Die offenen EU-Grenzen sollen für das organisierte
Verbrechen geschlossen werden, um
Menschenschmugglern und Terroristen das Handwerk
zu legen. Auf dem 12. Europäischen Polizeikongress
sprach news.de mit Staatssekretär Peter Altmaier
(CDU) über die Pläne.
news.de:
Organisierte Kriminalität und internationaler Terrorismus machen längst
nicht mehr vor Staatsgrenzen halt. Was will die Bundesregierung auf
europäischer Ebene unternehmen, um die innere Sicherheit zu verbessern?
Altmaier: Das zentrale Thema ist aus
unserer Sicht, dass wir in der Europäischen Union den Datenaustausch
zwischen den Mitgliedsstaaten verbessern.
news.de: Warum?
Altmaier: Wir haben die Bewegungsmöglichkeiten der
Bürger stark ausgedehnt, wir haben Grenzkontrollen abgeschafft und
Freizügigkeitsrechte ausgebaut. Man kann in 27 Ländern studieren,
wohnen, arbeiten und Geld verdienen. Bei soviel Freiheit bedeutet das
aber auch im Umkehrschluss, dass wir es der Polizei ermöglichen müssen,
grenzübergreifend zu agieren. Es muss möglich sein, Informationen so
auszutauschen, wie dies bislang zwischen Nordrhein-Westfalen und
Bayern, zwischen Hamburg und Bremen oder zwischen Schleswig-Holstein
und dem Saarland seit Jahrzehnten möglich ist.
news.de: Mit dem Schengener Informationssystem
(SIS) können doch schon bei Fahndungen Personendaten oder
Kfz-Registrierungen grenzüberschreitend ausgetauscht werden. Wo ist das
Problem?
Altmaier: Wir müssen das System noch schneller und
effizienter machen, um Verbrechen wirkungsvoller zu bekämpfen. Der
Austausch von Lichtbildern, Fingerabdrücken oder DNA-Daten wäre auch
hilfreich. Unter anderem müssen wir dafür aber noch technische
Hindernisse überwinden. So arbeiten die verschiedenen EU-Länder mit
unterschiedlichen Computersystemen. Die müssen noch besser aufeinander
abgestimmt werden. Und wir müssen dafür sorgen, dass sich die
Sicherheitsbehörden untereinander gut verständigen können, das heißt
die Polizeiausbildung muss auch im sprachlichen Bereich weiter
verbessert werden.
news.de: EU-Kritiker sind skeptisch, dass es
nur bei einem Datenaustausch bleibt. Man kennt das ja, einmal
angefangen, werden peu a peu die Kompetenzen weiter in Richtung Brüssel
verlagert. Warum gründet man nicht gleich eine einheitliche EU-Polizei?
Altmaier: Die Polizeiarbeit ist sowieso schon
internationaler geworden. Wir haben heute schon die Möglichkeit, dass
Polizisten aus anderen Mitgliedsstaaten in Deutschland eingesetzt
werden. Das war zum Beispiel bei der Fußball-WM 2006 der Fall.
Umgekehrt sind deutsche Beamte kürzlich auf Malta zum Schutz gegen
illegale Einwanderung eingesetzt worden. Das gibt es alles schon.
Trotzdem glauben wir aber nicht, dass man generell eine europäische
Polizei braucht. Wir meinen, dass die Zusammenarbeit zwischen den
nationalen Polizeibehörden verbessert, gemeinsame Einsatzteams gebildet
und unterschiedliche Expertisen der nationalstaatlichen Behörden
gegenseitig zur Verfügung gestellt werden müssen.
news.de: Diese Strategie würde zumindest die Skeptiker in der eigenen Bevölkerung besänftigen.
Altmaier: Es gibt schon einen großen Rückhalt für
diese EU-Politik in der Bevölkerung. Alle Umfragen belegen: Die Bürger
in Deutschland wollen, dass man mehr tut im Bereich der inneren
Sicherheit. Denn sie haben erkannt, dass viele Bedrohungen heute
international und grenzüberschreitend sind – ob Terrorismus,
Kinderpornografie, Menschenhandel oder illegale Migration. Die Menschen
wollen das diese Probleme gelöst werden…
news.de: …sie wollen aber nicht, dass neue bürokratische Wasserköpfe entstehen….
Altmaier: …und schwerfällige Bürokratien
geschaffen werden. Das ist richtig. Deshalb ist der eben skizzierte Weg
der Zusammenarbeit ja auch der Richtige. Denn dadurch wird es möglich,
dass ohne massiven Aufwand die Informationen vom Dorfpolizisten in
Bayern oder Sachsen über die Landeskriminalämter bis hin zu Europol
schnell und effizient ausgetauscht werden können. Wir haben das in
gemeinsamen Zentren in Frankreich, Luxemburg, Polen und Tschechien
schon erprobt. Dort ist es möglich, das gemischte Polizeiteams
innerhalb von Minuten wichtige Informationen austauschen. Das heißt:
Wenn in Leipzig jemand bei der Polizei anruft und sagt, dass seine
Freundin im Hotel in Marseille von einem Einbrecher bedroht wird, dann
kann man demnächst die Stellen in Minuten informieren und Hilfe
organisieren. Und das ist genau die Art der Kooperation, die von den
Bürgern erwünscht wird.
news.de: Auch wenn der Vergleich hinkt: Aber
was ist, wenn das Hotel in Chicago ist? Fakt ist doch, die Kriminalität
oder der internationale Terrorismus macht ja auch nicht in Europa halt.
Warum wird der Datenaustausch dann nicht weiter gefasst?
Altmaier: Richtig, in einer globalisierten Welt
können wir mit regionalen Antworten nicht alleine bestehen. Das Problem
betrifft nicht nur die USA, das betrifft viele Länder in der Welt. Ich
denke, dass bilaterale Verträge da auch nicht mehr ausreichen werden.
Vielmehr werden wir in den nächsten Jahren so etwas wie ein
internationales Polizeirecht sehen. Da werden Regeln, Voraussetzungen
und Grenzen definiert werden müssen. Die traditionellen Rechtshilfe-
und Auslieferungsersuche haben sich als zu langwierig und schwerfällig
erwiesen. Wir brauchen vernünftige Möglichkeiten des schnellen
Informationsaustausches – auch um terroristische Anschläge verhindern
zu können.
news.de: Noch mehr Informationsaustausch? Wer soll denn da den Überblick behalten?
Altmaier: Wir wollen nicht, dass die
Sicherheitsbehörden in einem Datenmeer ertrinken. Wir wollen
maßgeschneiderte Lösungen für ganz bestimmte Probleme.
news.de: Und das heißt konkret?
Altmaier: Ein Problem sind bei der heutigen
Reisefreiheit die Fingerabdrücke. Wenn ein Abdruck nach einer Straftat
sichergestellt wird, kann man bislang nicht wissen, ob er von einem
Inländer oder von einem Ausländer hinterlassen wurde. Um den Überblick
zu behalten, werden wir uns beim Informationsaustausch zudem sehr auf
die terroristische Gefährdungen konzentrieren, die vom Internet
ausgeht. Diese Konzentrierung ist ein ganz wichtiger Punkt. Denn wir
wollen nicht alle Daten, die irgendwo vorhanden sind, in einen Topf
werfen. Es sollen die absolut notwendigen Daten herausgefischt werden,
die die Bürger bestmöglich vor Anschlägen schützen und den größten
Sicherheitsgewinn versprechen.
Zur Person: Peter Altmaier ist seit November
2005 Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium. Der
gebürtige Saarländer ist seit 1976 CDU-Mitglied und sitzt seit 1994 für
die Union im Bundestag. Altmaier ist gelernter Jurist.
Source: http://www.news.de/politik/1216770945954/wir-brauchen-ein-internationales-polizeirecht.html