Fingerabdrücke sind bei Politikern ‚in‘ – aber es handelt sich um ein biometrisches Auslaufmodell
Wolfgang Schäuble will mit ihnen Waffen sichern, ab Jahresende erhalten die Bundesbürger einen neuen Personalausweis, indem sie auch ihre digitalisierten Fingerspuren hinterlassen können. Und die Ärzte sollen womöglich künftig elektronische Rezepte mit dem Abdruck ihres Fingers signieren.
[heise.de] Damit scheint die Politik einer Forderung von Felix Freiling nachzukommen: Der Inhaber des Lehrstuhls für Praktische Informatik I der Universität Mannheim hat bereits vor einem Jahr gemahnt,
mehr Aufwand in die Identifikation von Berechtigten zu stecken.
Ausdrücklich nennt Freiling auch die Biometrie. Und zu der zählen eben
auch die Fingerabdrücke. Insofern hätten Schmidt und Schäuble ja auch
mal was richtig gemacht, worauf wir an dieser Stelle ausdrücklich gern
hinweisen würden.
Würden! Wenn sie hätten! Wenn es da nicht so viele Fußangeln gäbe: In einer Studie im Auftrag des Bundesamtes für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI)
– einer Behörde, die Innenminister Wolfgang Schäuble unterstellt ist! –
wies die Hälfte der Testsysteme bis zu zehn Prozent der zu
kontrollierenden Personen fälschlich ab. Und: Zehn Jahre nach der
Abnahme scheinen viele Fingerabdrücke bereits ihr Haltbarkeitsdatum zu
überschreiten. In der Studie heißt es:
Auf Basis der gemachten Untersuchungen kann abgeschätzt
werden, dass sich die FRR (die fälschliche Erkennungsrate, Anmerkung
Datensalat) etwa verdoppelt, wenn der zeitliche Abstand auf 10 Jahre
anwächst.
Im Unterschied zu den Bürohengsten (und -stuten!) in Berliner
Ministerien schwingen Ärzte nicht nur Bleistifte, sondern arbeiten
praktisch – was mitunter fettige Finger nach sich zieht. Es würde mich
brennend interessieren, wie Fingerabdruckscanner auf die Bedienung
durch einen Finger reagieren, der kurz zuvor noch eine Salbe
aufgetragen hat. Oder: Wie viel Abdruck hinterlässt denn eigentlich ein
Finger im Einmalhandschuh? Vermutlich ähnlich wie bei Menschen, die –
wegen ihres hohen Alters oder jahrelanger schwerer Arbeit – keine Fingerabdrücke haben.
Spannend ist auch dieser Aspekt: Die Fingerabdruckscanner werden zertifiziert
und sind vermutlich dementsprechend teuer. Auf den Rechner des
Sachbearbeiters werden sie aber unverschlüsselt übertragen. Begründung:
Der Sachbearbeiter müsse die Qualität des Abdrucks prüfen. Der Sicherheitsberater Gunnar Porada ist sich sicher, dass er falsche Fingerabdrücke in seinen Ausweis bekommen könnte, wenn er dies wollte.
Aber alles das ist seit einem Jahr Makulatur. Genau genommen, seitdem die Fingerabdrücke des Innenministers auf dem Markt sind.
Bereits heute kann jeder Kriminelle so tun, als ob Wolfgang Schäuble
eine Straftat verursacht hat. Und jede auch noch so kluge Maschine wird
annehmen (müssen), dass es tatsächlich der Innenminister war.
Wer partout ein biometrisches Merkmal im Personalausweis unterbringen will, könnte es vielleicht mal mit der Handschriften
oder der Sprechererkennung probieren. Auch damit würde der Forderung
Felix Freilings nach verbesserten Identifikationssystemen entsprochen.
Der Sprechererkennung steht – so zumindest die Meinung des BSI noch eine große Zukunft bevor. Die Erkennung von Fingerabdrücken wird – nach Erkenntnis der sechs Jahre alten Studie – ihre Bedeutung verlieren.
Ich hätte da eine Bitte: Liebe Politiker, wärt Ihr so nett und achtet
darauf, dass Ihr die Abdrücke Eurer Griffel nicht auf Themen
hinterlasst, von denen Ihr nix versteht? Das wär‘ sehr nett!
Source: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30109/1.html