffen werden, um die elektronischen Dienste am Bedarf ihrer Nutzer
auszurichten. - Auf der IT-Sicherheitskonferenz
„Innovation und Verantwortung“ Anfang Juni in Berlin diskutierten rund
250 Experten aus Verwaltung, Wissenschaft und Politik die Frage, wer an
welcher Stelle die Verantwortung für den Schutz und die Sicherheit von
Daten, Informationen und IT-Infrastrukturen in der EU trägt. Denn nur sichere und vertrauenswürdige IT-Produkte
und Systeme werden die erforderliche Akzeptanz der Bürgerinnen und
Bürger sowie der Unternehmen zum Angebot und zur Nutzung
grenzüberschreitender Dienstleistungen schaffen können. IT-Sicherheit
ist daher eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, an der sich alle – der
Staat, die Wirtschaft sowie Bürgerinnen und Bürger – aktiv beteiligen
müssen. - Für die Zukunft wollen wir deshalb die Verabschiedung
europäischer Standards, insbesondere bei der Onlineauthentisierung von
Nutzern, vorantreiben. Dies wird ein grenzüberschreitendes E-Government
fördern sowie den Identitätsmissbrauch im Internet bekämpfen.
Source: http://www.eu2007.bmi.bund.de/nn_1035448/EU2007/DE/Bilanz/Bilanz__node.html__nnn=true