Von Apostolis Fotiadis und Claudio Ciobanu
Die Europäische Union will ihre Außengrenzen noch stärker gegen illegale Einwanderer abschotten. Diese Strategie verhilft den großen Sicherheits- und Waffenunternehmen zu neuen Gewinnen.
Die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen (Frontex) hat auf Anfrage bestätigt, dass sie Firmen dafür bezahlt, dass sie ihre Produkte nationalen Agenturen präsentieren, die als potenzielle Käufer auftreten. “Im Fall der Unternehmen ‘Lockheed Martin’, ‘FAST Protect AG, ‘L-3 Communications’, ‘FLIR Systems’, ‘Scotty Group Austria’, ‘Diamond Airborne Sensing’ und ‘Inmarsat’ wurden 30.000 Euro (Aufwandsentschädigung) gezahlt”, teilte Frontex per Email hat.
Insgesamt 13 Firmen und Konsortien, darunter auch ‘Israel Aerospace Industries’, ‘Thales’, ‘AeroVision, AeroVironment, ‘Altus’ und BlueBird’ beteiligten sich demnach im Oktober 2011 in der griechischen Stadt Aktio an einer Präsentation unbemannter Luftfahrzeuge (Drohnen) zur Überwachung der Küsten.
Laut Frontex bewegten sich die Zahlungen an die Firmen, mit denen deren Kosten für eine Beteiligung an der Präsentation gedeckt wurden, zwischen 10.000 und 198.000 Euro. Der in den USA ansässige Konzern ‘Lokheed Martin’, der französische Konzern ‘Thales’ und IAI aus Israel gehören zu den größten Herstellern von Waffen und Sicherheitsausrüstungen weltweit.
Wie bekannt wurde, hat Frontex bisher mindestens fünf weitere Vorführungen von Land- und Luftüberwachungssystemen organisiert – drei in Finnland, eine in Frankreich und eine weitere in der griechischen Stadt Alexandropoulis im vergangenen Oktober.
Mittelmeer und Nordafrika im Fokus
Die Präsentationen sind Teil der Vorbereitungen für den Start von ‘Eurosur’, dem europäischen System zur Überwachung der Außengrenzen. Damit soll die Zusammenarbeit zwischen den Grenzüberwachungsbehörden in den EU-Mitgliedsstaaten verstärkt werden. Zugleich soll eine Überwachung der Außengrenzen durch Frontex gefördert werden, um vor allem im Mittelmeerraum den Zustrom von Migranten aus Nordafrika zu kontrollieren.
Die Pläne sehen den Einsatz von Drohnen vor, um Boote mit illegalen Einwanderern im Mittelmeer zu orten. Eurosur ist eine der beiden wesentlichen Komponenten des neuen europäischen Grenzüberwachungssystems. Außerdem gibt es das Projekt ‘Smart Borders’ zur Umsetzung des sogenannten ‘Entry-Exit-System’ (EES), mit dessen Hilfe Personen mit abgelaufenen Visa aufgespürt werden sollen.
Zudem ist die Einrichtung des ‘Registered Traveller Programme’ (RTP) geplant, das bereits überprüften Einwanderern einen schnelleren Grenzübertritt ermöglichen soll. Zu diesem Zweck sollen biometrische Daten und ausführliche Informationen gesammelt und ausgewertet werden.
Ein Gesetzespaket zur Errichtung von Eurosur wurde Mitte November vergangenen Jahres von einem Ausschuss des Europaparlaments gebilligt. Die definitive Verabschiedung durch das Parlament und die Einwilligung des Europäischen Rats werden in Kürze erwartet. In der Zwischenzeit gehen die Vorbereitungen für Eurosur von der Öffentlichkeit unbemerkt weiter.
Die Präsentation von einsatzbereiter Ausrüstung war bereits ein bedeutsamer weiterer Schritt bei der Errichtung des neuen Grenzsystems. Im Zeitraum 2014 bis 2020 werden die EU-Staaten finanzielle Anreize aus Brüssel erhalten, um die entsprechende Ausrüstung einzukaufen.
Nach Schätzungen der EU-Kommission könnte Eurosur bis zu 338 Millionen Euro teuer werden. Die von der Heinrich-Böll-Stiftung 2012 veröffentlichte Studie ‘Grenzwertig: Eine Analyse der neuen Grenzüberwachungsinitiativen der Europäischen Union’, geht sogar von Kosten bis 874 Millionen Euro aus. Die EU-Kommission weist die höheren Schätzungen allerdings zurück.
‘Smart Border’ wird nach Einschätzung der Kommission zunächst voraussichtlich 400 Millionen Euro kosten. Hinzu kämen Betriebskosten in Höhe von jährlich 190 Millionen Euro.
Böll-Stiftung kritisiert verfrühte Bereitstellung von Zuschüssen
Laut der Studie der Heinrich-Böll-Stiftung hat die EU-Kommission bereits 1,1 Milliarden Euro für die Entwicklung von EES und RTP bereitgestellt, obwohl es bisher weder einen Gesetzentwurf noch eine grundsätzliche Einigung über die Einführung von ‘Smart Borders’ in der EU gibt. Vorgesehen sei, das Geld aus dem vorgeschlagenen EU-Fonds für Innere Sicherheit für den Zeitraum 2014 bis 2020 zu entnehmen, heißt es in dem Bericht.
Der Fonds für Innere Sicherheit soll im EU-Haushalt den bisherigen Außengrenzenfonds ersetzen. Dem Vorschlag der EU-Kommission zufolge würde der neue Fonds mit jährlich rund 4,6 Milliarden Euro bestückt. Zu seinen strategischen Zielen wird demnach die Finanzierung der Einführung von EES und RTP gehören, ebenso die Errichtung und der operative Betrieb von Eurosur, insbesondere durch “den Erwerb von Ausrüstung, Infrastruktur und Systemen in den Mitgliedsländern”.
Zudem soll auch das Einsatzpotenzial von Frontex dadurch ausgebaut werden, dass EU-Mitgliedsstaaten dazu aufgefordert würden, zusätzliche Finanzmittel im Rahmen ihrer Programme für Sonderausrüstungen bereitzuhalten. Diese könnten Frontex dann für gemeinsame Einsätze zur Verfügung gestellt werden.
Anfang Dezember gab das Europaparlament grünes Licht für den Fonds für Innere Sicherheit. Damit er in Funktion tritt, ist nur noch die Zustimmung des Europäischen Rats notwendig. Die Mitgliedsländer werden voraussichtlich im Februar abschließend über den nächsten EU-Haushalt entscheiden.