Auslandseinsätze der US-Armee und Manöver
der NATO/ KFOR werden unter anderen auf dem
Truppenübungsplatz in Hohenfels trainiert. Geübt wird Aufstandsbekämpfung. Die Rostocker Firma DSS sucht hierfür
Statisten, die z.B. als „Teilnehmer einer Demonstration“ die US-Militärs den „richtigen Umgang mit der irakischen/afghanischen Zivilbevölkerung lehren“. Sie sollen als "Civillians
on the Battlefield" (Zivilisten auf
dem Gefechtsfeld) "Übungsdörfer
" der amerikanischen Armee bewohnen. Die SchauspielerInnen sollen ein „sauberes Führungszeugnis“
vorlegen. Sie dürfen bei dem „Einsatz“ (Beginn: 7 Uhr) keine Mobiltelefone
mitbringen, die „Military Police“ kontrolliert mit „Atemalkoholtests“ ein
Alkoholverbot.
Civilians
on the Battlefield
ROSTOCK/HOHENFELS/BAGDAD/LINZ (Eigener Bericht) – Deutsche Unternehmen ermöglichen mit der
Vermittlung Tausender "Statisten" an die US Army Militärtrainings für
völkerrechtswidrige Kriegshandlungen im Irak. Die Manöver, für die unter
anderem eine "Firma DSS" aus Rostock (Mecklenburg-Vorpommern)
Zivilpersonal bereitstellt ("Civilians on the Battlefield"), dienen
der unmittelbaren Vorbereitung von Kampfeinsätzen in dem vom internationalen
Recht nicht gedeckten Krieg. Bei der Anwerbung der "Statisten"
bevorzugt die "Firma DSS" Iraker, weil sie gute Kenntnisse über
"Traditionen und Gepflogenheiten" am Kriegsschauplatz besitzen. Auch
Afghanen werden für Manöver engagiert, bei denen für den Einsatz am Hindukusch
trainiert wird. Das Armeegelände in Hohenfels (Bayern), auf dem die "Statisten"
zum Einsatz kommen, ist nach dem Truppenübungsplatz im nahe gelegenen
Grafenwöhr das zweitgrößte Trainingsareal der US-Truppen innerhalb Europas.
Beide Standorte werden derzeit von Washington mit einem Milliardenbetrag
ausgebaut; sie nehmen eine zentrale Rolle in den US-Plänen für künftige
Kampfeinsätze im sogenannten Anti-Terror-Krieg ein. Auch die Bundeswehr nutzt
beide Truppenübungsplätze zur Vorbereitung auf die gemeinsamen Kriege.
Einsatzvorbereitung
Die mehrwöchigen Kriegsübungen, für die die "Firma
DSS" zwischen 80 und 750 "Statisten" bereitstellt [1],
ermöglichen nach Auskunft des Unternehmens "ein realistisches Training zur
Vorbereitung von US Soldaten auf ihren Einsatz im Irak", wahlweise auch in
Afghanistan oder im Kosovo [2]. Die Militärs sollen mit den "Traditionen,
Gepflogenheiten und Gewohnheiten" am Kriegsschauplatz "vertraut
gemacht werden" und "den richtigen Umgang mit der
irakischen/afghanischen Zivilbevölkerung" lernen. Bei den Übungen geht es
unter anderem um Aufstandsbekämpfung. Zivilisten werden dabei "als
Verkäufer, Cafébesitzer, Handwerker oder Teilnehmer einer Demonstration etc.
eingesetzt, um die nachgebauten irakischen Dörfer mit Leben zu füllen."
Weil größtmögliche Nähe zum tatsächlichen Einsatzszenario angestrebt wird,
zieht die Rostocker Firma bei der Auswahl des Personals für das
Besatzungstraining Iraker und Afghanen vor.
Komplette Infrastruktur
Die Vermittlung von "Statisten" für Kriegsübungen
der US Army findet in großem Maßstab bereits seit 1999 statt. Allein die
bayerische Firma Optronic will den amerikanischen Streitkräften in den Jahren
1999 bis 2005 über 3.000 Zivilisten vermittelt haben. Seit 2003 – dem Jahr des
Überfalls auf den Irak – trainiert das US-Militär in Deutschland auch mit
Statisten muslimischen Glaubens.[3] Seit Juli 2006 ist die "Firma
DSS" im Geschäft; Optronic wurde nicht weiter kontraktiert, weil ihr
Geschäftsführer wegen der Lieferung atomwaffenfähigen Materials nach Nordkorea
zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden war.[4] Die "Firma DSS" kooperiert
bereits seit Anfang 2004 mit der US Army in Hohenfels "im Bereich
Personaldienstleistung und Service" – gemeinsam mit der Kölner eps GmbH.
Diese gewährleistet die "Versorgung der amerikanischen Einheiten während
der Übungen in Deutschland" mit der "komplette(n) Infrastruktur von
Zelten über Duschen, Toiletten und Lebensmittel bis hin zu Bleistiften,
Kopierern und Papier".[5]
Bedeutender Arbeitgeber
Geschäfte mit den Kriegsübungen der US Army gehören in der
strukturschwachen Umgebung der Manöverplätze zu den wichtigsten
Wirtschaftsfeldern. Allein der Truppenübungsplatz Hohenfels beschäftigt 760
deutsche Arbeitskräfte, beim Truppenübungsplatz Grafenwöhr sind es viermal so
viele. Hinzu kommen Einzelaufträge wie etwa die Errichtung eines Tunnelsystems,
in dem Kämpfe wie in Tora Bora (Afghanistan) simuliert werden können. Allein im
Jahr 2006 hat Washington 100 Millionen US-Dollar in Grafenwöhr investiert, die
aktuellen Gesamtinvestitionen belaufen sich auf bis zu einer Milliarde
US-Dollar. Die US Army ist einer der größten Arbeitgeber in der Region – und
schafft damit Abhängigkeiten, die Proteste etwa wegen des anhaltenden
gesundheitsschädigenden Manöverlärms verhindern.[6]
Generalprobe
Die Truppenübungsplätze Hohenfels und Grafenwöhr besitzen
für die globale US-Kriegsplanung besondere Bedeutung. Grafenwöhr ist mit einer
Fläche von insgesamt rund 234 Quadratkilometern einer der größten
Truppenübungsplätze weltweit und der größte in ganz Europa, auf dem scharf
geschossen werden darf. Auf dem Gelände finden gelegentlich Gefechtsmanöver mit
mehr als 10.000 Soldaten statt. Bereits zu Zeiten des Vietnamkriegs war
Grafenwöhr das wichtigste Trainingsareal der US Army in Europa. Auch die Kriege
gegen Jugoslawien wurden hier vorbereitet. Anfang 2003 fand auf dem
Truppenübungsplatz mit einer groß angelegten Computersimulation eine
Generalprobe für den Überfall auf den Irak statt; daran waren rund 1.000
Offiziere beteiligt. Bis heute spielt Grafenwöhr eine zentrale Rolle für die
US-Kriegslogistik. Bekannt ist unter anderem, dass eine der Einheiten, die im
Spätherbst 2004 Falludscha in Schutt und Asche legten, aus Grafenwöhr
eingeflogen worden war. Der US-Angriff auf Falludscha gehört zu den am
schärfsten kritisierten US-Kriegshandlungen im Irak.
Aufstandsbekämpfung
Der Truppenübungsplatz Hohenfels, rund 50 Kilometer
südwestlich von Grafenwöhr gelegen, ist mit rund 160 Quadratkilometern das
zweitgrößte Trainingsgelände der US Army in Europa. Dort werden Militärs nicht
nur auf größere Überfälle vorbereitet ("Major Combat Operations"),
sondern auch in speziellen Kampftaktiken zur Aufstandsbekämpfung geschult
("Counter-Insurgency Operations"). Dazu gehören etwa
"Häuserkampf" oder der Kampf gegen Kombattanten in höhlenähnlichen
Umgebungen. Auch das Vorgehen gegen Demonstranten in den besetzten Gebieten
zählt zu den "Counter-Insurgency"-Trainingsinhalten; hierzu werden
die von der "Firma DSS" und anderen Zulieferern angeworbenen
"Statisten" ("Civilians on the Battlefield") benötigt. Auf
dem Truppenübungsplatz Hohenfels trainieren nicht nur US-Truppen, sondern auch
NATO-Einheiten sowie Soldaten aus Staaten, die sich am sogenannten
Anti-Terror-Kampf beteiligen. Zu Jahresbeginn etwa wurden dort rund 140
Georgier für Kampfeinsätze im Irak geschult.[7]
Eng verbunden
Selbstverständlich finden in Grafenwöhr und Hohenfels auch
Kriegstrainings der Bundeswehr statt. Bereits 1957 wurde auf dem
Truppenübungsplatz Grafenwöhr ein "Verbindungskommando der
Bundeswehr" installiert, das unter neuer Bezeichnung bis heute tätig
ist.[8] Es schafft für die deutsche Armee "die Möglichkeit zur Gefechts-
und Schießausbildung bei Tag und Nacht".[9] Deutsche Soldaten üben in
Grafenwöhr für die Einsätze im Kosovo und in Afghanistan – in erheblichem
Umfang: Die Bundeswehr spricht von rund 100.000 "Manntagen" im Jahr.
Seit Beginn der 1990er Jahre hat die Bundesregierung erweiterte
Mitspracherechte in Grafenwöhr und Hohenfels; so muss etwa jede Ausweitung der
Manöver in die Nacht oder an Wochenenden vom Bundesverteidigungsministerium
eigens genehmigt werden.[10] Die "enge Verbundenheit zwischen Deutschland
und den USA" sei "fast nirgendwo so greifbar zu spüren" wie auf
den beiden größten Truppenübungsplätzen Europas, heißt in der Bundeswehr über
die Orte deutsch-amerikanischer Kriegstrainings für Afghanistan und das Kosovo.[11]
Protest
Während die Kriegsübungen und die Zuarbeit für sie in
Deutschland weitgehend unbeachtet bleiben, regt sich in Österreich Protest. Die
"Firma DSS" aus Rostock hat dort vor wenigen Tagen sogenannte
Castings durchgeführt, mit denen neue "Statisten" für US-Manöver in
Süddeutschland angeworben wurden. Wie es am Rande einer Protestkundgebung in
Linz hieß, wird dies als besondere Provokation empfunden: In Österreich gilt
immer noch das Neutralitätsgesetz, das es dem Land verbietet, sich an
internationalen bewaffneten Konflikten zu beteiligen. "Die Anheuerung von
Menschen für kriegsführende Armeen – und sei es auch nur als ‚Statisten‘
-," heißt es in einer Stellungnahme, "hat hier nichts
verloren."[12]
[1] Gesucht: Araber aus Linz; Die Presse 23.11.2007
[2] Trainieren der amerikanischen Soldaten im richtigen Umgang mit der
irakischen/afghanischen Zivilbevölkerung; www.firma-dss.de
[3] Araber, bitte zum Casting!; Der Spiegel 09.02.2007
[4] Auf dem Schlachtfeld; taz 26.02.2005
[5] Referenzen; www.eps.ag
[6] s. dazu Hauptstützpunkt
[7] s. dazu Freie
Meinungsäußerung
[8] Es heißt seit 1997 "Dienststelle des Deutschen Militärischen
Vertreters bei der Truppenübungsplatzkommandantur Grafenwöhr/Hohenfels
(DMV/TrÜbPlK)".
[9] Deutscher Militärischer Vertreter – Truppenübungsplatz Grafenwöhr;
www.streitkraefteunterstuetzungskommando.bundeswehr.de
[10] Schießen seit fast 100 Jahren; www.br-online.de
[11] Bundeswehr in Grafenwöhr: 50-jähriges Jubiläum am Truppenübungsplatz
Grafenwöhr; www.streitkraefteunterstuetzungskommando.bundeswehr.de
[12] "Kriegscastings" für die US-Armee im Hotel Steigenberger in
Linz; Pressemitteilung der Werkstatt Frieden und Solidarität Linz 22.11.2007
Quellen: http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57083 und http://www.firma-dss.de/cotb.htm
sehr geehrte Damen und Herren
ich bin echt begeistert von diesem Artikel und wollte mal nach fragen ob man bei solch einer Aktion mal mitwirken kann.
ich komme aus rostock bin 23 jahre alt habe einen südländischen touch und vom Charakter bin ich sehr weltoffen und kann mich auf viele situationen sehr gut einstellen
Mit freundlichen Grüßen
Sven Hertel