Bundeswehr: Simulation in der Ausbildung an der Führungsakademie

[europaeische-sicherheit.com] In
Abwandlung des Leitspruchs der Führungsakademie der Bundeswehr
(FüAKBw), der da lautet: »mens agitat molem; der Geist bewegt die
Materie« könnte man sagen »mens agitat bits et bytes«. Auftrag der
höchsten militärischen Bildungseinrichtung der Bundeswehr ist es, dem
Führungspersonal der deutschen Streitkräfte militärisches Können und
eine gewisse wissenschaftliche Bildung zu vermitteln. Dabei galt es,
selbstverständlich stets den aktuellen Entwicklungen in Politik,
Gesellschaft, Technik und Militär Rechnung zu tragen. Themen wie
Kontakte mit der Zivilbevölkerung, Koordinationsprozesse mit
Nichtregierungsorganisationen (NGO) oder Umgang mit der Presse werden
vermehrt behandelt. Multinationale und Streitkräfte-gemeinsame Einsätze
sind heute Normalität. Dem wird in der Ausbildung Rechnung getragen.
Dazu ist 1998 an der Führungsakademie das »Zentrum Führung Gemeinsamer
Operationen« (ZFGO) eingerichtet worden.

Die rasante
Entwicklung der Informationstechnologie (IT) hat dazu geführt, dass
diese auch überzeugenden Einzug an der Führungsakademie gehalten hat.
Und so betont ihr Kommandeur, Generalmajor Hans-Christian Beck, heute:
»Ohne Rechnerunterstützung kommen wir in der Ausbildung nicht mehr aus.«

Fachzentrum Planübungen

Nachdem
bereits in den 70er Jahren erste Überlegungen angestellt worden waren,
begann man im Sommer1996 mit dem Bau des Fachzentrums Planübungen, das
im August 2000 eingeweiht wurde. Mit einem Kostenaufwand von 23 Mio.
Euro war eine technische Einrichtung entstanden, in der die Aus- und
Fortbildung der Lehrgangsteilnehmer unter Einsatz moderner
Informations- und Medientechnik durchgeführt werden kann.

Integraler
Bestandteil der Ausbildung an der Führungsakademie sind Übungen, in
denen das Erlernte praktisch anzuwenden ist. Eine immer größere Zahl
dieser Übungen wird als »Computer Assisted Exercises« (CAX)
durchgeführt. Mit dem Bereitstellen der entsprechenden modernen
technischen Infrastruktur wird die Qualität der Lehre deutlich
gesteigert.

Die markante moderne Infrastruktur, das
»Manfred-Wörner-Zentrum«, ist aufgabengerecht funktional in vier
Bereiche eingeteilt. Die Betriebsräume umfassen die Serverräume, einen
PC-Schulungsraum, einen natürlich hoch modernen Regie-/Schnittraum und
Büros. Acht Übungsmodule sind leicht in bis zu acht Stabszellen
teilbar. Sie verfügen über 24 IT-Anschlüsse sowie elf Anschlüsse für
interne Kommunikation. Außerdem sind die Räume mit entsprechender
Präsentationstechnik ausgestattet. Zwölf Mehrzweckräume mit
Netzanschlüssen sind vielseitig verwendbar. Das multimediale Plenum mit
moderner Bühnentechnik und 260 Plätzen fügt sich in das Gesamtbild.

IT-Ausstattung

Die
Hardwareausstattung besteht aus mehr als 200 vernetzten Rechnern aller
Leistungsklassen vom PC über Workstations bis zu hoch leistungsfähigen
Mehrprozessorservern. Die Vernetzung ist über Lichtwellenleiter
erfolgt. Es stehen ein programmierbares internes Kommunikationsnetz,
Intranet Bw, Intranet FüAkBw, Internet und ISDN-Telefonnetz zur
Verfügung. Dazu kommen Drucker, Großplotter, Multimediaprojektoren und
eine umfassende audiovisuelle Medienausstattung. An Software wird die
Standard-Software Microsoft Windows/Office verwendet und natürlich
spezielle Simulationssoftware.

Auftrag

Die
Fachbereiche Heer, Luftwaffe, Marine sowie das Zentrum Führung
Gemeinsamer Operationen führen ihre Übungen im Fachzentrum Planübungen
durch und werden durch das Bereitstellen von Führungs-,
Fachinformations- und Simulationssystemen sowie audiovisuellen
Ausbildungsmitteln unterstützt. Anders also als im
Gefechtsübungszentrum des Heeres (GÜZ) (siehe Europäische Sicherheit
April 2004, Seite 24) legt das Fachzentrum die Übungen nicht an. Dazu
ist allein die personelle Besetzung mit vier Offizieren, zwölf
Unteroffizieren und zwei zivilen Mitarbeitern zahlenmäßig nicht in der
Lage. Bei diesen rund 20 Personen handelt es sich um 20 Spezialisten,
die bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Übungen
helfend zur Verfügung stehen. Vor allem bei der Auswertung werden die
Lehrkräfte durch Analyse der mit Hilfe der Rechnerläufe gewonnen
Ergebnisse beraten.

Zusätzlich trägt das Fachzentrum
Planübungen zur Weiterentwicklung der Simulationsmodelle bei. Zu diesem
Zweck wird enger Kontakt zur Firma IABG gehalten, die an der
Entwicklung der Modelle ganz wesentlich beteiligt war und an deren
Weiterentwicklung im Rahmen begrenzter finanzieller Mittel auch
weiterhin ist.

Simulation in der Ausbildung

Die
Simulation spielt in den Streitkräften eine immer größere Rolle. Es
beginnt nach einer Systematik der Bundeswehr beim computergestützten
Ausbildungsmittel für den Soldaten und führt über Fahrschul- und
Duellsimulatoren bis zur Simulation an der Führungsakademie der
Bundeswehr zur Ausbildung von Führern und Stäben. Diese erfolgt durch
das Nutzen unterschiedlicher Simulationssysteme im Rahmen von
Plan-/Stabs-Übungen in den Lehrgängen.

Der Einsatz von Simulationssystemen dient in der

Vorbereitung zu:

  • Eingabe und Test von Szenarien
  • Eingabe der Truppeneinteilung

Durchführung zu:

  • Realzeitsimulation
  • Zeitraffersimulation/ Trendsimulation

Nachbereitung/Auswertung zu:

  • Wiederholung der Lage
  • Stärke-/Verlusttabellen
  • Kräftevergleichen
  • Tabelle der Verlustverursacher
  • Simulationalternativer Operationspläne (Trendsimulation)

Simulationssysteme

Eine
der Grundlagen für geeignete Simulationssysteme sind entsprechende
Geländemodelle. Diese den wechselnden Anforderungen entsprechend und
großräumig immer wieder neu zu erstellen oder wenigstens zu ergänzen,
ist aufwändig. Für Marine- und Luftwaffenübungen ist dies einfacher als
für die Teilstreitkraft Heer. Für die neuen Aufgaben im Katalog der
wahrscheinlichsten Einsätze ist die Frage von sinnvoller
Simulationsunterstützung zunächst sicher eher grundsätzlich zu klären.
Verfügbar sind Simulationsmodelle für die spezifische Verwendung in
Übungen der Teilstreitkräfte. Das Ziel für die Zukunft muss es sein,
solche für Streitkräfte-gemeinsame Ausbildung zu entwickeln. Ansätze
dafür gibt es.

Die Übungsstäbe nutzen die Systeme in den
laufenden Operationen zu Berechnungen und Darstellungen im Sinne von
CAX (Computer Assisted Exercises). Für die Leitung sind sie Instrumente
der Steuerung und Auswertung.

KORA/OA ist ein
Land-Luftkriegsmodell für Szenarien von der Größe einer Brigade bis zu
einem Korps. Es wurde als Modell zur Unterstützung der Leitung bei der
Anlage, Vorbereitung und Durchführung von Ein- und
Zwei-Parteien-Übungen konzipiert. KORA/OA bildet den konventionellen
Landkrieg und die Unterstützung des Heeres durch Luftstreitkräfte mit
den Komponenten Kampftruppen, Artillerie, Flugabwehr, Pioniere,
Heeresflieger, Aufklärung, Logistik, Personal und Sanitätsdienst ab.
Die Auflösung des Modells ist variabel und kann den verschiedenartigen
Übungen und Übungszwecken angepasst werden. Dies geschieht durch die
Wahl der im Modell geführten Truppenteile (in der Regel Bataillon),
durch Festlegung der abgebildeten Kampfunterstützung und durch Wahl der
Geländeauflösung und der Geländebeschreibung. Die Führung der Einheiten
ist weitgehend automatisierbar. Kampfunterstützung ist automatisch oder
manuell, Luftunterstützung immer manuell vorzusehen. Das Gelände ist
als quadratisches Gitter mit Kantenlängen von 125 oder 500 m
abgebildet. Jedes Quadrat ist mit einer Reihe von Geländemerkmalen wie
Topographie und Bewuchs belegt. Der Befehlsumfang deckt alle wichtigen
Einsatzarten ab. Für taktische und operative Verlegungen sind ein
Straßennetz sowie Verlade- und Entladebahnhöfe nutzbar.

Die
Verlustermittlung erfolgt mit dem heterogenen Lanchestermodell unter
Berücksichtigung von Faktoren wie Vorbereitungszeiten, Flankenangriff,
Zustand, Tageszeit, Geländeart und Geländedeckung. Das System
unterstützt in der Vorbereitung der Übung zum Beispiel beim Erstellen
der Ausgangslage, bei der Durchführung durch Echtzeit- oder
Zeitraffer-Simulation und in der Auswertung durch das Bereitstellen
verschiedener Statistikfunktionen (Verlustverursachertabellen,
Überprüfen alternativer Operationspläne usw.)

SimOF
ist das Simulationsmodell zur Unterstützung von Übungen Operativer
Führung, ist ein aggregiertes Land-Luftkriegsmodell auf der Ebene Korps
bis Armeegruppe. Es bildet die Auswirkungen von Gefechtshandlungen
zweier Parteien ab, das als Modell zur Unterstützung der Leitung bei
der Anlage, Vorbereitung und Durchführung von Ein- und
Zwei-Parteien-Übungen konzipiert wurde.

SimOF bildet den
konventionellen Land- und Luftkrieg mit den Elementen Kampftruppen,
Artillerie, Flugabwehr, Pioniere, Hubschrauber, Luftstreitkräfte,
Aufklärung, Logistik und operative Verlegung ab. Dargestellte Elemente
sind in der Regel Kampfbrigaden. Die Führung der Verbände ist
weitgehend automatisierbar, während Unterstützungswaffensysteme
Kampftruppen zugeordnet werden können und dann Einsätze automatisch
erfolgen. Wenn gewünscht, können Operationen auch manuell befohlen
werden, was bei den Einsätzen der Luftwaffe immer der Fall ist.

Das
Gelände ist als quadratisches Gitter mit einer Kantenlänge von 500 m
(oder 2.000 m) abgebildet. Jedes Quadrat ist mit Geländemerkmalen wie
Topografie und Bewuchs belegt. Der Befehlsumfang deckt alle wichtigen
Einsatzarten wie Marsch, Verteidigung, Angriff, Verzögerung,
Überwachung, Lösen vom Feind sowie Befehle für die Kampfunterstützung,
Logistik und Aufklärung ab.

MEMO (Model for
Engagements in Maritime Operations) ist ein Simulationsmodell, das den
Einsatz von See- und Seeluftstreitkräften darstellt und die dabei
ablaufenden Gefechte bewertet. Es handelt sich um eine
Zwei-Parteien-Simulation, d.h. für jede Seite müssen Eingaben
vorgenommen werden. Auf der Benutzeroberfläche werden einzelne
Schiffe/Boote und/oder Schiffsverbände, Luftfahrzeuge und
Infrastrukturanlagen dargestellt. Zu diesen Elementen können mittels
Mausklick weitere Daten abgerufen werden. Außerdem können Daten über
Verfügbarkeit von Einheiten und Ressourcen angezeigt werden. Zur
Durchführung einer Simulation sind für die einzelnen Verbände Befehle
einzugeben, die im Verlauf der Simulation selbständig durchgeführt
werden. Dabei kann es sich um einen einfachen Transit ebenso handeln
wie um einen Auftrag in einem Einsatzraum. Der Waffeneinsatz erfolgt
dann in der Regel autonom.

Am Ende einer Simulation
liefert MEMO ein neues Lagebild, auf dem sowohl die Positionen wie auch
der Zustand der beteiligten Einheiten angezeigt werden. Für die jeweils
gegnerische Partei kann dabei auf die Darstellung des aufgeklärten
Lagebilds zurückgegriffen werden. Zur weiteren Auswertung einer
Operation können zusätzliche Dateien erstellt werden, die mit Hilfe des
Programms EXCEL in anschaulichen Diagrammen darstellbar sind.

Fachbereich
Übung
SimSystem
Übungsebene
Heer Combined Effort KORA/OA Division
Heer Dynamic Division KORA/OA Division
Heer KOREX SimOF Korps
Marine SALAMIS MEMO MHQ
Luftwaffe AIREX LAMBDA ACC
Luftwaffe WESTEX ICC/ITC  
Luftwaffe OPEX ICCITC CAOC
ZFGO Joint Defender SimOF/ LAMBDA JFC/CC
Heer Iberian Initiative PSO-Modell Brigade

Bei LAMBDA
(Land Air Maritime Battle Damage Assessment) handelt es sich um eine
Familie von Simulationsmodellen zur Treffer-/Zerstörungsanalyse im
Gefecht hoher Intensität. Es kann vor allem zu Untersuchungen und
Überlegungen nach dem Motto genutzt werden: Was ist, wenn?

Das
Simulationssystem ICC/ITC wird in der NATO u.a. in den Combined Air
Operation Center (CAOC) zur Übungs- und Einsatzplanung und seit Anfang
des Jahres auch in der Ausbildung an der FüAkBw genutzt. Diese
beispielhafte Neuerung überzeugte die Lehrgangsteilnehmer des 47.
Generalstabslehrgang (Lw) in besonderem Maße, als sie in einer
fünfwöchigen Luftkriegsübung AIREX/ WESTEX (19. Januar bis 18. Februar
2004) in einer Zwei-Parteien-/Zwei-Ebenen-Stabsübung ausgebildet
wurden. Sie konnten mit Hilfe eines Simulationssystems üben, das sie in
zukünftigen Verwendungen erwartet. Auch die Lage war durchaus
»zeitgemäß«, handelte es sich doch um eine NATO-Operation nach
UN-Mandat.

Source: http://www.europaeische-sicherheit.com/alt/2004/2004_06/2004,06,03,01.html