Die obersten Verfassungshüter Frankreichs haben das umstrittene Netzsperrengesetz "HADOPI 2" mit nur einer leichten Beanstandung bestätigt. Bürgerrechtler sind entsetzt, Kulturminister Frederic Mitterrand zeigte sich begeistert. Die Netzsperrenbehörde HADOPI soll nun Anfang 2010 in Aktion treten.
[futurezone.orf.at] Das französische Verfassungsgericht hat am Donnerstag das stark umstrittene Netzsperrengesetz "HADOPI 2" weitestgehend unbeanstandet passieren lassen. Das meldete die Pariser Tageszeitung "Liberation" unter Berufung auf das offizielle Gerichtsdokument.
Die Richter lehnten nur Artikel 6-II des Gesetzes ab. Dieser hätte den Rechteinhabern erlaubt, den Richter im Rahmen des Strafverfahrens dazu aufzufordern, Schadenersatzforderungen an den Beschuldigten zu erheben. Das ist aber eine zivilrechtliche Angelegenheit – es sei nicht erlaubt, beides zu mischen.
Die sozialistische Opposition hatte gegen das Gesetz, mit dem Schnellgerichte hohe Geldstrafen und Internet-Sperren gegen von der Medienindustrie identifizierte Filesharer verhängen dürfen, Rekurs eingelegt. Dieser ist nun gescheitert. Das Verfassungsgericht hatte im Juni in einer aufsehenerregenden Aktion die erste Version des Gesetzes in Teilen abgelehnt, weil darin Netzsperren ohne richterlichen Beschluss vorgesehen waren. Das war den Richtern als zu tiefer Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung erschienen.
Drakonische Strafen für Filesharer
Die eigens eingerichtete Überwachungsbehörde Haute autorite pour la diffusion des oeuvres et la protection des droits sur Internet (HADOPI) verschickt dabei zunächst zwei Abmahnungen an Nutzer, die verdächtigt werden, Urheberrechtsverletzungen begangen zu haben. Werden weiter Musik, Filme und andere geschützte Werke unautorisiert heruntergeladen, kann die Kontrollstelle vor Gericht ziehen. Neben der Sperre drohen den Beschuldigten eine Geldbuße von bis zu 300.000 Euro und eine maximal zweijährige Gefängnisstrafe.
Die Opposition kritisiert an dem Gesetz, dass auch Anschlussinhaber verurteilt werden können, die gar nicht für Urheberrechtsverstöße verantwortlich sind, weil diese ohne ihr Wissen erfolgten. Zudem warnt sie vor einer Schnelljustiz, da ähnlich wie bei leichteren Verkehrsdelikten nur ein Richter über die Fälle entscheiden soll. Eine Anhörung der Beschuldigten ist nicht vorgesehen. Außerdem werden die "Beweise" für Urheberrechtsverstöße von den Vertretern der Rechteinhaber selbst bei der Kontrollbehörde HADOPI abgeliefert.
Bürgerrechtler: "Schwache Entscheidung"
In einer ersten Reaktion vom Donnerstag bezeichnete die Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net die Entscheidung als "Niederlage für den Rechtsstaat". Das Gericht habe eine verachtenswert schwache Entscheidung getroffen und beim Schutz der Bürgerrechte im Internet versagt.
Das Gesetz wurde von Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy und seiner Partei UMP mit äußerster Konsequenz und stets hart am Rande des Verfassungsbogens durch die Institutionen gejagt. Mit seinem Wunsch nach Netzsperren für Urheberrechtsverletzer hatte Sarkozy auch monatelang den Abschluss des EU-Telekompakets verzögert.
Mitterand will Strafen konkretisieren
Kulturminister Mitterrand, der eigentlich gar nicht für das Dossier HADOPI verantwortlich zeichnet, begrüßte in einer Mitteilung vom Donnerstag die Entscheidung des Verfassungsgerichts. Diese eröffne nun die Möglichkeit, "innovative und pädagogisch korrekte Maßnahmen gegen die Piraterie im Internet" zu setzen. Vor allem begrüßte Mitterrand die Möglichkeit, die Strafen "einfach und schnell" auszusprechen.
Mitterrand kündigte an, demnächst vor der Nationalversammlung die Bedingungen zu präzisieren, unter denen die Richter die Schadenersatzansprüche der Rechteinhaber behandeln dürften, um den einzigen Kritikpunkt der Verfassungsrichter auszuräumen. Die Einrichtung der Anti-Piraterie-Behörde HADOPI könne nun gemäß Zeitplan fortgesetzt werden. Die ersten Warnungen sollen Anfang 2010 ausgeschickt werden.