[wirtschaftsblatt.at] EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy will das im Zuge der
EU-Erweiterung eingeführte Monopol seiner belgischen Heimat auf
EU-Gipfel abschaffen und europäische Großveranstaltungen künftig wieder
in den anderen Mitgliedsstaaten abhalten. "Es wäre eine gute Idee, wenn
zumindest eine Großveranstaltung, etwa der Europäische Rat, in dem
Mitgliedsstaat stattfindet, der die rotierende Ratspräsidentschaft
innehat", sagte der belgische Christdemokrat am Dienstagabend in einem
gemeinsamen Pressegespräch mit Bundeskanzler Werner Faymann (S) in Wien.
So könnte etwa während der ungarischen Ratspräsidentschaft im
nächsten Jahr eine EU-Großveranstaltung in Budapest stattfinden, sagte
Van Rompuy. "Das wäre ein Symbol, dass Europa nicht nur Brüssel ist,
sondern die 27 Mitgliedsstaaten." Heuer werde sich das aber nicht mehr
ausgehen, räumte Van Rompuy ein: "Die nächste Präsidentschaft ist
Belgien. Wir werden in Brüssel bleiben müssen."
Der seit Jahresanfang amtierende Ratspräsident bekräftigte bei
seinem ersten offiziellen Besuch in Österreich auch den Vorschlag,
künftig öfter EU-Gipfel abhalten zu wollen. Die Staats- und
Regierungschefs würden nämlich gerne viele Themen im Europäischen Rat
erörtern, etwa zur Energie oder Arbeitsplatzsicherheit. "Mit vier
EU-Gipfeln im Jahr kann man dies nicht in zufriedenstellender Weise
tun", betonte Van Rompuy. In der Praxis gebe es aber ohnehin mehr
Gipfeltreffen. Seit September habe ohnehin jeden Monat ein EU-Gipfel
stattgefunden, sagte er mit Blick auf die Sondertreffen zu
EU-Personalia und zur Wirtschaftskrise. "Also erfinde ich nicht etwas
wirklich Neues."
Als die Priorität seiner Arbeit strich Van Rompuy die Erarbeitung
der neuen europäischen Wachstumsstrategie "Europa 2020" hervor. "Die
nächsten Jahre werden schwierig werden. Das Schlimmste der Rezession
ist vorbei, aber die Probleme bleiben", sagte er in Anspielung auf die
Strukturprobleme der europäischen Wirtschaft. Beim EU-Gipfel sei ein
zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekten ausgewogenes
Paket an Zielen beschlossen worden. Bis zum nächsten Gipfel im Juni
gehe es darum, diese EU-Ziele auf die nationale Ebene herunterzubrechen.
Konkret stellte sich Van Rompuy für eine Stärkung der
Finanzmarktaufsicht aus, um eine Wiederholung der Krise zu verhindern,
und unterstützt auch die Einführung einer Bankensteuer. Er verwies
darauf, dass Belgien während seiner Amtszeit als Regierungschef eine
entsprechende Steuer beschlossen habe. Für die Beschlussfassung auf
europäischer Ebene wolle er zunächst entsprechende Studien des
Internationalen Währungsfonds und der EU-Kommission abwarten. Im Juni
solle es dann beim EU-Gipfel eine Diskussion darüber geben. "Viele"
EU-Staaten seien für eine Finanztransaktionssteuer.
Zur auch von Österreich geforderten Stärkung der
EU-Grenzschutzagentur Frontex, die Kriminalität und illegale Migration
bekämpfen helfen soll, sagte Van Rompuy er sei sich "der Probleme der
Großkriminalität in Österreich und auch anderen Ländern bewusst".
"Europa muss enger zusammenarbeiten, um dieses Problem bekämpfen zu
können." Faymann und Rompuy, der vor den Journalisten auf Deutsch seine
Freude "über den Aufenthalt im frühlingshaften Wien" äußerte, wollten
diese Frage noch bei einem gemeinsamen Abendessen im Wiener Nobellokal
Plachutta erörtern, ehe der EU-Gipfelpräsident in den steirischen
Thermenort Loipersdorf weiterreisen sollte. Dort sollte er am Mittwoch
bei der ÖVP-Klubklausur die Eröffnungsrede halten.
Source: http://www.wirtschaftsblatt.at/home/international/wirtschaftspolitik/414952/index.do?_vl_pos=r.1.NT