Österreichs Bundesrat winkt Sicherheitspolizeigesetz durch

Der Bundesrat, die Länderkammer des österreichischen Parlaments, hat am heutigen Mittwoch die umstrittene Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes
(SPG) bestätigt, in dem kein Widerspruch beschlossen wurde. Für ein
Veto stimmten nur die Abgeordneten der Grünen, des BZÖ, der
freiheitliche Vertreter sowie der Vorarlberger SPÖ-Abgeordnete Reinhold Einwallner.
Das neu gefasste SPG verpflichtet Mobilfunker, auf Polizeibefehl
Standortdaten und die internationale Mobilfunkteilnehmerkennung (IMSI)
eines Handys preiszugeben. Gleichermaßen müssen Provider Name und
Anschrift von Nutzern bestimmter IP-Adressen herausgeben. Eine
richterliche Kontrolle der Wünsche der Polizei gibt es nicht mehr, auch
eine Information der Betroffenen ist nicht vorgesehen.

Zu Beginn der Debatte meldete sich der Wiener Grüne Bundesrat Stefan
Schennach zu Wort. Er kritisierte zunächst die Art der Beschlussfassung
im Nationalrat: "Es wurde einfach eingebracht und durchgepeitscht. Wenn
wir uns jenen Bereich der IP-Adressen ansehen: […] Um 22:50 Uhr
eingebracht, um 23:50 Uhr abgestimmt. Das ist parlamentarische,
sorgfältige Beratung? Das ist Umgang mit den Grundrechten?", fragte
Schennach. "Das ist ein Skandal im Umgang mit Datenschutz, im Umgang
mit parlamentarischer Kontrolle. […] Es wurde nicht nur die
parlamentarische Kontrolle ausgeschaltet. Es wurde ausgeschaltet die
Kontrolle der Provider und es wurde vor allem die Kontrolle der Richter
ausgeschaltet. Warum ist denn die Polizei so interessiert an allem ohne
richterliche Kontrolle?"

Der beabsichtigte Einsatz der IMSI-Catcher diene vor allem dem
Abhören von Gesprächen. Denn zum angeführten Einsatzzweck der Ortung
von Vermissten oder Entführungsopfern seien IMSI-Catcher untauglich, da
man erst einmal 50 Meter an das entsprechende Handy herankommen müsse.
Zur Ortung selbst reichten auch sogenannte "stille SMS".

Seit dem 11. September 2001 werde versucht an den Freiheits- und
Bürgerrechten zu drehen und diese zu reduzieren, führte Schennach
weiter aus: "Ein bisschen stärker die Rasterfahndung, ein bisschen
stärker den Lauschangriff, die Trojaner, die Genmusterabdrücke,
Vorratsdatenspeicherung, Fingerabdrücke, Videoüberwachung. Wir wenden
uns immer mehr in Richtung eines Überwachungsstaates." Das
Sicherheitspolizeigesetz werde immer mehr in ein polizeiliches
Ermächtigungsgesetz umgearbeitet. "Die einseitige Sicherheitspolitik
führt dazu, dass sich immer mehr Menschen in unserem Land unfreier
fühlen."

Schließlich verwies Schennach auf die am Montag gestartete Petition
der "Initiative für den Schutz vor dem Überwachungsstaat", die bislang
rund 8.800 Unterzeichner aufweist. Damit würden tausende Bürger
fordern: "Schützt unsere Grund- und Freiheitsrechte. Schützt diese vor
allen Begehrlichkeiten sie einzuschränken, sie zu amputieren."

Der Wiener SP-Bundesrat Josef Kalina kritisierte daraufhin
Schennachs Partei. "Die Grünen sind eine Anti-Sicherheitspartei. Die
Unterschriften kommen nur zustande, wenn die Grünen [die Leute]
wahrheitswidrig informieren." Es würden wahrheitswidrig Horrormeldungen
verbreitet. "Abhören bleibt weiterhin ohne richterliche Genehmigung
nicht möglich. Es wird durch das SPG kein Grundrecht eingeschränkt",
insistierte Kalina. Die Novelle diene dem Kampf gegen Hooligans,
Verbesserungen beim Auffinden und Bergen von Vermissten und dem
Ausforschen von Verursachern gefährlicher Drohungen.

"Wie jedes Mal, wenn es um eine Novelle des SPG geht, befassen wir
uns mit einer massiven Ausweitung der Befugnisse der Polizei", äußerte
sich die Tiroler Grüne Eva Konrad, "Einer Opposition, die sich bitte
begründet Gedanken macht und begründet Kritik äußert, einfach
vorzuwerfen, ‚Ihr seids eh nur für die Verbrecher‘ ist sicher nicht im
Sinne einer ernsthaften Debatte." In einer zweiten Wortmeldung warf
Schennach der SPÖ vor, Sicherheitspolitik mit Polizeigesetzen zu
verwechseln. Der Vorarlberger VP-Bundesrat Edgar Mayer setzte sich für
die Neuerungen im SPG ein: "Diese Gesetzesnovelle bringt wichtige
Handhabe zur Vorbeugung, Verhinderung und Verfolgung von Straftaten.
Wir werden deshalb sehr gerne zustimmen."

Als Einwallner das Wort ergriff, kritisierte er den Ablauf zum
Zustandekommen der Gesetzesänderung. Aber auch die Grünen bekamen ihr
Fett ab: "Ich kritisiere hier auch diese massive und sehr polemisch
geführte Diskussion, wie sie von den Grünen betrieben wird, die
teilweise mit bewusster Fehlinformation die Menschen verunsichert." Das
sei keine seriöse Auseinandersetzung mit dem Thema. Für das Abhören von
Telefongesprächen sei weiterhin eine richterliche Genehmigung
erforderlich.

Er bedauere aber sehr, dass der Wunsch des Datenschutzrates nach
richterlicher Kontrolle für die Handyortung vom Innenministerium nicht
berücksichtigt worden sei. "Bei der Standortbeauskunftung fehlt die
richterliche Kontrolle. Dieses Fehlen ist für mich nicht akzeptabel."
Nach Angaben von Polizeibeamten führe in der Praxis die richterliche
Genehmigung zu keinen Verzögerungen. Außerdem fehle im Gesetz die
Einrichtung von Schutzzonen vor Abtreibungskliniken. Dort sollten
Demonstrationen verboten werden, um Frauen in schwierigen Situationen
zu schützen. Einwallner war schließlich der einzige Abgeordnete der
Regierungsfraktionen, der die SPG-Novelle ablehnte.

Als Letztem wurde Innenminister Günther Platter (ÖVP) das Wort
erteilt. Er sagte, dass es nicht um Gesprächsinhalte sondern um
Handyortung gehe: "Was wir brauchen, sind die Standortdaten." Damit
könnten verunglückte Bergsteiger oder Entführungsopfer gerettet werden.
"Wenn wir ein Leben allein retten können, durch so eine Maßnahme, ist
es richtig und gut", meinte der Innenminister. Die Auskünfte über die
Nutzer von IP-Adressen habe die Polizei schon bisher bekommen, im SPG
handle es sich also bloß um eine "Klarstellung der schon bestehenden
Angelegenheit." (Daniel AJ Sokolov) /

Quelle: http://www.heise.de/newsticker/meldung/100870/from/atom10