Informanten dürfen unter keinen Umständen gefährdet werden"
[pressetext.at] Die neue Überwachungsgesetzgebung, die Internet- und Telefonanbieter
zur Speicherung der Kommunikationsdaten ihrer Nutzer verpflichtet, hat
für den investigativen Journalismus in Großbritannien ernsthafte
Folgen. Wie der Guardian berichtet, machen sich die
Enthüllungsjournalisten des Landes zunehmend Sorgen darum, dass sich
aufgrund der ausgeweiteten "Big Brother"-Praktiken der britischen
Regierung (pressetext berichtete: http://pressetext.com/news/081016017)
niemand mehr trauen werde, sich mit einer brandheißen Aufdecker-Story
an die Presse zu wenden. Die Datenbank, in der seit vergangener Woche
die gesammelte Kommunikation der Bevölkerung mitprotokolliert werde,
mache es Behörden, Geheimdiensten und sonstigen Organisationen viel zu
leicht, die Quelle einer bestimmten übermittelten Informationen zu
identifizieren, so der Tenor der Kritik.
"Die Angst der britischen Kollegen kann ich sehr gut
nachvollziehen. Ein Journalist, der in einer derartigen Form überwacht
wird, kann seine wichtige gesellschaftliche Funktion nicht mehr in
vollem Umfang erfüllen", stellt Eva Werner, stellvertretende
Pressesprecherin des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) http://www.djv.de,
im Gespräch mit pressetext fest. Insbesondere dem investigativen
Journalisten komme in dieser Hinsicht aber eine wesentliche Bedeutung
zu. "Journalisten, die enthüllen, wachrütteln und sensibilisieren sind
eine enorm wichtige Säule einer modernen Demokratie. Ihre Aufgabe ist
es, Missstände aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft
aufzudecken , erklärt Werner. Diese zentrale Überprüfungs- und
Kritikfunktion sei durch den neuerlichen Überwachungsvorstoß in
Großbritannien ernsthaft in Gefahr geraten. "Je stärker die Überwachung
ist, desto schwieriger wird auch die Arbeit eines investigativen
Journalisten", betont Werner.
Gerade der Aufdeckungsjournalismus sei auf einen gut
funktionierenden Quellenschutz angewiesen. "Die Informanten der
Journalisten dürfen unter keinen Umständen gefährdet werden. Wenn die
journalistischen Quellen durch gespeicherte E-Mail- oder Telefondaten
leicht zu identifizieren sind, wird die Motivation von Leuten, die
unerkannt bleiben wollen, sich mit brisanten Informationen an die
Presse zu wenden, sicherlich deutlich abnehmen", meint Werner. Das für
den investigativen Journalismus so wichtige Vertrauensverhältnis zu
seinen Quellen werde durch die "Big Brother"-Datenbank der britischen
Regierung wohl kaum unangetastet bleiben. "Das Vorhandensein einer
gewissen Vertrauensbasis ist in diesem Zusammenhang ein zentrales
Kriterium. Wird ein Informant während der Recherchearbeit des
Journalisten oder nach der Veröffentlichung einer Enthüllungs-Story
ausgeforscht, schreckt das auch potentielle zukünftige Hinweisgeber ab.
Auf diese Weise wird der investigative Journalismus dauerhaft massiv
behindert", erläutert Werner.
"Die Einrichtung einer Verbindungsdatenbank, die von
Sicherheitsbehörden und Geheimdiensten eingesehen werden kann, ist ein
lebensnotwendiger Schritt für Großbritannien. Nur so kann unser Land
die Fähigkeit zur Terrorbekämpfung weiter aufrecht erhalten", hatte die
britische Innenministerin Jacqui Smith vergangenen Oktober den erneuten
Überwachungsvorstoß der britischen Regierung gerechtfertigt.
Hintergrund der verstärkten Telefon- und Internetüberwachung sei die
Erkenntnis der Geheimdienste, dass Kriminelle und Terroristen sich
zunehmend des Webs und seiner Dienste bedienen, um unbemerkt
miteinander zu kommunizieren. Bei Oppositionspolitikern und
Bürgerrechtsgruppen haben die Überwachungspläne der Regierung bereits
im Vorfeld heftige Proteste ausgelöst. Der Regierung sollte es nicht
erlaubt sein, einen derart gewaltigen Datenspeicher zu errichten, um
ihre "Orwell’schen Pläne für die umfassende Datenhortung der privaten
Kommunikation" zu verfolgen, so der Standpunkt der Kritiker. (Ende)
Source: http://pressetext.at/news/090418003/journalisten-kritisieren-big-brother-datenbank