Italien: Verordnung des Innenministers über Demonstrationen in Stadtzentren und sensiblen Arealen

1. Einleitung

In den Städten folgen täglich Demonstrationen und öffentliche
Veranstaltungen aufeinander, mit Umzügen, die durch die Innenstädte
ziehen, um Dissens und Protesten eine organisierte Form und Stimme zu
verleihen oder wenigstens um etwas zu vertreten und die Aufmerksamkeit
der Öffentlichkeit und der Institutionen über Probleme und Vorschläge
zu wecken.

Das verfassungsrechtlich verbriefte Recht auf freie
Versammlung und Meinungsäußerung an einem öffentlichen Ort stellt einen
grundlegenden Ausdruck demokratischen Lebens dar und es muss als
solches gewahrt und geschützt werden.

Die Ausübung jenen Rechts muss jedoch unter Beachtung anderer
verfassungsrechtlich verbriefter Rechte und der Normen, die ein
ordnungsgemäßes ziviles Gemeinschaftsleben regeln erfolgen.

In der komplexen Wirklichkeit der urbanen Zentren in größeren
Städten verursacht die Häufigkeit der Demonstrationen nicht selten
kritische Momente für die ordnungsgemäßen Abläufe des zivilen
Zusammenlebens, die durch Beeinflussung zur Beschränkung gewöhnlichster
Rechte der Bürger, wie etwa des Rechts auf Bildung, des Rechts auf
Arbeit und des Rechts auf Mobilität.

Daher ist eine Intervention auf die Disziplin notwendig, bei der diese den neuen Erfordernissen angepasst wird.

Die Notwendigkeit eines solchen Eingriffs wird vor dem Hintergrund
der Tatsache, dass sich die Initiativen im Streben nach größtmöglicher
Sichtbarkeit in den größeren Städten , die privilegierte Orte
politischer und institutioneller Repräsentanz sind, wiederholen und
verdichten, noch offensichtlicher.

Es ist jedenfalls wichtig, dass die Wahrung der Öffentlichen
Ordnung und der Sicherheit stets mit dem Versammlungsrecht und der
Meinungsfreiheit vereinbar gemacht werden.

2. Urbane Zentren

Die Notwendigkeit, Routen festzulegen und weitere Vorgaben zum Zweck
der Reglementierung von Demonstrationen vorzusehen entspringt auch dem
Erfordernis der Vermeidung von Unwirtschaftlichkeiten und, bei
Vorliegen von Formen der Gewährleistung der territorialen Mobilität,
deren Wirksamkeit nicht zu zerstören. Dort wo beispielsweise
Bestimmungen und Abkommen den "Gewährleistungszeiten" im öffentlichen
Transportwesen Wirksamkeit verliehen haben (ohne dass deshalb das genau
so grundlegende Streikrecht zu verletzen), könnte eine zu jenen
Gewährleistungszeiten stattfindende Demonstration, auch unwillentlich,
die Blockade des Stadtverkehrs verursachen und das Recht, sich frei zu
bewegen verletzen. Die Anwendung von neuen Kriterien bei der Regelung
von Demonstrationsrouten kann ein ausgewogenes Endresultat bei der
Abstimmung der verschiedenen zu schützenden Rechte darstellen. In
diesem Sinne, könnte der Ausschluss von für die Territoriale Mobilität
wichtigen Arealen oder von kunsthistorisch bedeutenden Stätten (man
denke beispielsweise an die von der Unesco als Weltkulturerbe
anerkannten Orte) oder aber von unter dem Gesichtspunkt der
Lärmbelastung "besonders geschützten" Zonen wie es bei Krankenhäusern
der Fall ist, eine angemessene Entscheidungsgrundlage zur Lösung der
beschriebenen Problemstellungen darstellen.

Ein weiteres zu berücksichtigendes Element ist das städtische,
öffentliche und private Eigentum, zu dessen Schutz man Initiatoren und
Organisatoren aufzuerlegende Gewährleistungsformen vorsehen können wird.

3. Sensible Bereiche

Artikel 17 Der Verfassung erkennt den Bürgern das Versammlungsrecht
zu, sofern dieses friedlich und ohne Waffen ausgeübt wird. Bei
Versammlungen an öffentlichen Orten ist die Pflicht der Vorankündigung
bei den Behörden vorgeschrieben, die solche aus erwiesenen Gründen der
Öffentlichen Sicherheit und Unversertheit verbieten können. In Einklang
mit der Verfassungsrechtlichen Norm steht die Vorgabe des Art. 18
TULPS*, das für die Initiatoren die Plicht der Vorankündigung
mindestens drei Tage im Voraus festschreibt. Der vierte Absatz sieht
vor, dass der Polizeipräsident im Falle der unterlassenen
Vorankündigung oder aus Gründen der öffentlichen Ordnung, der
Sittlichkeit oder der öffentlichen Gesundheit das Stattfinden der
Versammlung verhindern oder zeitliche und räumliche Vorgaben für die
Versammlung vorschreiben kann.
Analog ist die in Artikel 26 TULPS enthaltene Vorschrift in Bezug
auf Andachten, Zeremonien, religiöse Praktiken und Prozessionen, sowohl
religiöser als auch ziviler Art: Aus Gründen der öffentlichen Ordnung
oder der öffentlichen Gesundheit kann der Polizeipräsident diese
verbieten oder mit einer Vorankündigung mindestens 24 Stunden im Voraus
die Beachtung von bestimmten Modalitäten vorschreiben. Artikel 30 der
TULPS-Umsetzungsverordnung sieht darüber hinaus vor, dass in solchen
Fällen zur Begehung von bestimmten öffentlichen Arealen die Zustimmung
der zuständigen Behörde verlangt werden kann.
Der Polizeipräsident kann aufgrund von faktischen, zeitlichen und
räumlichen Erwägungen von Mal zu Mal nach Ermessen die Vereinbarkeit
der Demonstration mit den Erfordernissen der Gewährleistung der
öffentlichen Ordnung und der öffentlichen Sicherheit beurteilen.

Im Besonderen wird eine solche Beurteilung unter Verweis auf die
Areale, in denen sich kritische Objekte befinden, wegen denen es
angebracht sein wird, die nötigen Zugangsbeschränkungen zu verfügen
greifen.

4: Verordnung

Auf der Grundlage des bisher Gesagten erweist sich die Definition
von Kriterien Angebracht, die als Orientierung bei der
Entscheidungsfindung der zuständigen Polizeipräsidenten und Präfekten
geeignet sind.
Unter diesen Kriterien wird die Notwendigkeit der
Zugangsbeschränkung zu einigen besonders sensiblen Arealen
hervorgehoben, besonders wenn die Demonstration eine hohe
Teilnehmerzahl aufweist.
Solche sensiblen Areale wird man in Bereichen ausmachen, die aus
kulturellen, sozialen oder religiösen Gründen eine starke symbolische
Prägung aufweisen (beispielsweise Kathedralen, Basiliken oder andere
bedeutende Kultstätten) oder die – auch unter normalen Umständen – von
einem erheblichen Personenzustroms gekennzeichnet sind oder in Arealen,
in denen sich kritische Objekte befinden.

Diese Beschränkungen werden besonders dann wirksam sein, wenn
zuvor Demonstrationen mit gleichen Motto und gleicher Organisation
bereits stattgefunden haben, die die öffentliche Ordnung und die
öffentliche Sicherheit gestört haben.
Gemäß Art. 1 des Gesetzes Nr. 121 vom 1. April 1981 wird diese
Generalverordnung über öffentliche Demonstrationen erlassen, mit Bitte
an die Präfekten, im Einvernehmen mit den Bürgermeistern und nach
Anhörung des Provinzkomittees für die öffentliche Sicherheit und
Ordnung, die Regeln festzulegen, um:

1. einige Areale den Demonstrationen zu entziehen

2. gegebenenfalls, Gewährleistungsformen für etwaige Schadensfälle festzulegen

3. weitere Vorgaben für den Ablauf von Demonstrationen vorzuschreiben

Solche Bestimmungen (bei denen die größtmögliche Zustimmung durch
die sozialen und politischen Kräfte anzustreben ist) werden, auch in
experimenteller Form, in einer einschlägigen Maßnahme des Präfekten
Form annehmen.

DER MINISTER

A.d.Ü.:

* Polizeigesetz

Source:
http://www.interno.it/mininterno/export/sites/default/it/sezioni/sala_stampa/notizie/2100_500_ministro/0548_2009_01_26_direttiva_ministro_ai_prefetti.html