 Die Abwägung zwischen Ihrem Auskunftsinteresse und den  Interessen der verantwortlichen Stelle(n) an einer Geheimhaltung der  erhobenen Informationen hat mithin ergeben, dass Ihr  Informationsinteresse zurückstehen muss.
Die Abwägung zwischen Ihrem Auskunftsinteresse und den  Interessen der verantwortlichen Stelle(n) an einer Geheimhaltung der  erhobenen Informationen hat mithin ergeben, dass Ihr  Informationsinteresse zurückstehen muss.
(Aus einem Widerspruchsbescheid des BKA vom 30.03.2011)
Es ist bekanntlich nicht sonderlich schwer, als politischeR  AktivistIn in Dateien oder Aktenbestände der gut vernetzten europäischen  Polizeien und Geheimdienste zu geraten. Wenn es jedoch um eine genaue  Auskunft über die gespeicherten personenbezogenen Daten oder gar eine  Löschung geht, mauert der Schnüffelapparat bzw. schiebt die  Zuständigkeit/Verantwortung zwischen seinen Behörden hin und her. Die  folgenden Zeilen sollen an einem “Einzelfall” die abstrusen  Begründungszusammenhänge staatlicher Datenspeicherung deutlich machen.
Außerdem sollen sie den betroffenen Menschen Mut machen, das Recht auf  informationelle Selbstbestimmung weiterhin offensiv wahrzunehmen und  dafür auch vor bürgerlichen Gerichten zu streiten — selbst wenn der  persönliche Glaube an den so genannten “Rechtsstaat” längst  unwiderruflich erschüttert ist.
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Im Januar 2011 schickte ich ein vom Datenschmutz-Auskunftsgenerator  (URL) erstelltes Schreiben an das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden.  Darin verlangte ich Auskunft über die zu meiner Person dort  gespeicherten Daten. Am 24.02.2011 teilte mir das BKA schließlich mit,  dass in der INPOL-Verbunddatei “Innere Sicherheit” (vormals auch mit dem  Kürzel APIS bezeichnet) sowie in der Zentraldatei “BKA Aktennachweis  (BKA-AN)” Daten gespeichert sind. Im Rahmen des “Kriminalpolizeilichen  Meldedienstes in Staatsschutzsachen” hätte das BKA in Meckenheim  (Abteilung Staatsschutz) Mitteilungen über Sachverhalte aus Berlin  erhalten. Die dann folgenden Angaben bezogen sich einerseits auf ein  Ermittlungsverfahren anlässlich der Datenschutz-Demonstration “Freiheit  statt Angst” 2010, welches von der Staatsanwaltschaft bereits im Oktober  aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nach § 170 Abs. 2 StPO  eingestellt worden war, da überhaupt kein Straftatbestand nach § 113  StGB o.ä. vorgelegen hatte. Der zweite, interessantere Eintrag war in  der Antwort wie folgt beschrieben:
25.09.—02.10.2010, Brüssel
Mitteilung der belgischen Behörden vom 05.10.2010 über die Ingewahrsamnahme von 380 Personen zur Gefahrenabwehr im Zusammenhang mit der Durchführung des “No Border Camp” in Brüssel — neben einem Angriff auf eine Polizeistation in Brüssel wurden zahlreiche Sachbeschädigungen durch Graffiti begangen – das genaue Datum der Durchführung der Maßnahme wurde nicht mitgeteilt.Nach Aktenlage hat am 08.10.2010 eine Übermittlung an alle Landeskriminalämter, an das Bundesamt für Verfassungsschutz und an die Bundespolizei im Rahmen der Mitteilung der Ingewahrsamnahme während des “No Border Camp” in Brüssel stattgefunden.
Schließlich heißt es, dass unter Berufung auf § 19 Abs. 4 Nr. 1 BDSG eine weitergehende Auskunft abgelehnt wird. Die Abwägung zwischen dem allgemeinen Informationsinteresse an der Auskunft und “dem Interesse der speichernden Stelle an der Geheimhaltung der Information” habe erbracht, dass im konkreten Fall das Informationsinteresse zurückstehen müsse. Eine Standardfloskel wies zudem auf die Kontrollmöglichkeit durch “den Bundesbeauftragten für den Datenschutz” hin. Eine Datenübermittlung gemäß Prümer Vertrag soll nicht stattgefunden haben.
Übermittlungen und Spitzelei
Die Datenspeicherungen des BKA sind in vielerlei Hinsicht bemerkenswert  dreist: Einerseits wird darin den 380 in Gewahrsam genommenen Personen  quasi unterstellt, sie hätten mit dem Angriff auf eine Polizeistation  oder Sachbeschädigungen zu tun. Und das, obwohl die meisten  AktivistInnen bei der Ausübung ihres Grundrechts auf  Versammlungsfreiheit (Art. 11 EMRK) wahllos, willkürlich und teilweise  brutal von der Brüsseler Polizei festgenommen und in Gefängniszellen  gebracht worden sind. Andererseits wird eine genaue Angabe der  gespeicherten Daten aus angeblichen Geheimhaltungsgründen verweigert und  damit das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung mit Füßen  getreten.
Dass die von den belgischen Behörden übermittelten Daten sogar Eingang in verschiedene Verfassungsschutzberichte gefunden haben, zeigt ein Beispiel aus Hamburg:
Vom 25.09. bis 03.10.10 fand in Brüssel ein sogenanntes „No Border-Camp“ statt, in dem Antirassisten verschiedener europäischer Länder gegen die Migrationspolitik der Europäischen Union protestierten. Initiator dieser Camps ist ein europäisches Netzwerk und loser Zusammenschluss autonomer Gruppen sowie nichtextremistischer Flüchtlingsinitiativen. Es richtet sich gegen „die europäische Politik der Abschottung“ gegenüber Flüchtlingen aus anderen Kontinenten. Die Camps finden seit den 90er-Jahren zumeist an den Außengrenzen der EU statt (2009 z.B. auf der griechischen Insel Lesbos). Zu der vom Dachverband Europäischer Gewerkschaften organisierten „Eurodemonstration“ am 29.09.10 in Brüssel hatten neben nichtextremistischen Initiativen auch linksextremistische Gruppen aufgerufen und zur Teilnahme an einem „antikapitalistischen Block“ und zu „direkten Aktionen“ aufgefordert. Die Polizei nahm während der Demonstration zahlreiche Teilnehmer fest – unter ihnen auch fünf Hamburger Linksextremisten.
Und schließlich ist momentan noch vollkommen unklar, welche Informationen der LKA-Spitzel Simon Bromma gesammelt und weitergegeben hat. Bromma hatte beim No Border Camp u.a. wahrscheinlich Zugang zu den Namenslisten der verhafteten AktivistInnen.
Düstere Aussichten
Unmittelbar nach der Antwort des BKA bat ich den Bundesbeauftragten für  Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI) um eine genaue Prüfung der  Angelegenheit. Eine Antwort steht derzeit noch aus. Ein zeitgleicher  Widerspruch gegen die Ablehnung der weitergehenden Auskunftserteilung  blieb hingegen erwartungsgemäß erfolglos. Inhaltlich geht die Begründung  des BKA im Widerspruchsbescheid nicht über die bereits bekannten  Tatsachen hinaus. Lapidar heißt es, dass die Auskunftserteilung zu einer  “erheblichen Beeinträchtigung der Aufgabenerledigung der  verantwortlichen Stelle(n) führen” würde. Natürlich gibt es keine nähere  Information, worin denn die angebliche Beeinträchtigung konkret  bestehen soll.
Deshalb wurde gegen Ende April 2011 beim Verwaltungsgericht Wiesbaden eine Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland eingelegt. In einer ersten Stellungnahme des BKA gegenüber dem Gericht wird auf die laufende Prüfung des BfDI hingewiesen und indirekt mit der Einholung einer Sperrerklärung, d.h. der Verheimlichung von Informationen vor dem Gericht bzw. Prozessbeteiligten, gedroht. Hier zeigt sich dann die volle Widerlichkeit des polizeilichen Rechtsverständnisses.
Ein Gastbeitrag von FreundInnen
