Weitergabe von Swift-Bankdaten


EU-Minister sollen US-Schnüffelbefehl folgen

Name, Adresse, Bankverbindung,
Zahlungsverkehr: Die Justiz- und Innenminister der EU wollen in Kürze
entscheiden, ob US-Ermittler Daten der Unionsbürger abgreifen dürfen.
Ein SPIEGEL ONLINE vorliegender Abkommensentwurf sieht genau das vor –
Datenschützer sind alarmiert.

Hamburg – 14,7 Millionen Finanztransaktionen hat die
Genossenschaft Swift
der Banken abgewickelt – allein in diesem September. 91 Prozent des
Datenverkehrs kommen aus Europa, Afrika und dem Nahen Osten – darunter
sind auch alle Standardüberweisungen innerhalb der EU. Diese Daten soll
bald das US-Finanzministerium durchstöbern dürfen. Die Vertreter des
EU-Ministerrats für Justiz- und Inneres haben sich offenbar
abschließend auf ein Abkommen mit den USA zur Weitergabe der
Swift-Bankdaten geeinigt.

Das SPIEGEL ONLINE vorliegende Dokument listet auf 24 Seiten
detailliert auf, was an wen weitergegeben werden soll. Hintergrund:
Swift verlegt die Daten zu EU-Transaktionen zum Ende dieses Jahres von
der US-Datenbank auf Server in der EU.

Laut dem Abkommensentwurf haben sich Vertreter der EU und der USA
in mehreren Verhandlungsrunden im September, Oktober und November
dieses Jahres auf die Datenweitergabe geeinigt.

Die Anfragen der US-Behörden sollen so "eng wie möglich" definiert
sein, um die Menge der abgegriffenen Daten niedrig zu halten. Was mit
Transaktionsdaten gemeint ist, konkretisiert das Dokument:

 

  • Informationen über den Urheber oder Empfänger der Transaktion wie Namen, Kontonummer, Adresse
  • Nationale Identifikationsnummern (zum Beispiel Nummern von Ausweisen wie Pass oder Personalausweis)
  • weitere persönliche Daten

Wenn der Finanzdienstleister aus technischen Gründen nicht in der
Lage ist, "die Daten ausfindig zu machen, die der Anfrage entsprechen",
solle er alle "potentiell relevanten Daten" an die verantwortliche
Stelle in dem EU-Staat übermitteln, wo der Server steht.

"Gemeinsame Werte beim Datenschutz"

In mehreren Punkten verpflichtet das Abkommen das
US-Finanzministerium auf Datenschutzregeln – so sollen Daten (außer zu
Backup-Zwecken) nicht kopiert, nicht mehr benötigte Daten sollen
gelöscht werden. In fünf Punkten in einer Präambel des Papiers ist vom
Datenschutz ganz allgemein die Rede. So werden die in den Vereinigten
Staaten geltenden Gesetze zum Schutz gegen Missbrauch persönlicher
Daten aufgezählt und die "gemeinsamen Werte hinsichtlich des
Datenschutzes" der EU und der USA betont.

Ob das Datenschützer zufriedenstellt? Ende Oktober kritisierten die
Datenschutzbeauftragten der Länder die Weitergabe von Bankdaten an
US-Terrorfahnder. "US-Behörden würden Befugnisse eingeräumt, die in
Deutschland den Sicherheitsbehörden von Verfassung wegen verwehrt
sind", sagte der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix damals.

Der Abkommensentwurf für die EU-Minister schlägt ganz andere Töne
an. Darin heißt es zum Beispiel: Die EU und die USA erkennen an, dass
das "’Terrorist Finance Tracking Program‘ hilfreich dabei war,
Terroristen zu identifizieren und zu fassen" und dass es wertvolle
Hinweise liefere, die von "besonderem Wert für die Mitgliedstaaten der
Europäischen Union" sind.

EU-Ermittler sollen die Bankdaten abgreifen

Finanztransaktionsdaten und damit verbundene Datensätze, die auf
EU-Gebiet verarbeitet werden, sollen auf Anfrage dem
US-Finanzministerium zur Verfügung gestellt werden, um den Terrorismus
und dessen Finanzierung zu bekämpfen.

Wichtiges Detail dabei: Die im Rahmen der US-Anfragen
herausgegebenen Daten werden auch den Sicherheits- und
Antiterrorbehörden der EU-Mitgliedstaaten sowie Europol oder Eurojust
weitergegeben.

Die US-Ermittler sollen sich nicht an die EU, sondern direkt an den
Staat wenden, in dem die Server mit den Transaktions-Datenbanken
stehen: Zwar sei es der Verhandlungsauftrag gewesen, eine "Institution
zu schaffen, die die Anfragen der USA auf Herausgabe von Bankdaten
bearbeitet", allerdings habe sich im Lauf der Verhandlungen keine
geeignete Institution dafür herauskristallisiert. Nun sollen die
US-Behörden ihre Datenwünsche im Rahmen eines Rechtshilfeabkommens
direkt stellen. Dieses Abkommen soll spätesten Ende Januar 2011 durch
ein neues, langfristiges Abkommen abgelöst werden, über das noch
verhandelt werden müsse.

EU-Abgeordnete empört neben den Datenschutzbedenken das Vorgehen des
EU-Ministerrats: Die EU-Justiz- und Innenminister sollen dem Abkommen
bei ihrem Treffen am 30. November zustimmen. Einen Tag später wird der
EU-Vertrag von Lissabon in Kraft treten, der dem Parlament bei solchen
Abkommen mehr Mitbestimmung ermöglicht.

Abgeordnete sehen Affront gegen das EU-Parlament

Der EU-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht (Grüne) nennt die geplante
Verabschiedung des Abkommens deshalb einen "Affront gegen das
Europaparlament". Albrecht: "Damit zeigen die Regierungen, wie
vollkommen egal ihnen die seit Monaten hervorgebrachte Kritik an der
fehlenden Debatte über die Geltung der Grundrechte für Europas Bürger
im Ausland ist."

Wenn der Abkommensentwurf so wie er jetzt vorliege angenommen werde,
sei "unklar, ob EU-Bürgern ein adäquater Rechtsschutz bei der
Weitergabe ihrer Bankdaten zu Gute kommt. Es sei nicht ausgeschlossen,
dass hochsensible Informationen an Dritte und Drittstaaten
weitergegeben werden. Die Prüfungsrechte unabhängiger
Datenschutzbeauftragte würden nicht deutlich aus dem Abkommen
hervorgehen.

Das Bundesjustizministerium und das Innenministerium haben Anfragen
von SPIEGEL ONLINE über ihre Haltung im Ministerrat zu diesem Abkommen
bislang nicht beantwortet. Der vorliegende Entwurf des Abkommens könnte
vor allem für Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
ein Problem sein. Sie hatte 2007 erklärt:
"Es darf nicht mehr möglich sein, dass amerikanische beziehungsweise
staatliche Stellen im Allgemeinen auf Überweisungsdaten aus Deutschland
oder anderen Ländern zugreifen können."

Ob das nun geplante Abkommen mit den USA diesem Anspruch gerecht wird, erscheint fraglich.

Source: http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,660597,00.html

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