Verfassungsrat verlangt genauere Einsatzrichtlinien für die Elektroschockwaffe
[heise.de] Der französische Verfassungsrat, gerne auch die "Verfassungsweisen" genannt, hat gestern entschieden,
dass ein Dekret vom September 2008, unterzeichnet von der damaligen
Innenministerin Michèle Aillot-Marie, nicht länger gültig ist. Bei
diesem Dekret handelt es sich um die Ausweitung der
Benutzerberechtigten für die Elektroschockwaffe Taser. Bis dato stand
der Taser nur der Police Nationale zu Verfügung, ab dem 22. September 2008 durften dann auch die Bürgermeister, Chefs der Police Municipale, bei Taser International
bestellen. Einer der prominentesten Kunden, der Bürgermeister von
Nizza, Christian Estrosi, hat die 20 Elektroschockwaffen, mit denen
seine Polizisten seit Juli ausgestattet wurden, bereits sicherstellen lassen. Einige Bürgermeister sind mit der Entscheidung des Conseil d’Etat ganz und gar nicht zufrieden, wie der Figaro berichtet: Die Police municipale ist ohne Taser nicht ausreichend ausgestattet, klagen sie gegenüber der Zeitung.
Doch sie dürfen hoffen, dass ihre Investition von etwa 1000 Euro pro
Waffe nicht umsonst war: Denn der Verfassungsrat bemängelte nicht den
Einsatz der Waffe bei der Police Municipale an sich, sondern
dass der Einsatz nicht genügend formell geregelt ist: Es fehlen, so die
Verfassungsweisen genaue Vorschriften und Richtlinien darüber, wann und
wie die Elektroschock-Waffe eingesetzt werden darf. Bei der Police
National sei dies der Fall, bei der Bürgermeister-Polizei aber nicht.
Sobald also die genauen Einsatzrichtlinien formuliert und erlassen
sind, dürfen die Schränke mit den Tasern wieder geöffnet und auch die
neuen "weniger schmerzhaften" Taser-Geräte, wie Taser-Frankreich-Chef
Antoine di Zazzo betont, bestellt werden. Den Antrag auf Prüfung der beiden Dekrete beim Conseil d’Etat hatte die Menschenrechtsorganisation Raidh (Réseau d’alerte et d’intervention pour les droits de l’homme) gestellt – mit Raidh liegt Taser-France schon länger im Streit: siehe Können Taser-Schockwaffen gefährlich sein? und Die Taser-Spione von Paris.
Wie jedesmal, wenn es um die auch in der französischen
Öffentlichkeit umstrittene Elektroschockwaffe Taser geht, ist ein
Schuss Polemik dabei. Während di Zazzo darauf abhebt, dass der Conseil
den Taser selbst nicht kritisiert und nur eine strengere Regelurierung
für die Anwendung verlange, begründet
der Verfassungsrat die Notwendigkeit der genauen Regulierungen gerade
damit, dass der Gebrauch dieser Waffe "spezifische Gefahren" mit sich
bringe: "les particularités de cette arme d’un type nouveau imposent
que son usage, qui comporte des dangers spécifiques, soit précisément
encadré et contrôlé."
Thomas Pany