Die
Zugriffe auf die bei den geplanten Internetsperren geschalteten
"Stoppschilder" werden womöglich weit umfassender als bisher gedacht
ausgewertet werden.
[gulli.com] Ulrich Staudigl, Sprecher im
Bundesjustizministerium, sagte, dass man sich in der Bundesregierung
vielleicht nicht damit zufrieden geben wird, die Provider die
versuchten Zugriffe auf gesperrte Seiten mitloggen zu lassen und unter
Umständen auf die Logs zuzugreifen. Stattdessen diskutiert man momentan
eine Echtzeit-Überwachung versuchter Zugriffe. Dies widerspricht
eindeutig der bisherigen Darstellung in der Öffentlichkeit.
Die sogenannte "Echtzeitüberwachung" funktioniert laut Staudigl "ähnlich
wie bei einer inhaltlichen Telekommunikationsüberwachung. Die auf den
Stopp-Server zulaufenden Anfragen, also zum Beispiel die IP-Adresse
des Nutzers, werden als Kopie live an eine Überwachungsanlage der
Strafverfolgungsbehörde ausgeleitet und dort verarbeitet". Er
betont allerdings, dass dies nur mit Richtervorbehalt geschehen könnte.
Mit welchen Kriterien dabei allerdings vorgegangen werden soll, erklärt
er nicht (immerhin geht es ja nicht um die Überwachung einzelner
Verdächtiger, sondern man weiß nicht vorher, wer zuzugreifen versucht).
Wie Staudigl betont, unterstreichen diese Pläne die Tatsache, dass "jeder Nutzer mit Strafverfolgung rechnen muss, wenn er dabei beobachtet wird, eine geblockte Webseite abzurufen". Grundsätzlich erfülle ein "aufgrund der Umleitung zur Stoppseite erfolgloser Versuch, eine Internetseite mit kinderpornographischem Material aufzurufen" bereits "die Voraussetzungen dieses Straftatbestands und begründet daher den für strafrechtliche Ermittlungen notwendigen Anfangsverdacht".
Das bedeute allerdings nicht, wie von Kritikern befürchtet, die
Aushebelung der Unschuldsvermutung: Den Nachweis, dass der Zugriff
vorsätzlich erfolgte, "müssen selbstverständlich die Strafverfolgungsbehörden führen". Vor Hausdurchsuchungen, Ermittlungsverfahren und den damit verbundenen Problemen schützt einen das allerdings nicht: "Ob
und gegebenenfalls wer sich strafbar gemacht hat, wird regelmäßig erst
durch die sich daran anschließenden strafrechtlichen Ermittlungen
geklärt werden können." Oft sind aber, gerade bei einem derartigen
Tatvorwurf, gerade die sozialen, familiären, beruflichen und
finanziellen Probleme für den Verdächtigen verheerend. Viele
Internetnutzer dürften sich, wenn das Gesetz wie geplant in Kraft
tritt, also den Klick auf unbekannte Links (beispielsweise
tinyurl-Links, wie sie oft und gerne bei Diensten wie Twitter, aber
auch beispielsweise in Zeitschriften verwendet werden) mehrfach
überlegen. Wie schnell das gehen kann, demonstrieren beispielsweise
solche Links: hier klicken, wer sich traut. (Annika Kremer)
Source: http://www.gulli.com/news