Online-Durchsuchung: Bayern macht Ernst

[barebonecenter] Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann hat eine Novelle des
Verfassungsschutzgesetzes auf den Weg gebracht. Es sieht die
Möglichkeit einer Online-Durchsuchung vor.

Der Gesetzesentwurf im Wortlaut:„Das Bayerische Kabinett hat heute die beabsichtigte Novellierung des
Verfassungsschutzgesetzes beraten. Innenminister Joachim Herrmann: "Mit
der Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes verfolgen wir eine
doppelte Zielsetzung. Die Befugnisse des Verfassungsschutzes sollen an
neue technische Entwicklungen angepasst werden. Wenn Terroristen sich
modernster Kommunikationstechniken bedienen, dann kann der
Verfassungsschutz nicht auf dem technischen Stand von vor zehn Jahren
stehenbleiben. Es geht darum, terroristische Gefahren und entsprechende
Bedrohungen aufzuklären und Leben und Gesundheit Unschuldiger zu
schützen. Zum anderen setzen wir als eines der ersten Länder und noch
vor dem Bund die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum
Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung ins Gesetz um.
Strenge Verfahrensregelungen garantieren ein Höchstmaß an
Rechtsstaatlichkeit, wie z.B. die Genehmigung durch die G10-Kommission
und Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums bei der
Online-Datenerhebung. Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt
angekündigt, am 27. Februar über eine Regelung zur Online-Datenerhebung
im nordrheinwestfälischen Verfassungsschutzgesetz zu entscheiden.
Herrmann: "Selbstverständlich werden wir im Laufe des weiteren
Verfahrens alle Vorgaben aus dieser Entscheidung in unser Gesetz
einbauen. Der Ministerrat wird sich deshalb Anfang April nach der
Verbandsanhörung nochmals und abschließend mit dem Gesetzentwurf
befassen, bevor er dem Landtag zugeleitet wird." Das
Gesetzgebungsverfahren wird bereits jetzt eingeleitet, um es noch in
dieser Legislaturperiode abschließen zu können. Der Minister wies
darauf hin, dass der bayerische Gesetzentwurf die Voraussetzungen für
eine Online-Datenerhebung deutlich enger fasst als die
nordrhein-westfälische Regelung. Im bayerischen Gesetzentwurf ist eine
Online-Datenerhebung in jedem Fall nur zulässig, wenn die
Voraussetzungen für eine Telefonüberwachung gegeben sind, also unter
anderem Anhaltspunkte für eine sogenannte Katalogtat vorliegen.
Außerdem wird der Kernbereich privater Lebensgestaltung ausdrücklich
geschützt. Die Maßnahme muss von der unabhängigen G-10-Kommission des
Bayerischen Landtags genehmigt werden.

Im einzelnen sieht der Gesetzentwurf folgendes vor:
Eine Online-Datenerhebung ist insbesondere in Zeiten wachsender
Bedrohung durch den islamistischen Extremismus unverzichtbar. Erst vor
wenigen Tagen hat das Bundesinnenministerium vor Plänen des
Terrornetzwerkes Al Qaida für Anschläge in Deutschland gewarnt. Bei den
Führern im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet sei die Entscheidung
gefallen, in Deutschland Anschläge zu verüben. Laut
Bundesinnenministerium gibt es deutliche Signale dafür, dass
Deutschland immer mehr in den Fokus rückt. Die herkömmlichen Befugnisse
reichen für eine effektive Bekämpfung von Terrorismus und auch der
Organisierten Kriminalität nicht länger aus. Herrmann: "Unter engen
Voraussetzungen brauchen wir deshalb künftig eine Online-Datenerhebung
durch das Landesamt für Verfassungsschutz. Die
Verfassungsschutzbehörden dürfen von der technischen Entwicklung nicht
abgehängt werden. Die Erfahrungen zeigen, dass Terroristen
Informationen nur noch begrenzt über Telefon und Handy austauschen. Wir
können es nicht hinnehmen, dass sich Terroristen in ihren über Internet
vernetzten Computern einen abgeschotteten Raum schaffen, in dem sie
ungestört schwerste Anschläge und Terrorakte planen und verabreden
können. Ein Verzicht auf eine Online-Datenerhebung durch die
Verfassungsschutzbehörden würde geradezu eine Einladung an Terroristen
bedeuten, das Internet zu ihrer bevorzugten Plattform zu machen."


Herrmann: "Eine Online-Datenerhebung wird auf ganz wenige Fälle im
Jahr begrenzt sein und muss selbstverständlich engen rechtsstaatlichen
Anforderungen genügen. Eine Online-Datenerhebung gibt es nur um die
Planung, Vorbereitung und Begehung von Anschlägen und sonstigen
schweren Straftaten aufzuklären. Wer damit nichts zu tun hat, ist von
einer Online-Datenerhebung nicht betroffen. Eine Online-Datenerhebung
gibt es nur, wenn sie vom Innenminister angeordnet und von der
unabhängigen G10-Kommission des Bayerischen Landtags genehmigt wird.
Sie ist ausdrücklich auf Einzelfälle begrenzt und darf nur als letztes
Erkenntnismittel eingesetzt werden, wenn eine Datenerhebung mit andern
Mitteln aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre." Zur politischen
Kontrolle sei außerdem eine Unterrichtung des Parlamentarischen
Kontrollgremiums über getroffene Maßnahmen festgelegt. Der Kernbereich
privater Lebensgestaltung wird geschützt. Befürchtungen, dass das Arzt-
und Anwaltsgeheimnis, das Beichtgeheimnis oder das Redaktionsgeheimnis
angetastet würden, entbehren jeder Grundlage. Eine Online-Datenerhebung
bei einem Berufsgeheimnisträger scheidet aus, wenn er nicht selbst
beispielsweise Sprengsätze zusammenbaut.


Die Voraussetzungen für eine Wohnraumüberwachung werden der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angepasst. Herrmann: "So
notwendig die Wohnraumüberwachung durch die Nachrichtendienste auch mit
technischen Mittel ist, so wichtig ist es, dabei die rechtstaatlichen
Grenzen strikt einzuhalten. Für Gespräche mit engsten
Familienangehörigen, engsten Vertrauten sowie mit
Berufsgeheimnisträgern wie Ärzten, Anwälten, Geistlichen oder
Journalisten in Privatwohnungen besteht ein grundsätzliches
Überwachungsverbot. Eine laufende Maßnahme muss unterbrochen werden,
wenn erkennbar wird, dass Gespräche geführt werden, die dem Kernbereich
privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind und deshalb nicht überwacht
werden dürfen. Solche Daten dürfen nicht verwendet werden und müssen
unverzüglich gelöscht werden. Eine Wohnraumüberwachung ist auch nur für
die Dauer von einem Monat zulässig. Ist sie länger notwendig, ist eine
neue Anordnung durch den Richter erforderlich. Nach Abschluss der
Maßnahme besteht eine grundsätzliche Mitteilungspflicht gegenüber den
Zielpersonen sowie allen anderen Betroffenen, deren Daten verwendet
werden.“

Quelle: Bayerische Staatskanzlei

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