Die EU will »Radikale« erfassen, bleibt aber mit Absicht vage in der Definition, wer damit gemeint ist. Ein Gespräch mit Matthias Monroy
Interview: Frank Brendle
Matthias Monroy ist Journalist mit Schwerpunkt europäische Polizeizusammenarbeit
Die EU bereitet derzeit eine Art Frühwarnsystem vor, das »radikale« Personen orten soll. Was ist da im Busch?
Der EU-Rat hatte schon im Frühjahr angeregt, verstärkt Datenbanken abzugleichen bzw. neu einzurichten, um »Radikalisierungsprozesse« zu erfassen. Das reiht sich ein in bisherige Überwachungsprojekte, wie etwa »check the web«, mit dem das Internet nach strafbaren Inhalten durchforscht wird, oder in Projekte zur Beobachtung islamistischer Gefährder.
Dabei gehen die Begriffe »terroristisch« und »radikal« fließend ineinander über. Ein vorgeschlagener Fragebogen unterstellt strukturelle Ähnlichkeiten zwischen Neonazis, »Linksextremisten«, Globalisierungskritikern und Islamisten. Werden damit nicht auch solche Bewegungen von der Radikalendatei erfaßt, die die EU selbst für gewaltfrei hält?
Das erinnert stark an die hiesige Debatte über den sogenannten Extremismus, wo ja auch alles in einen Topf gerührt wird. Die EU bleibt bewußt so vage, weil sie ein Werkzeug schaffen will, mit dem man abweichende Meinungen kontrollieren und eventuell bekämpfen kann. Die Radikalendatei ist ja als Versuch gedacht, Risiken vorherzusagen und auszuschalten. Dabei wird der Verdachtsansatz so breit wie irgendwie möglich angelegt. Zu den interessanten Daten gehört alles, was ein Persönlichkeitsprofil möglich macht, auch höchstpersönliche Angaben wie zum Sexualverhalten und zum Gesundheitszustand. Die Daten können aus öffentlichen Quellen stammen, aber auch aus heimlichen Observationen. (weiter auf jungewelt.de)