Datenschutz: Tauwetter zwischen EU und USA

OLIVER GRIMM

Das Swift-Abkommen naht und wird Europas Innenminister vor eine heikle Frage stellen. Es wird darüber spekuliert, ob und wie Europa ein eigenes „Terrorist Finance Tracking Programme“ auf die Beine stellen könnte.

[diepresse.com] Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird – auch in der Frage, wie man es im Kampf gegen den Terrorismus mit den Bürgerrechten halten soll. Am 11. Februar stimmte das Europaparlament gegen den Abschluss eines Abkommens mit Washington, mit dem das US-Finanzministerium auch künftig Zugang zu den Banküberweisungsdaten der belgischen Firma Swift erhalten kann, um diese bei der Suche nach Terrorpaten zu nutzen. Zu wenig Datenschutz, zu viele Befugnisse für die US-Behörden, meinten die Mandatare mit klarer Mehrheit. Washington reagierte mehr als verschnupft, und so mancher US-Vertreter war stinksauer über die geringe Bedeutung, welche die Europäer dem Terror beizumessen schienen.
 
Friede, Freude, Konsens suchen

Zwei Monate später herrscht eitel Wonne. „Es gibt noch Themen, die wir ausarbeiten müssen“, sagte US-Justizminister Eric Holder vergangene Woche in Madrid bei einem EU-US-Treffen in Sicherheitsfragen. „Ich bin zuversichtlich, dass er (der Datenaustausch, Anm.) in recht kurzer Frist wieder aktiv sein wird.“ Auch David S. Cohen, der zuständige Unter-Staatssekretär im US-Finanzministerium, macht freundliche Nasenlöcher. „Wir sind hoffnungsvoll, dass wir ein langfristiges Abkommen mit der EU verhandeln können, das sowohl wir als auch das Europaparlament annehmbar finden“, sagte er vor dem Washington Institute for Near East Policy.Noch vor dem Sommer könnte es ein neues Abkommen geben, das der US-Treasury unter strengen Bedingungen Zugriff auf die Daten gibt – und den europäischen Innenministerien weiterhin Zugang zu den Ermittlungsergebnissen, welche die USA mittels dieser Daten erzielen. Für die EU- Innenminister wirft das eine Frage auf, vor der sie sich bisher drücken konnten: Warum benötigen sie die Hilfe von CIA und Konsorten, um mit europäischen Banküberweisungsdaten Hinweise auf Terrorpaten zu sammeln, statt diese Daten selbst auszuwerten?

„Swift ist ein Weckruf an uns, wie absurd es ist, dass wir uns von den USA unabhängig machen wollen, indem wir mit Galileo ein eigenes Navigationssystem aufbauen – aber unsere persönlichen Daten voll und ganz den US-Behörden ausliefern“, brachte ein mit den Verhandlungen Befasster das Dilemma gegenüber der „Presse“ auf den Punkt.

Schon wird in Brüssel darüber spekuliert, ob und wie Europa ein eigenes „Terrorist Finance Tracking Programme“ auf die Beine stellen könnte (so heißt das US-Programm, auf dessen Basis die Swift-Daten analysiert werden). Man könnte die Niederlande damit beauftragen, wo der Swift-Datenspeicher steht. Man könnte auch Europol beauftragen oder Eurojust, das EU-System zur Zusammenarbeit der Justizbehörden bei der Verfolgung von Schwerverbrechern.

Sicher ist nur: Die Zeiten, in denen Europas Innenminister vor TV-Kameras gegen die USA poltern konnten und hintenherum wichtige Ermittlungshinweise gratis aus Washington geliefert bekommen haben, gehen dem Ende zu.

Source: http://diepresse.com/home/politik/eu/557838/index.do?_vl_backlink=/home/politik/eu/index.do