Future Security

[german-foreign-policy.com] Auf einer heute zu Ende gehenden
Konferenz präsentieren deutsche Rüstungskonzerne und Wissenschaftler
neuartige Repressionstechnologien zur Abschottung der EU-Grenzen gegen
Flüchtlinge. Zu den Instrumenten, die auf der hochrangig besetzten
Tagung "Future Security 2009" vorgestellt werden, gehört unter anderem
eine von EADS entwickelte "Behaviour Software" zur Erkennung
"auffälligen Verhaltens" etwa an Kontrollstellen. Weitere Schwerpunkte
sind der Schutz der öffentlichen Infrastruktur gegen Angriffe
feindlicher Kombattanten im Inland und die Absicherung der Handelswege
der deutschen "Exportnation". Verantwortlich für das Programm ist der
"Verbund Verteidigungs- und Sicherheitsforschung", der von der
staatlichen Fraunhofer-Gesellschaft ins Leben gerufen wurde. Er
versteht sich als "Staat und Wirtschaft gleichermaßen verpflichtet" und
kooperiert eng mit Militär- und Polizeidienststellen.

Wie der "Verbund Verteidigungs- und
Sicherheitsforschung" der staatlichen Fraunhofer-Gesellschaft mitteilt,
steht die am heutigen Donnerstag zu Ende gehende Konferenz "Future
Security 2009" in Karlsruhe (Baden-Württemberg) ganz im Zeichen der
kommerziellen Nutzung neuartiger Überwachungs- und
Repressionstechnologien. Vertreten sind neben Wissenschaftlern und
Ministerialbeamten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung
(BMBF) auch Generalbundesanwalt a.D. Kay Nehm, Mitarbeiter des
Verteidigungsministeriums (BMVg), des Bundeskriminalamts (BKA) und des
Technischen Hilfswerks (THW) sowie Repräsentanten deutsch-europäischer
Rüstungsunternehmen, darunter EADS und Rheinmetall.[1] Ihnen wurden
bereits bei der ersten "Future Security"-Konferenz 2006 von Seiten des
BMBF Fördergelder in dreistelliger Millionenhöhe zugesagt
(german-foreign-policy.com berichtete [2]).

Auffälliges Verhalten

Zu den neuartigen Überwachungs- und
Repressionstechnologien, die auf der Tagung präsentiert wurden, zählt
unter anderem eine von EADS entwickelte "Behaviour Software". Das
Computerprogramm ist in der Lage, menschliches Verhalten in Gefahr- und
Stresssituationen zu simulieren, und soll vor allem bei der
Grenzabschottung zur Anwendung kommen ("Behaviour Software Supported
Solutions for Airport and Border Security").[3] Die von der "Behaviour
Software" analog einem Videospiel generierten Charaktere ("Agents")
differieren hinsichtlich ihres Alters, ihrer Körpergröße und ihrer
physischen Konstitution und sind ebenso mit emotionalen Affekten wie
mit künstlicher Intelligenz ausgestattet. Ziel ist eine möglichst
realistische Darstellung größerer Menschenansammlungen, wie sie auf
Bahnhöfen und Flughäfen oder an Kontrollstellen anzutreffen sind. Die
mittels Simulation gewonnenen Erkenntnisse über menschliche
Handlungsweisen werden an Videoüberwachungssysteme übermittelt – damit
diese frühzeitig "auffälliges Verhalten" von Einzelpersonen oder
Gruppen erkennen und die Repressionsbehörden nicht nur alarmieren,
sondern auch instruieren können.

Nichtkooperative Szenarien

Passend dazu arbeitet das Fraunhofer-Institut für
Informations- und Datenverarbeitung (IITB) in Karlsruhe, das zu den
maßgeblichen Organisatoren der Konferenz "Future Security 2009" zählt,
nach eigener Aussage an der "Realisierung und Inbetriebnahme
informationstechnischer Komplettsysteme". Dabei befasst sich etwa das
"Geschäftsfeld Autonome Systeme und Maschinensehen" des IITB mit der
"automatischen Auswertung von Signalen bewegter bildgebender Sensorik"
in "nichtkooperativen Szenarien", wie sie beispielsweise bei einem
Massenansturm von Flüchtlingen auf Grenzkontrollstellen der EU
anzutreffen sind. Darauf basierend entwirft dann der Geschäftsbereich
"Interaktive Analyse und Diagnose" des Instituts "Lösungen für die
technisch unterstützte Analyse von Signalen und Bildern". Ziel sei die
Entwicklung "modellbasierte(r) Verfahren zur Entscheidungsfindung",
heißt es.[4]

Mobile Kontrolle

Das IITB ist nicht nur Teil des Fraunhofer-"Verbunds
Verteidigungs- und Sicherheitsforschung", sondern gehört auch dem von
dem Verbund initiierten "Innovationscluster Baden-Württemberg" an. Ein
Arbeitsschwerpunkt der darin zusammengefassten "wehrtechnischen"
Fraunhofer-Institute in Karlsruhe, Pfinztal und Feiburg ist laut einer
Selbstdarstellung die Entwicklung "intelligenter"
Überwachungseinrichtungen und "Sicherheitsleitsysteme", die sowohl den
Bedürfnissen des Militärs wie der Polizeibehörden entsprechen. Sie
sollen, wie es heißt, "überall dort zum Einsatz kommen, wo eine lokale,
kurzfristige Verschärfung der zivilen Sicherheitslage zu befürchten
ist". Explizit genannt werden Demonstrationen und Staatsbesuche. Im
Einzelnen gedacht ist an "mobile Zutrittskontrollsysteme", "flexibel
errichtbare Absperrsysteme", "hochauflösende, tag- und nachtsichtfähige
Überwachungssensorik" sowie an "lokale, selbstorganisierende
Breitband-Netzwerke zur Verbindung mobiler Einheiten" und "intelligente
Bildverarbeitungsalgorithmen" – "zur Entlastung der Einsatzkräfte".[5]

Marktpotenzial

Die Präsentation der entsprechenden
Forschungsergebnisse auf der diesjährigen "Future Security"-Konferenz
wird die Verbindung zwischen Fraunhofer-Gesellschaft und
Rüstungsindustrie weiter stärken – zumal die Entwicklung "intelligenter
Sicherheitssysteme" nach Darstellung des "Innovationsclusters" ein
"großes Marktpotenzial" in sich birgt.[6] Anwendbar ist die neuartige
Überwachungs- und Repressionstechnologie auch zum Schutz der
öffentlichen Infrastruktur gegen Angriffe feindlicher Kombattanten im
Inland und zur Absicherung der Handelswege der deutschen
"Exportnation", zwei weiteren Schwerpunkten der Tagung. So befasst sich
das hier präsentierte Projekt "AquaBioTox" des IITB mit der
"onlinefähige(n) Trinkwasserüberwachung auf Grundlage eines
biologischen Breitbandsensors mit automatischer Bildauswertung", da
großstädtische "Wassernetze", wie es heißt, ein "potenzielles
Terror-Angriffsziel" darstellten [7] (german-foreign-policy.com
berichtete [8]). Die von EADS entwickelte "Behaviour Software" wiederum
ermöglicht nicht nur die Kontrolle von Menschenansammlungen, sondern
auch die Steuerung des Schiffsverkehrs – nicht zuletzt an bedrohten
Seefahrtsrouten wie am Horn von Afrika.

[1] Fraunhofer Conference Future Security. 4th
Security Research Conference Karlsruhe. September 29th – October 1st
2009. Congress Center Karlsruhe, Germany (Programmheft)
[2] s. dazu Grenzenlose Sicherheit
[3] Fraunhofer Conference Future Security. 4th Security Research
Conference Karlsruhe. September 29th – October 1st 2009. Congress
Center Karlsruhe, Germany (Programmheft)
[4] Bundesministerium der Verteidigung: Forschen für Sicherheit und
Verteidigung von morgen. Einrichtungen und Institute mit
wehrwissenschaftlichem Forschungsauftrag. Bonn 2007
[5], [6], [7] Fraunhofer-Institut für
Kurzzeitdynamik/Ernst-Mach-Institut (EMI): Mehr Sicherheit durch
Hightech. Fraunhofer Innovationscluster Future Security BW. Freiburg
2008
[8] s. dazu Risikomanagement (I)
Source: http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57631