Gefängnis-Bus fängt die Illegalen ein
von Franco Vanni
[milano.repubblica.it] Man lässt die Ausländer ohne Papiere in einen Bus mit vergitterten Scheiben steigen: es ist der Bus, den man für die Ultras verwendet und für die Festsetzung zur anschließenden Identifizierung von Illgalen benutzt. Die Durchführung dieser Operationen wird von den Stadtpolizisten der Gruppe "Öffentliche Beförderungsdienste" durchgeführt, die zur Gewährleistung der Sicherheit in Bus und Straßenbahn eingerichtet wurden, de facto aber auf die Jagd auf den den Illegalen spezialisiert sind.
Dem Kommisar gefällt dieser Job: "Jungs, schnappt mir den, der im Gras versteckt ist, und ihr werdet mich glücklich machen", sagt er den Seinen. Der, der sich im Gras versteckt ist ein Nordafrikaner. Er ist kaum mehr als 20 Jahre alt. Er hat sich vom Haltegriff eines Stadtpolizisten befreit und hinter einen Strauch versteckt. Von dort, ist er wer weiß wohin gerannt. Am Ende eines ganzen mit Kontrollen zugebrachten Vormittags wird er der einzige Ausländer sein, der der Gruppe "Öffentliche Beförderungsdienste" entkommen ist. Das im Jahr 2000 von der Kommune zur Gewährleistung der Sicherheit in Bus und Straßenbahn auf die Beine gestellte Team hat sich seit dem vergangenen Jahr auf den Dienstbereich "Ingewahrsamnamen und Identifizierungen" spezialisiert. Konkret: die ohne Papiere angetroffenen Ausländer in spezielle Busse mit vergitterten Fenstern einsperren und diese anschließend identifizieren.
32 Beamte auf drei Schichten. Stadtpolizisten, die tun, was sie tun müssen, während die Männer der Atm (Mailändische Verkehsbetriebe, d.Ü.) Personen, die zum Nulltarif mitfahren mit Geldstrafen belegen. Straßenbahn um Straßenbahn, einen Ausländer nach dem Anderen. Gestern früh, als die Gruppe zum ersten Mal seit dem Start der Strafverfahren gegen die Illegalen, ist es gut gelaufen: 120 Strafzettel und zehn in die Zentrale verbrachte Ausländer. Man geht in Stellung, man verlangt von den Ausländern die Papiere und wenn diese keine haben, lädt man sie in den "Gefängnis-Bus". Es ist der gleiche Typ Bus, den man verwendet, um Ultras-Gruppen zum Stadium zu eskortieren. Die Beamten nennen den Bus "Stranamore" ("Strangelove", d.Ü.). "weil er an das Wohnmobil erinnert, in dem Alberto Castagna (Italienischer Talkmaster, d.Ü.) in den Neunzigerjahren Verliebten im TV weinen ließ", lacht ein Beamter.
Nach Operationsende, wird Stranamore auf dem Rückweg von vier Autos der Stadtpolizei begleitet, die mit läutenden Martinshörnern bei Rot über die Straßen fahren, um die Fracht zur Zentrale zu bringen. Als an der Haltestelle in der Via De Missaglia die – weiterhin laut Stadtpolizisten-Jargon – Tonnara (Fangnetz, wörtlich: Großfanganlage für Thunfische, d. Ü.) ausgelegt wird, ist es halb acht. Die Straßenbahn hält, die Beamten blockieren die Ausgänge. Als Ersten trifft es einen jungen Nordafrikaner. Er zeigt Kopien von Ausweispapieren vor, sie machen ihm Zeichen, er soll in den Bus steigen. Er tut es, ohne groß Geschichten zu machen. Dann ist ein Slave an der Reihe. Er sagt kein Wort, er holt die Hände nur kurz bevor er sich hinter den ersten Ingewahrsamgenommenen setzt aus der Hosentasche,. Die Fahrgäste in der Straßenbahn wohnen der Szenerie bei und kommentieren: "Warum handelt ihr denn so? Haben sie etwas angestellt?" Die Antwort: "Sie sind Illegale, liebe Frau".
Drei von zehn, die festgesetzt wurden, sind es überhaupt nicht, wie sich nach den Überprüfungen erst am Abend heraus stellen wird. Für sieben nimmt hingegen die Stranzeige wegen Illegalität ihren Lauf, ein einziger wird verhaftet: er hat die Abschiebeverordnung bereits in der Tasche, aus Italien hat er sich jedoch nicht weg bewegt. Im Bus, der um 10 Uhr morgens im Begriff ist, mit den Männern an Bord erneut los zu fahren, schlägt der eine oder der andere mit den Fäusten gegen die Scheibe. Andere verstecken ihr Gesicht zwischen den Knien. Eine weitere Frau bleibt stehen: "Ihr tut das Richtige" – sagt sie zu den Beamten – Im Kittchen müssen die sitzen, die da". Eine Frau will naiverweise von den Beamten wissen, wohin der seltsame Bus mit den Gittern an den Fenstern denn fährt. Sie setzt sogar an, um einzusteigen, der Stadpolizist jedoch, hält sie auf: "Warten sie auf die Straßenbahn, liebe Frau. Das ist besser".
Über die Teams gegen die Illegalen ist der Vizebürgermeister De Corato sehr stolz. "Es handelt sich um einen Dienst, der von dieser Task-force exklusiv geleistet wird" sagt er. "Der Verkehrsüberwachung (die traditionelle Aufgabe der Stadtpolizei, d.Ü.) , die 2900 Stadpolizisten obliegt, kommen keine Kräfte abhanden". Bei seiner Anpreisung der "Pumas" antwortet De Corato auf diese Weise auch auf die Vorwürfe, die ihm die Gewerkschaften der Stadpolizisten selbst gemacht haben, weil er unter Vernachlässigung der eigentlichen Aufgaben der Ghisa (der Statpolizist im mailändichen Dialekt, d.Ü.), wie etwa dem Entfernen von vor Einfahrten geparkten Autos, zuviele Uniformen auf die Sicherheitskampagnen umgelegt hat.
Eine Recherche von Repubblica Milano (mailändische Ausgabe der Tageszeitung "La Repubblica", d.Ü.) hat offenbart, wie die Kommandantur der Stadtpolizei – zur Befriedigung der Sicherheitspolitischen Initiativen von Palazzo Marino (Sitz der mailändischen Kommunalverwaltung, d.Ü.), wie die Bekämpfung von Bettlern und Straßenverkäufern ohne Lizenz – den Territorialabschnitten Faxmitteilungen sendet, in denen verlangt wird, die zur Bearbeitung von Bürgerbeschwerden abgestellten Teams auf solche Dienste "umzulegen". Im Befehl ist auch die Verpflichtung enthalten, "die Zahlen zu den durchgeführten Maßnahmen" zu liefern, auf deren Grundlage Palazzo Marini dann Pressemitteilungen erstellt. Und wenn die Stadpolizisten der territorialen Abschnitte nicht reichen, wir auf Überstunden zurück gegriffen: im Schnitt, 13000 Stunden im Monat, zu einem Preis von über 300000 Euro. "Wenn sich die Aufgaben der Stadpolizisten verändert haben, so nur deshalb, weil es das Gesetz vorsieht" – sagt De Corato – und es sind jedenfalls nur 150 von 3057 Stadtpolizisten, die sich in Mailand in Vollzeit mit Sicherheit beschäftigen".
Die Beschwichtigungen des Vizebürgermeisters genügen nicht, um die Unzufriedenheit der Stadtpolizisten zu besänftigen. Einige Gewerkschaftsgruppen drohen an, die für Samstag geplante, traditionelle Korpsfeier zu boykottieren. "Wir wissen nicht mehr, was denn unser Job ist, und auch nicht, wer über uns befiehlt", sagen die protestierenden Ghisas, nach dem der Kommandant Emiliano Bezzon im Juli entfernt wurde, weil gegen ihn im Rahmen von Untersuchungen der Justiz zu mutmaßlichen Begünstigungen von Nachtlokalen ermittelt wird.
29. September 2009
Source: http://milano.repubblica.it/dettaglio/articolo/1734491