Das BKA und die „troublemaker“

Schon seit längerem versucht das BKA in Europa die grenzüberschreitenden Austausch von Daten über sogenannte reisende „Gewalttäter“ (troublemaker) voranzutreiben. Jetzt hat es die wichtigste Datenbank zu diesem Thema, die Zentraldatei „Igast“ (International agierende gewaltbereite Störer) aufgelöst. Allerdings bedeutet dies nicht das Ende der Datensammlung und -weitergabe.

Bei Gipfelprotesten (in der EU) müssen Aktivist_innen bereits seit 2001 damit rechen, aufgrund fadenscheiniger Gefahrenprognosen ihr Recht auf Reisefreiheit und Meinungsäußerung azu verlieren. Umfangreiche Grenzkontrollen, (militarisierte) Sperrgebiete und vorab verhängte Reiseverbote oder Platzverweise waren und sind ein fester Teil der Repressionsmaßnahmen, die mit politischen Großereignisse einhergehen. Im Zuge des NATO-Gipfels in Straßburg/Kehl und des Klimagipfels in Kopenhagen im Jahre 2009 wurden vorab europaweit Datensammlungen bekannter „troublemaker“ an die örtliche Polizei übermittelt [1] [2].

Das BKA führte zu diesem Zweck seit 2003 die Zentraldatei Igast. Laut einer Antwort auf eine kleine Anfrage enthielt diese Datei am 10.08.2010 Daten über 1349 Personen, darunter auch eine unbekannte Zahl sogenannte Begleit- und Kontaktpersonen. Eine Differenzierung zwischen diesen und „echten troublemakern“ war anscheinend nicht möglich oder gewünscht. Nun brachte eine weitere kleine Anfrage die Erkenntnis, dass das BKA die IgaSt-Datei überraschenderweise aufgelöst hat.

Die Daten wurden jedoch keineswegs vernichtet, sondern lediglich in eine neue Datenbank, die sogenannte „PMK links z“ überführt. Des weiteren ließ man verlauten, dort wären nun 127 Personen als „potenziell gewaltbereite Störer“ gekennzeichnet. Weitere Details über die „PMK links z“ sind nicht bekannt, weder ihr Einrichtungszweck, noch der Umfang der enthaltenen Daten, der Datenüberführung aus der IgaSt oder sonstige „Aufnahmekriterien“. Es ist davon auszugehen, dass diese Umstrukturierung dazu dient, die Daten in einer für das BKA effizienteren Form zu verwalten, weiter zu verarbeiten oder international auszutauschen. Eine Anfrage über das neue Informationsportal „Frag den Staat“ versucht aktuell, mehr Details über die Datei ans Licht zu bringen.

Dass das BKA nicht daran denkt, seine Bemühungen um einen europaweiten stetigen Austausch von Daten einzuschränken, zeigt sich auch anhand eines aktuell laufenden Verfahrens. Einem/r Aktivist_in wurde in einer Antwort auf ein Auskunftsersuchen an das BKA mitgeteilt, dass das BKA Daten über die Teilnahme des/r Betroffenen am No Border Camp 2010 in Brüssel von der belgischen Polizei erhalten und gespeichert habe. Grund dieser Datenübermittlung war die vorläufige Ingewahrsamnahme von 380 Personen zur Gefahrenabwehr im Rahmen der Aktivitäten rund um das Camp.

Zu weiteren Details wollte sich das BKA auch auf Widerspruch nicht äußern. Mittlerweile läuft eine Klage gegen diese Datenübermittlung und die Verweigerung weiterer Auskünfte. Die kompletten Details zu dem Fall können hier nachgelesen werden.

Menschen, die das No Border Camp 2010 in Brüssel besucht haben und dort Personalienkontrollen oder anderen Repressionsmaßnahmen ausgesetzt waren, raten wir, per Auskunftsersuchen an das BKA herauszufinden, ob solche Datensätze über sie existieren und ggf. gegen eine solche Speicherung vorzugehen.

Am 15./16.10.2011 findet das dritte und vorerst letzte Aktionswochenende der 60 Jahre Geheimniskrämerei sind genug!-Kampagne statt. Diese richtet sich gegen die Datensammlungen und Präventionsfantasien des BKA und ruft dazu auf, kollektiv Einblick in die eigenen Daten zu nehmen. Ein Musterformular für Auskunftsersuchen kann hier individuell generiert oder hier heruntergeladen werden.

data:recollective

Source: http://de.indymedia.org/2011/10/317777.shtml