Ausländerfeindliche Gewalt ist in Rußland an der Tagesordnung. Der Staat reagiert – und bespitzelt die Opfer
[jungewelt.de] Sie sehen aus wie Modell-Hubschrauber aus dem Spielzeugladen. Doch bei
den kleinen Fluggeräten handelt es sich um Aufklärungsdrohnen, mit
denen die russische Einwanderungsbehörde den Aufenthaltsort von
Ausländern ermitteln will. Eine ganze Staffel von fliegenden, mit
Kameras bestückten Drohnen soll nach Angaben der russischen
Nachrichtenagentur RIA-Nowosti künftig rund um den Großraum Moskau zum
Einsatz kommen, um »ausländische Gastarbeiter besser überwachen« zu
können. Starten werden die unbemannten Aufklärungsflugzeuge bereits »im
März und April, wenn viele Gastarbeiter traditionell in die Region
kommen«, sagte Oleg Molodijewski, Chef der Einwanderungsbehörde.
Schon
bei einer Testphase im Dezember konnten die Behörden mit Hilfe der
Drohnen sicherstellen, daß auf einer Müllkippe bei Moskau keine
illegalen Einwanderer mehr campierten. Vor zwei Jahren sei das ohne
Genehmigung eingerichtete Lager geräumt worden, erklärte Molodijewski.
Auch an den Grenzen Rußlands zu Polen und Litauen kommen die
unbemannten Flugkörper zum Einsatz.
Doch statt Überwachung
könnten Ausländer in Rußland eher staatlichen Schutz ge brauchen. Seit
Jahren nimmt die rassistische Gewalt in Rußland zu. Im Jahr 2008
starben allein in Moskau 47 Ausländer bei rechtsextremistischen
Übergriffen. 48 Menschen wurden teilweise schwer verletzt. In den
ersten vier Wochen dieses Jahres verübten Rassisten in Moskau bereits
13 Überfälle auf Ausländer,die sieben Menschen nicht überlebten. In der
gesamten Russischen Föderation sollen im vergangenen Jahr 113 Menschen
von rechten Gewalttätern ermordet worden sein. Im Jahr 2007 waren 74
Tote und 320 Verletzte zu beklagen. Bei den Opfern handelt es sich
meist um Arbeitsmigranten aus dem Kaukasus und Zentralasien.
Die
Kreml-Regierung reagiert wenig konsequent auf diese erschütternden
Ereignisse. Einerseits verurteilen Präsident Dmitri Medwedew und
Premier Wladimir Putin den neofaschistischen Terror. Tatsächlich geht
die russische Miliz verstärkt gegen jene Organisationen vor, denen
schätzungsweise insgesamt 50000 Neonazis angehören. So wurden Mitte
Dezember beispielsweise sieben Mitglieder einer jugendlichen
Skinheadbande in Moskau verurteilt, die in den Monaten zuvor 20
Migranten umgebracht haben. Andererseits demonstrieren kremlnahe
Jugendorganisationen, wie die »Junge Garde des Vereinigten Rußlands«
oder die rund um Moskau aktive Organisation »Mestnje« (die Lokalen)
gegen »illegale Einwanderung« und »kriminelle Ausländer«.
So
wollten Anhänger der »Junge Garde« am 19. Januar auf dem Moskauer
Kasan-Bahnhof einen Zug aus Zentralasien mit fremdenfeindlichen
Transparenten empfangen, auf denen Ausländer unter anderem als »Diebe«
diffamiert wurden. Verhaftet wurden – von einer Einheit der russischen
Sonderpolizei – jedoch linke Demonstranten, die gegen den
nationalistischen Aufmarsch protestiert hatten.
Von Tomasz Konicz