Programm zur Erkennung schöner Gesichter

Israelische Wissenschaftler haben ein Computerprogramm entwickelt, das dem ästhetischen Urteil von Menschen ziemlich nahekommt

Menschen beurteilen sehr unterschiedlich, was oder wen sie für
schön empfinden, auch wenn es kulturell oder mittlerweile auch global
übergreifende ästhetische Urteile gibt, die viele Menschen teilen. Das
Problem mit dem ästhetischen Urteil war allerdings stets, dass es trotz
manchen "schönen" Proportionen und Symmetrien keine objektiven
Kriterien zu geben scheint, nach denen etwas ähnlich wie im Hinblick
auf Wahrheit als schön beurteilt werden muss, sondern es nur empirisch
festzustellende und daher subjektive ästhetische Wertschätzungen gibt,
die eine Mehrheit von Menschen teilen. Kurz: Ästhetik gilt als eine
Frage des Geschmacks.

Israelische Computerwissenschaftler der Tel Aviv Universität (1) haben nun, wie sie in ihrem Artikel in der Zeitschrift Vision Research
(2) schreiben, ein Programm entwickelt, das die Attraktivität eines
menschlichen Gesichts für Menschen vorhersagen soll. Anders als bei
Kunstwerken oder anderen artifiziellen Dingen kann man bei der
ästhetischen Beurteilung von Gesichtern davon ausgehen, dass es hier
auch biologische, evolutionär entwickelte Kriterien geben dürfte, wann
ein Gesicht attraktiv ist. Gleichwohl werden auch diese Beurteilungen
durch viele kulturelle Einflüsse überlagert sein. Allerdings dürften
Kosmetik andere Verschönerungstechniken bis hin zur Schönheitschirurgie
als Versuche gelten können, Gesichter einer populären
Schönheitsvorstellung ähnlicher zu machen. Solche
Schönheitsvorstellungen werden früher kulturell und ethnisch stärker
ausdifferenziert gewesen sein, durch die Globalisierung und die
Allpräsenz der Medienbilder der globalen Prominenz nähern sich aber
auch hier nun wohl die Vorstellungen von schönen Gesichtern an.

Es gab seit Sir Francis Galtons Experimenten,
Fotografien von Gesichtern verschiedener Menschen übereinanderzulegen,
viele Versuche, die gemeinsamen Kennzeichen der Schönheit eines
Gesichts herauszufinden, während Evolutionstheoretiker oft ziemlich
spekulativ darzustellen suchten, auf welche Fitness- und
Reproduktionsvorteile ästhetische Attraktivität in der sexuellen
Selektion den Geschlechtspartner hinweisen könnte.

Die Computerwissenschaftler erheben einen großen Anspruch. Sie wollen
erreichen, dass Computer Geschmacksurteile abgeben, also selbst
ästhetisch urteilen. Was sie allerdings bestenfalls erzielt haben, ist
die Erstellung eines Programms, das den ästhetischen Urteilen von
Menschen nahekommt, also vorhersagen kann, was den meisten Menschen
gefallen wird. Das ist nicht viel anders, als Computerprogrammen anhand
von Bildern zu lernen, männliche und weibliche Gesichter oder Menschen
von Tieren zu unterscheiden.

Um dem Computer den menschlichen Geschmack
beizubringen, haben die Wissenschaftler zunächst 28 Frauen und Männer
91 Gesichter von kaukasischen Frauen desselben Alters mit einem
neutralen Ausdruck vorgelegt und sie gebeten, die Schönheit eines jeden
Gesichts auf einer Skala von 1-7 anzugeben. Auf Frauengesichter habe
man sich deswegen beschränkt, weil die Urteile hier eher übereinstimmen
würden als bei Männergesichtern, bei deren Beurteilung der
Menstruationszyklus und die selbst eingeschätzte Attraktivität der
Bewerter eine große Rolle spielen würden. Die Fotos, die alle vom
selben Fotografen stammten, wurden dann in den Computer eingegeben und
in ihren geometrischen Eigenschaften analysiert. Kombiniert wurden
diese Eigenschaften mit der Symmetrie des Gesichts, der Haar- und
Hautfarbe und der Glattheit der Haut.

Anhand der vorgegebenen gemittelten Präferenzen lernte dann das
Programm den Zusammenhang zwischen den visuellen Eigenschaften eines
Gesichts und dessen in sieben Stufen angegebene Attraktivität. Das
Gesichtserkennungsprogramm kann Augen, Lippen, Augenbrauen, Nase und
Kopfform identifizieren und mit 84 Koordinaten messen. Insgesamt
erfasst das Programm 90 geometrische Hauptkomponenten des Gesichts
sowie acht weitere Komponenten, beispielsweise Haut- und Haarfarbe.

Wenig verwunderlich ist, dass das Programm gemittelte
Gruppenpräferenzen genauer als Vorlieben von Individuen vorhersagen
konnte. Die Wissenschaftler machen allerdings dies daraus: "The machine
is an ‚individual rater‘ which learns ‚group average ratings‘ and thus
is essentially a hybrid between the two." In der Methode könnte auch
der Grund liegen, warum durchschnittliche, durch Morphing übereinander
gelegte Gesichter als schönste gelten, was auch das Ergebnis anderer
Studien war. Wenn man nur als schön beurteilte Gesichter morpht, dann
wird dieses Gesicht dem vorgezogen, das auch aus weniger attraktiven
gemorpht wurde. Mit einem anderen Set an Bildern zeigte sich, dass das
Programm nicht auf pure Symmetrie anspringt, sondern eher eine
Asymmetrie – bei den Frauengesichtern im Hinblick auf die rechte
Gesichtshälfte – bedeutsam zu sein scheint.

Das Programm hat die impliziten Regeln gelernt, nach
denen eine Gruppe, ohne Regeln explizit zu kennen, die Attraktivität
von Gesichtern beurteilt. Mit einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit
konnte damit auch bei neuen Bildern vorhergesagt werden, wie Menschen
die Attraktivität beurteilen. Ob damit aber "ein entscheidender
Fortschritt in der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz" geleistet
worden ist, wie einer der Wissenschaftler sagt
(3), bleibt dennoch fraglich. Möglicherweise würde das Programm einen
Turing-Test im Hinblick auf die ästhetische Beurteilung von Gesichtern
einigermaßen gut überstehen, doch die Simulation eines
durchschnittlichen Verhaltens ist wohl kein Zeichen einer starken
Intelligenz. Die müsste eigentlich individualisiert sein, was
allerdings das Ergebnis schwächen würde.

Florian Rötzer 27.04.2008

Links

(1) http://www.cs.tau.ac.il/
(2) http://www.elsevier.com/locate/visres
(3) http://www.haaretz.com/hasen/spages/966854.html

Source:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27784/1.html