Kosten für EU-Polizeidatenbanken steigen

[futurezone.orf.at] Die Entwicklung des Schengen-Informationssystems II, in dem die EU-Polizeibehörden Fahndungsdaten austauschen sollen, steckt fest. Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) führt die Probleme auf die Intransparenz seitens der EU-Kommission und mangelnde Kompetenz des Systemproviders zurück. Bisher haben die EU-Staaten bereits über 300 Millionen Euro für das System ausgegeben.

Fekter warnte vor einem "Schlamassel" bei der geplanten verbesserten EU-Polizeidatenbank für das Schengen-Informationssystem (SIS II) und dem europäischen Visa-Informationssystem (VIS). Nach der Sitzung der 27 EU-Innenminister in Luxemburg am Freitag zeigte sich Fekter im Gespräch mit der APA pessimistisch darüber, ob der Zeitplan tatsächlich eingehalten werden kann.

Scharfe Kritik übte sie neuerlich einerseits an der EU-Kommission, die bisher nur eine "Beschwichtigungsstrategie" gegenüber den Innenministern betriebe habe, andererseits auch am Systemprovider HP Steria, der es seit Jahren nicht schaffe, eine funktionierende Lösung vorzulegen.


Fekter wirft Kommission Intransparenz vor

Fekter betonte, es wäre besser, eine eigene IT-Agentur mit der Umsetzung von SIS-II und VIS zu betreuen. Die Brüsseler Bürokratie in der EU-Kommission agiere hier zu "lax". Eine IT-Agentur wäre ein "Kompetenzzetrum für IT-Expertisen für europäische Netzwerke, eine Art technischer und Management-Dienstleister, der für die Implementierung des Systems verantwortlich" wäre.

Die EU-Kommission hatte bereits im April angekündigt, eine Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Bereich "Freiheit, Sicherheit und Recht" – der "dritten Säule" der EU – gründen zu wollen. Diese soll für den Betrieb des SIS II, des Visa-Informationssystems und der zentralen Fingerabdrucksdatenbank für Asylsuchende (EURODAC) zuständig sein.

Was den Systemprovider betrifft, der seit Jahren mit der Sache beauftragt sei, hätten die bisher vorgelegten Tests nicht funktioniert. Zuerst überhaupt nicht, dann habe es eine Korrektur gegeben, auch das sei nicht ausreichend gewesen, und nun habe man "Meilensteine" mit "Echttests" beschlossen.

Dass bis Ende des Jahres diese Tests ausreichend positive Ergebnisse bringen, bezweifelt Fekter: "Die Experten sagen, dass die Hoffnungen für ein Alternativszenario derzeit größer sind." Zuletzt war im Gespräch, das bereits bestehende SIS funktionell zu erweitern. Die Innenminister seien aber auch mehrheitlich "aufgrund der Beschwichtigungsstrategie der Kommisison derzeit noch zurückhaltend". Sie wollten nicht "sagen, wir schreiben das alles in den Wind".

Millionen für Datenbankexperimente

Das hätte nämlich auch finanzielle Folgen. Fekter kritisierte auch die Vertragsgestaltung der Kommission mit dem Systemprovider. "Die sind nicht kooperativ mit den EU-Staaten, sie haben gleich Probleme mit dem Zeitplan gehabt und wollten den Juni dieses Jahres gar nicht akzeptieren, dann haben sie Geld gefordert, um den Zeitplan zu akzeptieren, nämlich 1,2 Millionen Euro, die die Kommission auch zugestanden hat, und sie haben noch dazu einseitige Ausstiegsstrategien für sich selbst festgelegt."

Daher werde man auch eine einseitige Vertragsgestaltung zu prüfen haben. Immerhin habe die Kommission insgesamt bisher 90 Millionen Euro ausgegeben, die Begleitkosten in den EU-Staaten hätten bisher 300 Millionen Euro betragen.

"Österreich liegt bei den Kosten mit vier Millionen relativ günstig." Auf die Frage, ob im Fall eines Abbruchs des Auftrags die Gelder in den Wind zu schreiben sind, sagte Fekter: "Nein, nicht ganz. Da sind ja auch Vorarbeiten für das Alternativszenario" drinnen. Außerdem werde man sich am Vertragsnehmer schadlos halten. Aber "die juristischen Folgen eines Scheiterns wären fatal". Dabei kritisierte Fekter neuerlich die Kommisison, die "bezüglich der vertraglichen Bestimmungen keinerlei Transparenz" gewähre.

Probleme mit der Visa-Datenbank

Allerdings gebe es auch Kritikpunkte an einigen EU-Staaten. Drei von ihnen hätten beim VIS ebenfalls erst ihre Hausaufgaben zu machen, so Fekter. Jedenfalls gebe es "große Zweifel", dass auch nach dem für 11. November geplanten VIS-Test der Zeitplan eingehalten werden könne und das Visa-Informationssystem im September 2010 operabel sein werde.

Auch EU-Justizkommissar Jacques Barrot verwies darauf, dass drei EU-Länder ihre eigenen Datensysteme erst in Ordnung bringen müssten. Barrot gestand zwar ein, dass es Probleme mit dem Systemprovider gebe, doch sei das "kein Grund, heute schon" SIS II abzuschreiben.

Kürzlich hatte Peter Hustinx, der oberste Datenschützer der EU, die Innenminister und die Kommission davor gewarnt, im Rahmen des Stockholm-Programms neue Datenbanken aufzusetzen. Bisher seien noch nicht einmal die zahlreichen Überwachungs- und Datenbankprojekte aus dem Haager Programm umgesetzt.

Source: http://futurezone.orf.at/stories/1630055/