Para-militärische Geheimdienst-Polizeien für die neue Sicherheitsarchitektur

Bild: EGF

oder wie man die Aufhebung der Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheit praktisch durchexerziert.

Bundesinnenminister
Schäuble redet, wie viele andere internationale Sicherheitspolitiker,
immer von der Notwendigkeit der Verschmelzung der
Sicherheits-Strukturen hin zu einer Sicherheitsarchitektur, für die zur
Gewährleistung einer Gesamtsicherheit die Trennung zwischen innerer und
äußerer Sicherheit auzugeben und aufzuheben sei.

Dies wird
primär mit dem islamistischen Terrorismus begründet, der nicht als
kriminelles Handeln einzelner Personen oder einzelner, eigenständig
handelndern Gruppierungen definiert, sondern als internationales
Netzwerk kooperierender und vernetzer islamistischer Terrorzellen
interpretiert wird, dem die Sicherheitspolitik einen militärischen
Status als quasi global agierende Untergrund-Armee unterstellt.

Diese
globale “Terror-Armee” führt einen Krieg gegen alle Staaten mit den
Guerilla-Methoden der asymmetrischen Kriegsführung. Die Antwort der
Staaten liegt deshalb im bekannten “Krieg gegen den Terror”.

Da sich die Einheiten dieser konstruierten “Terror-Armee” sowohl
krimineller als auch militärischer Methoden bedienen, sich konspirativ
organsisieren, verständigen, informieren und ihre “Angriffe”
geografisch flexibel und unabhängig durchführen, folgt für die
Vertreter der vereinheitlichten Sicherheit zwangsläufig, dass dieser
Krieg nicht nur rein militärisch oder nur rein polizeilich zu führen
sei, nicht ausschließlich mit militärischen Verbänden, die mit
militärischen Mitteln nur zur äußeren Verteidigung eingesetzt werden
dürfen, Polizeibehörden, die nur mit zivilen Mitteln die innere
Sicherheit und Ordnung gewährleisten und Geheimdiensten, die weder über
militärische noch polizeiliche Befugnisse verfügen, sondern mit einem
zu schaffenden integrierten Komplex aller Sicherheitsorgane.

Dieser
Komplex zeichnet sich dadurch aus, dass in ihm vormals getrennte
Zuständigkeiten und Methoden auf alle Sicherheitsorgane in
unterschiedlichem Umfang übertragen werden und geografisch-politische
Unterscheidungen des Einsatzraumes – zwischen dem “Innern” und dem
“Äußeren” – augehoben sind. Die “innere” und “äußere” Sicherheit soll
so zu einer “Gesamtsicherheit” vereinheitlicht werden – in dieser Phase
befinden wir uns jetzt mit den Diskussionen um Flugzeugabschüsse,
Einsatz der Bundeswehr im Innern per Grundgesetzänderung und dem zur
Geheimpolizei aufgerüsteten Bundeskriminalampt per BKA-Gesetz Novelle als aktueller Begleitmusik.

Ob
es die Vorgänge im Vorfeld und Verlauf des G8-Gipfels in Heiligendamm
sind, die durch die massive Präsenz und den Einsatz militärischer
Verbände während des Gipfels und die nachrichtendienstliche Aufklärung
der Demonstrationsszene im Vorfeld des Gipfels geprägt waren, die
massive Überwachung von Gegnern und Kritikern der Bush-Administration
und ihres Krieges im Irak in den USA, die von militärischen Geheimdiensteinheiten des US-Verteidigungsministeriums in Kooperation mit dem FBI
im Innern durchgeführt wurde oder Kriegsszenarien und
Sicherheitsforschungsprojekte, die eindeutig von Großstädten als dem
hauptsächlichen “Krisenherd” oder “Kriegsschauplatz” der Zukunft
ausgehen, mit Menschenmassen, die es zu kontrollieren und einzudämmen
gilt:

Der Komplex einer vereinheitlichten Gesamtsicherheit
kann und soll ebenso in diesen “Krisengebieten” zum Einsatz kommen, in
denen ziviler Protest, Aufruhr oder Widerstand zu “Gefahrenräumen”
führen, die dann mit den Befugnissen, Strukturen und Methoden bekämpft
werden können, die heute für den “Krieg gegen den Terror” und den
Schutz heutiger terroristischer “Gefahrenräume” eingerichtet werden.

Es reicht eigentlich schon ein Blick auf Tabellen im EU Terrorism Situation And Trend Report 2007 von EUROPOL,
um zu erkennen, dass 1. nicht die Angst vor einer global operierenden
islamistischen “Terror-Armee” im Fokus steht, die gerade jetzt mit
Atom-Bomben herumhantiert, sondern die Angst vor haus- und
selbstgemachten Bedrohungen und Destabilisierungen im Inland und 2. die
Bedrohung der globalen Terror-Armee europaweit aus ein paar Hundert
Personen besteht, von denen ein großer Teil überhaupt nichts mit
islamistischem Fundamentalismus zu tun hat.

Wem das nicht
reicht, der kann sich noch einmal die Bedrohungssimulationen vor Augen
führen, die von deutschen Sicherheits- und Innenpolitikern mit Hilfe
der Sauerländer “Islamistischen Dschihad Union” Terrorzelle und der
Kölner Kofferbomben Terrorzelle für die Öffentlichkeit in Szene gesetzt
werden und die potentiellen Auswirkungen von Anschlägen in Beziehung zu
den Toten und Gescheiterten setzen, die manch andere als “normal”
empfundene Bedrohung jedes Jahr mit sich bringt.

Leider
schaut sich der deutsche Michel an deutschen Stammtischen und nach der
Bild-Zeitung keine Berichte und Statistiken an oder überdenkt die
ganzen Bedrohungs- und sicherheitssimulationen, die ihm jeden Tag
brühwarm aus den Partei- und Regierungszentralen zum Kaffee oder zur
Pulle Bier serviert werden.

Aber um auf den Einsatz des
Komplexes gegen Krisen- und Kriegssituationen im Innern zurückzukommen
– damit hat es der Bundesinnenminister auf nationalem Boden doch
teilweise schwer, wenn es um brachialere Eingriffe wie den Einsatz der
Bundeswehr für polizeiliche Krisenmanagement-Einsätze geht. Dafür
wollen sich einfach noch keine politischen Mehrheiten finden lassen,
obwohl mit jedem Einsatz gepokert wird, seien es abstürzende
Flugzeugbomben oder radioaktiv verseuchte Schmutzbomben. Vielleicht ist
Guido Knopp im ZDF mit seiner wöchentlichen
Geschichts-Erinnerungsshow doch zu fleißig und frischt zu oft die
Erinnerung an marschierende reguläre und irreguläre Truppen im
deutschen Inland auf.

Was wäre aber, wenn so etwas über die
europäischen Ebene zu realisieren wäre? Mit einer internationalen
Truppe, die nicht ganz der Polizei, aber auch nicht ganz dem Militär
zuzurechnen wäre bzw. um es deutlich zu sagen: Einer polizeilichen
para-militärischen Eingreiftruppe, die mit militärischen,
geheimdienstlichen und polizeilichen Mitteln und Befugnissen
ausgestattet, rapide in nationalen Krisenräumen stationiert werden
könnte, um Sicherheit und Ordnung wiederherzustellen.

Zum
Glück gibt es so etwas mit dem heute in Kraft tretenden Abkommen
zwischen Spanien, Frankreich, Portugal, den Niederlanden und Italien
zur Einrichtung und Leitung der Europäischen Gendarmerie Truppe
(“European Gendarmerie Force”, EGF oder auch EUROGENDFOR), die eigentlich schon seit drei Jahren still und leise aufgebaut wurde.

“Das
kreuzförmige Schwert symbolisiert die Truppe, die Lorbeerkorne den Sieg
und die in Flammen stehende Granate die gemeinsamen militärischen
Wurzeln der Polizei-Truppe”.
Das Motto “LEX PACIFERAT” lautet übersetzt
“Das Recht bringt den Frieden” und betont “das Prinzip der strengen
Beziehung zwischen der Durchsetzung der Rechtsgrundsätze und der
Wiederherstellung einer sicheren und geschützten Umgebung”, das von der
EGF als Grundstein ihres Auftrags angesehen wird.

Das
Besondere an dieser nicht-stehenden Truppe ist die Rekrutierung ihrer
Mitglieder aus allen nationalen Polizeiverbänden, die polizeiliche
Befugnisse besitzen, aber aufgrund ihrer Ausbildung, dem Einsatz der
Waffen und ihrer Führung einen militärischen Status innehaben.

Dazu
zählt die spanische Guardia Civil, die potugiesische Guadia National
Republicana, die niederländische Koninklijke Marechaussee, die
italienischen Carabinieri und die französische Gendarmerie Nationale
als Partner die polnische Militärpolizei Żandarmeria Wojskowa.

Aus Mitgliedern der paramilitärischen Polizeieinheiten wird durch das EGF
Hauptquartier im italienischen Vicenza, in dem ständig 14 Offiziere und
15 Unteroffiziere unter Leitung eines Kommandeurs der paramilitärischen
Polizeiverbände (seit 26.06.07 Colonel Truglio der Carabinieri) stehen,
innerhalb von 30 Tagen ein 800 Mann starkes Kontingent zusammengestellt
und koordiniert, dass bis auf 2300 Mann aufgestockt werden kann, wenn
es irgendwo “brennt”.

Wer die Truppe und das Hauptquartier
führt, wann und unter welchen Bedigungen die Truppe zusammengestellt,
ausgesendet und stationiert wird, mit welchen anderen polizeilichen und
militärischen Verbänden in militärischen und polizeilichen Missionen
die EGF zusammenarbeitet und welche Stratgien für die EGF gelten entscheidet dabei ein “Kriegsrat” in Gestalt des Ministerausschusses CIMIN,
der sich aus den Verteidigungs- und Sicherheitsministern der
teilnehmenden EU-Mitgliedsstaaten zusammensetzt. Die Truppe kann
entweder auf Anfrage und nach Beschluss der EU, der NATO, der OSCE
oder der Vereinten Nationen in Marsch gesetzt werden, aber auch in ad
hoc Koalitionen zwischen den teilnehmenden Staaten bzw. wenn ein Staat
die Unterstützung der EGF anfordert.

Was die Einsatzbereiche, Aufgaben und Befugnisse der EGF angeht, zitiere ich am besten aus dem Abkommen:

Einsätze und Aufgaben

1.
In Übereinstimmung mit dem Mandat jedes Einsatzes und unabhängig oder
in Verbindung mit anderen Streitkräften/Truppen operierend, muss EUROGENDFOR
imstande sein, dass gesamte Spektrum polizeilicher Einsätze abzudecken,
durch Ersatz oder Verstärkung, während aller Phasen des
Krisenmanagement Einsatzes.

2. EGF Truppen können entweder unter zivile Befehlsgewalt oder militärisches Komamndi gestellt werden.

3. EUROGENDFOR kann verwendet werden für:

a. Erbringung von Missionen zur [Durchsetzung] von Sicherheit und der öffentlichen Ordnung;

b.
Kontrolle, Beratung, Betreeung und Beaufsichtigung lokaler
Polizeibehörden während ihrer täglichen Arbeit, inklusive
Strafermittlungstätigkeiten;

c. Ausführung von Maßnahmen zur
Überwachung der Öffentlichkeit, Verkehrsregelung, Grenzschutzaufgaben
und allgemeinen Tätigkeiten zur geheimdienstlichen
Informationsbeschaffung;

d. Erbringung von
Strafermittlungstätigkeiten, inklusive der Erkennung von Vergehen,
Verfolgung von Tätern und ihrer Überstellung an die geeigneten
Justizbehörden;

e. Schutz der Bevölkerung und des Eigentums und Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung beim Auftreten öffentlicher Unruhen;

f. Unterweisung von Polizeioffizieren gemäß internationaler Standards;

g. Unterweisung von Ausbildern, besonders im Rahmen von Kooperations-Pogrammen.

In den FAQs der EGF steht zusätzlich:

EGF
Participants have responded to the need to rapidly conduct civil
security actions, sometimes parallel with the military intervention, by
establishing this multinational tool. The EGF
should facilitate the handling of crisis that require management by
police forces, usually in a critical situation, either in a civil
crisis environment or alongside a military force.

The added value of the EGF
is, that this multinational co-operation:
– is capable (due to the shared values, skills and drills) and willing
to perform in more robust police missions under more demanding
circumstances and military command.
– is robust, information-gathering orientated and is designed to
provide an efficient response to criminal activities;
– is capable of dealing with all the issues related to public order and
security so that to speed the demilitarisation and the normalization of
the crisis area;
– is able and willing to perform all kinds of police missions, in both
substitution and strengthening missions;
– is capable to be integrated in a military crisis management tool

…the
total strength of the Force could reach 2300, composed of :
– An operational component, dedicated to missions of general public
security and maintenance of public order;
– A crime-fighting component, including specialists in criminal
investigation missions, detection, gathering, information analysis and
processing, protection and assistance of individuals, anti-trafficking,
fight against terrorism and other major crimes, and other specialists.

From
shared experiences in recent crises, the setting in which police forces
can fully operate needs to include:
– intelligence support, from local administration and other actors in
the field, in order to ensure convenient security for the force, to
support investigations on war criminals, criminal organisations etc. In
that field, interception techniques, language experts and local staff
can be required
Die EGF Truppen verfügen dafür über die gleichen Polizeibefugnisse wie die Polizeikräfte des Staates, der die EGF anfordert oder in dem die EGF
stationiert wird. Sie erhalten Unterstützung durch die nationalen
Geheim- und Nachrichtendienste und wenden selbst geheim- und
nachrichtendienstliche Mittel und Methoden an.

Die EGF
Kräfte können dabei in militärische oder polizeiliche Missionen
eingebunden werden, die durch die Militärverbände und Polizeikräfte des
Staates, in dem der Einsatz stattfindet, ausgeführt werden und deshalb
mit allen militärischen und polizeilichen Mitteln operieren.
Andersherum können bei EGF Missionen Militärstreitkräfte und Plozeikräfte der teilnehmenden Staaten mitwirken.

Polzei-Soldaten und Personal der EGF
müssen sich zwar an das geltende Recht des Staates halten, in dem sie
eingesetzt und stationiert werden, alle Gebäude und Gelände, die von EGF Truppen in Beschlag genommen werden, sind aber immun und selbst für Behörden des Staates, in dem die EGF tätig wird, nicht ohne weiteres zugänglich.

Wenn Angehörige der EGF oder die EGF selbst vor Gericht erscheinen sollen, können sie durch vom EGF
Kommandeur bevollmächtigte Personen oder gar durch den Einsatzort-Staat
selbst vor Gericht ersetzt werden. Die Weitergabe und der Austausch von
Informationen und Materialien, die die EGF
betreffen oder von ihr produziert werden, werden über eigene
Sicherheitsabkommen der teilnehmenden Staaten geregelt und mit dritten
Parteien nur aufgrund zusätzlicher Sicherheitsabkommen zwischen den EGF Staaten und den dritten Parteien zugelassen. Die Kommunikation der EGF
Einheiten wird über eigene verschlüsselte Kanäle durchgeführt und ist
von Überwachungs-Infrstrukturen und -Maßnahmen der beteiligten Staaten
ausgenommen.
EGF Training

Bilder zu
Anti-Aufruhr Übungen gegen “Terroristen” aus der Galerie der
Europäischen Gendarmerie Truppe.
Was ist das? Nur eine weitere Sicherheitseinheit als Baustein für eine
gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik und den
schnellen Einsatz als Eingreiftruppe in internationalen Krisengebieten
oder eine para-militärische und geheimdienstliche Polizeitruppe, die in
sich alle militärischen, polizeilichen und nachrichtendienstliche
Befugnisse und Mittel vereinigt, die sie nach einem Mandat eines
ministeriellen Krisenstabs an jedem Ort zur Bekämpfung von Unruhen,
Aufständen und politischen Großdemonstrationen im Verbund mit
nationalen Polizei- und Armeeverbänden ausüben darf?

Eine
Truppe, nach der sich ein Bundesinnenminister wie Schäuble, der von der
Aufhebung der inneren und äußeren Sicherheit und Verschmelzung aller
Sicherheitsstrukturen zu einer vereinheitlichen Sicherheitsarchitektur
träumt, alle zehn Finger ablecken wird. Und die vor sich hinträumende
Öffentlichkeit Europas wird weiterhin glauben, es ginge nur um ihren
Schutz und den “Krieg” gegen “Terroristen”.

Quelle: http://blog.kairaven.de