Beim Forum „Unmanned Vehicles“ der Deutschen Gesellschaft für
Wehrtechnik sprachen Vertreter der Bundeswehr mit ungewohnter Offenheit
über die Bewaffnung von ferngelenkten Plattformen. Am ausgereiftesten
sind die Fluggeräte. Bei Bodenrobotern gibt es jedoch noch technischen
Entwicklungsbedarf.
[heise.de] Der neue US-Präsident Barack Obama war erst drei Tage im Amt, als
er Raketenangriffe auf pakistanische Dörfer im Grenzgebiet zu
Afghanistan anordnete. Dort wurden al-Qaida-Kämpfer vermutet. Von
unbemannten Predator-Drohnen abgefeuerte Hellfire-Raketen zerstörten
mehrere Häuser und töteten mindestens 18 Menschen.
Die ursprünglich ausschließlich zu Aufklärungs- und
Überwachungszwecken eingesetzten unbemannten Fluggeräte, zumeist als
UAV (Unmanned Aerial Vehicle) bezeichnet, haben sich zu Angriffswaffen
weiterentwickelt. Solche UCAV (Unmanned Combat Aerial Vehicle) will
jetzt auch die Bundeswehr haben. Etwa 400 Fachleute diskutierten beim
Forum „Unmanned Vehicles II – Land, Luft, See“ der Deutschen
Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT) in Bad Godesberg den Stand der
Entwicklung in der militärischen Robotik.
Auffallend war, mit welcher Selbstverständlichkeit gerade die
Vertreter des deutschen Militärs die Bewaffnung unbemannter Systeme
erörterten. Ullrich Heym, Referatsleiter beim Bundesministerium der
Verteidigung und fachlicher Leiter der zweitägigen Konferenz, stellte
gleich in seinem Eröffnungsvortrag fest, dass die UAV sich derzeit in
einem Prozess der Erweiterung durch bewaffnete Systeme befänden. Sein
Ministeriumskollege, der Oberst im Generalstabsdienst (i. G.)
Peter-Georg Stütz, bestätigte, es sei „zweckmäßig, UAV zu bewaffnen“.
Für unbemannte Seefahrzeuge nannte Joachim Kimpel vom Bundesamt für
Wehrtechnik und Beschaffung ebenfalls die „Einrüstung letaler Waffen“
als eine Option. Allgemein herrschte Einigkeit, dass unbemannte Systeme
nicht nur beobachten, sondern auch „Wirkung erzielen“ sollen.
Die klaren Äußerungen sind umso bemerkenswerter, als der
stellvertretende Inspekteur des Heeres Generalleutnant Günter Weiler
noch vor gut einem halben Jahr bei der europäischen Leistungsschau
Robotik (Elrob) erklärt hatte, bewaffnete Systeme würden derzeit
bewusst nicht angestrebt. Offenbar hat es beim deutschen Militär in der
Zwischenzeit einen Sinneswandel gegeben, wahrscheinlich weniger in der
Sache als hinsichtlich der Frage, wie offen darüber geredet werden
darf.
Im Vordergrund stehen beim Einsatz unbemannter Systeme allerdings
immer noch Aufklärung und Überwachung. Oberst i. G. Horst Peter Meyer
nannte die „kontinuierliche Abdeckung“ als vordringlichstes Ziel. Eine
Flotte von UAVs, die in unterschiedlichen Höhen fliegen, soll die
pausenlose Überwachung kritischer Gebiete ermöglichen. An der Spitze
dieser Infrastruktur könnte Meyer zufolge ein stratosphärisches
Höhenluftschiff stehen. Bei einer Verweildauer von 12 bis 18 Monaten
könnte es bis zu 5000 Kilogramm Nutzlast tragen, ein Gebiet mit einem
Radius von 500 Kilometer überwachen und von Deutschland aus betrieben
werden, auch wenn es in Afghanistan stationiert wäre. „Es wäre
wünschenswert, wenn die deutsche Industrie diesem Projekt mehr
Aufmerksamkeit widmen würde“, sagte Meyer.
Zunächst einmal wird aber ein eher traditionelles UAV die Aufklärung
aus großer Höhe übernehmen. Auf der Basis der bereits im Einsatz
befindlichen US-amerikanischen Plattform „Global Hawk“ entwickelt der
europäische Konzern EADS gemeinsam mit der US-Firma Northrop Grumman
den „Euro Hawk“, ein Fluggerät, das in 18 300 Meter Höhe bis zu 30
Stunden operieren kann. Das erste Exemplar soll Anfang 2011 an die
Bundeswehr übergeben werden. Insgesamt sollen fünf Flugzeuge und zwei
Kontrollstationen geliefert werden.
Für die Aufklärung aus mittleren Höhen stehen zwei Robotersysteme
zur Wahl. Die von Israel Aircraft Industries entwickelte „Heron TP“,
die in Deutschland von der Firma Rheinmetall vermarktet wird, und die
„Predator B“ der US-Firma General Atomics, in Deutschland vertreten
durch die Diehl BGT Defence GmbH. Das Bundesamt für Wehrtechnik und
Beschaffung hat die Heron TP empfohlen und damit die Luftwaffe vor den
Kopf gestoßen. Die hätte lieber die Predator B, da sie, wie Stütz
erklärte, eher verfügbar sei. Ein anderer Vertreter der Luftwaffe hob
hervor, dass dieses System zudem besser erprobt sei. Die Entscheidung
liegt jetzt beim Verteidigungsminister.
Spione im Wasser
Die „asymmetrische Bedrohung“ erfordere aber nicht nur Aufklärung
aus der Luft, sondern müsse durch entsprechende Maßnahmen zu Wasser und
zu Land ergänzt werden, betonten mehrere Redner beim DWT-Forum. Joachim
Kimpel etwa brachte das Beispiel eines in einem Hafen stationierten
Militärschiffs, das auf Angriffe durch mit Sprengstoff gefüllte Boote
vorbereitet sein müsse. Um verdächtiges Verhalten solcher an sich
unverdächtiger Objekte oder auch auffällige Bewegungen wie die von
Tauchern, die Minen anbringen, frühzeitig zu erkennen, wollen die
Militärvertreter „abgesetzte Sensorträger“ einsetzen. Dazu zählen
unbemannte Vehikel, die sich sowohl auf der Wasseroberfläche als auch
unter Wasser bewegen können.
Insbesondere bei Unterwasserrobotern wünschen sich die Militärs
autonome Funktionen, da die abhörsichere Kommunikation mit den
Plattformen und damit auch deren Fernsteuerung sehr schwierig ist.
Einsatzreife militärische AUVs (Autonomous Underwater Vehicle) gebe es
jedoch noch nicht, sagte Jörg Schmidt vom Bundesamt für Wehrtechnik und
Beschaffung. Er berichtete von einer Kooperation mit Singapur, wo in
die Kaimauer des Hafens Unterwassergaragen gebaut werden sollen, um von
dort aus mit Robotern eine kontinuierliche Überwachung des potenziellen
Angriffsziels zu gewährleisten. Solche Unterwasserwächter sollen unter
anderem selbstständig Hindernissen ausweichen, automatisch Objekte
identifizieren und klassifizieren und auf unerwartete Ereignisse
missionskonform reagieren. Die AUVs sollen gefährliche Gegenstände wie
Minen erkennen oder zumindest Veränderungen in der überwachten Umgebung
registrieren können. Auch der Einsatz in Schwärmen und Verbänden ist
ein Ziel der Entwickler.
Wenn es um die rasche Reaktion auf Bedrohungen geht, sind
Oberflächenfahrzeuge den Unterwasservehikeln klar überlegen. Danny
Anbary von der israelischen Firma Elbit Systems präsentierte das System
„Silver Marlin“, ein 45 Knoten schnelles Boot, das Zielkoordinaten an
die Kontrollstation übermitteln, mit einem
7,62-Millimeter-Maschinengewehr aber auch selbst das Feuer eröffnen
kann. Anbary demonstrierte diese Fähigkeiten mit einem mit
martialischer Musik unterlegten Werbevideo. Bei seinen deutschen
Vertriebspartnern von der Elbit-Tochterfirma Telefunken Racoms sorgte
er damit für Verstimmung, denn diese wollen die israelischen Systeme
für den zivilen Markt anbieten und würden die Möglichkeiten der
Bewaffnung dabei gern unerwähnt lassen. Aus Angst vor
„Fehlinterpretationen“ wollte Telefunken der c’t nach einem ersten
Newsticker-Bericht denn auch kein Bildmaterial zur Verfügung stellen.
In Deutschland sind vergleichbare Systeme noch in der Entwicklung.
Dazu zählen RoboShip von der Firma Rheinmetall und das von der Veers
GmbH entwickelte Seewiesel II.
Nachholbedarf an Land
Am weitesten von der Einsatzreife entfernt sind derzeit die
Landroboter. Anders als die Luft- und Wassersysteme bewegen sie sich
nicht in einem homogenen Medium und müssen sich in einer sehr
unstrukturierten Umgebung orientieren. Oberst Ulrich Pohl vom Heeresamt
in Köln räumte ein, dass „manche funktionelle Forderungen nicht zeitnah
realisierbar“ seien, namentlich autonome Funktionen. Das habe
insbesondere die Elrob gezeigt, Pohl zufolge ein „wesentlicher
Meilenstein“. „Langfristig wird am Ziel Autonomie festgehalten“, sagte
Pohl. „Doch der Schutz der Soldaten hat Priorität.“
Zu den kurzfristig realisierbaren Landsystemen zählt Axel Stephenson
vom Streitkräfteamt in Bonn unbemannte Transportsysteme. Tatsächlich
sind Technologien etwa zum automatischen Konvoifahren von
Kfz-Herstellern bereits recht weit entwickelt. Allerdings gab
Stephenson zu bedenken: „Was hier auf einer Autobahn realisiert werden
kann, ist nicht das, was wir brauchen.“
Führend im Bereich der militärischen Bodenroboter ist wiederum
Israel. Dort patrouilliert das (teil-)autonome Fahrzeug „Guardian“ der
Firma G-nius bereits an Grenzen und auf Flughäfen. Dabei überträgt es
auf drei Videokanälen bis zu elf Kamerabilder an die Kontrollstation,
in der ein Operator zwei Fahrzeuge gleichzeitig kontrolliert. Am
Schluss seines Vortrags gab Noam Segal, Marketingdirektor von G-nius,
noch einen kleinen Ausblick auf die weitere Entwicklung. In einem
kurzen Video zeigte er ein bewaffnetes Kettenfahrzeug, das über einen
unebenen, staubigen Weg fuhr. „Darüber darf ich nicht viel erzählen“,
sagte er. Die Botschaft kam auch so an. (anm)