Der deutsche Radarsatellit „Tandem-X“ ist fertig gestellt und hat seine Weltraumtauglichkeit in einer speziellen Testreihe bei der Firma IABG in Ottobrunn/München, beauftragt vom europäischen Raumfahrtunternehmen Astrium, unter Beweis gestellt. Am 11. Mai steht mit dem Flug vom Münchner Flughafen zum Weltraumbahnhof Baikonur/Kasachstan die erste große Reise des Satelliten an. Der Start ins All mit einer russischen Trägerrakete vom Typ Dnjepr soll am 21. Juni stattfinden, teilt Astrium weiter mit. „Tandem-X“ wie auch sein Zwilling „Terrasar-X“ ist in einer öffentlich-privaten Partnerschaft (PPP) zwischen dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Astrium GmbH in Friedrichshafen gebaut worden.
[suedkurier.de] „Tandem-X“ soll zusammen mit dem nahezu baugleichen, seit 2007 im All arbeitenden Satelliten „Terrasar-X“ innerhalb von drei Jahren die Datenbasis für ein bislang einzigartiges digitales Höhenmodell der Erde erfassen. „Tandem-X“ und „Terrasar-X“ bilden dazu ein Radar-Interferometer: Sie fliegen wenige 100 Meter voneinander entfernt in Formation und ermöglichen so zeitgleiche Aufnahmen des Geländes aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Das Satelliten-Duo soll die komplette Landoberfläche der Erde, das sind rund 150 Millionen Quadratkilometer, in einem 12-Meter-Raster (Straßenbreite) und einer relativen vertikalen Genauigkeit von besser als zwei Metern bestimmen, teilt Astrium weiter mit.
Zum Nachweis der Weltraumtauglichkeit führte die IABG umfangreiche Tests am Satelliten durch. Das Programm umfasste die Prüfung der elektromagnetischen Verträglichkeit, Thermal-Vakuum-Tests inklusive Sonnensimulation, Vibrationstests, Akustiktests sowie die Bestimmung der Masse-Eigenschaften des Satelliten. Eine Besonderheit im Zuge der Testkampagne stellte der so genannte „Boom-Release-Test“ dar. Dabei wurden die Schockbelastungen im Satellit untersucht, die durch den Ausklappvorgang der Antenne im Weltraum ausgelöst werden. Die Qualifikationstests führte die IABG in ihrem Raumfahrtzentrum am Standort Ottobrunn durch, welches zu den von der ESA koordinierten Testzentren gehört, teilt Astrium weiter mit.
Das PPP-Abkommen zwischen Astrium und DLR regelt unter anderem die Finanzierung und Datennutzung von „Tandem-X“. Demnach finanzieren die Partner den knapp 85 Millionen Euro teuren Satellit gemeinschaftlich: 59 Millionen Euro trage DLR, 26 Millionen Euro steuere Astrium bei. Das DLR entwickelt laut Astrium zudem das für die Mission notwendige Bodensegment und sei verantwortlich für die Planung und Durchführung der Mission, ebenso für die Steuerung der beiden Satelliten und die Erzeugung des digitalen Höhenmodells.
Die Nutzung der Daten für wissenschaftliche Zwecke werde vom DLR-Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme koordiniert. Die Anpassung des Höhenmodells an die Bedürfnisse kommerzieller Nutzer sowie dessen weltweite Vermarktung übernehme exklusiv die Infoterra GmbH (Friedrichshafen), eine 100-prozentige Astrium-Tochtergesellschaft.
Der entscheidende Vorteil der satellitengestützten Vermessung der Erde liegt laut Astrium in der Erzeugung eines weltweit einheitlichen, homogenen Geländemodells ohne Brüche an regionalen oder Ländergrenzen sowie Inhomogenitäten, die aus unterschiedlichen Messverfahren und zeitlich gestaffelten Messkampagnen entstehen. Hierbei spiele der Einsatz des Radars eine entscheidende Rolle, da es vollkommen unabhängig von Wetter und Wolken bei Tag und Nacht betrieben werden kann.
Das Verfahren ist laut Astrium derzeit konkurrenzlos und finde insbesondere in den USA erhebliche Beachtung. „Tandem-X“ sei ein Schlüsselprojekt zur Demonstration, zur Sicherung und zum Ausbau der deutschen Kompetenz und Wettbewerbsfähigkeit in der satellitengestützten Radartechnik.
Deutschland werde mit dem digitalen Geländemodell der Erde über ein attraktives und weltweit einmaliges Datenprodukt verfügen, welches – neben vielen wissenschaftlichen Anwendungsmöglichkeiten – zum Beispiel von Einrichtungen wie dem DLR-Zentrum für satellitengestützte Kriseninformation (ZKI) sowie Programmen und Initiativen wie GMES (Global Monitoring for Environment and Security) und GEOSS (Global Earth Observation System of Systems) und auch sicherheitsrelevanten Kooperationsabkommen genutzt werden könne.
Wie beim „Tandem-X“-Zwilling „Terrasar“-X sei die kommerzielle Vermarktung der Daten und daraus abgeleiteteter Produkte Teil des PPP-Vertrages zwischen Astrium und dem DLR. Die Astrium-Tochtergesellschaft Infoterra GmbH, die 2001 eigens zum Zwecke der kommerziellen Vermarktung von TerraSAR-X gegründet wurde, werde auch dafür verantwortlich sein, Kunden weltweit mit den „Tandem-X“-basierten Höheninformationen zu versorgen.
Seit Beginn des operativen Betriebes von „Terrasar-X“ Anfang 2008 habe Infoterra neben einer soliden Position am weltweiten Markt für Erdbeobachtungsdaten und -dienste auch ein Vertriebsnetzwerk mit mehr als 50 Partnern in 33 Ländern aufgebaut. Diese vielversprechende Geschäftsbasis werde genutzt, um die „Tandem-X“-Daten und -Produkte ebenso erfolgreich zu vermarkten.
Mit der neuen Zwillingssatellitenkonstellation „Terrasar-X/Tandem-X“ gewinne das Unternehmen eine einzigartige Datenquelle – Kunden aus Privatwirtschaft und öffentlicher Hand erwarteten bereits gespannt das neue Höhenmodell, das in Qualität, Genauigkeit und Abdeckung einzigartig sein werde, teilt Astrium weiter mit.
Die Anwendungsbereiche seien vielseitig und reichten von einer höheren Effizienz bei der Förderung von Öl, Gas oder Mineralien über eine verbesserte Kriseneinsatzplanung und Vorhersage der Auswirkungen in Katastrophenfällen bis hin zu einer gezielteren Vorbereitung von Verteidigungs- und Sicherheitseinsätzen. In allererster Linie sehen allerdings die Kartographie-Verantwortlichen in vielen Ländern der Welt einer verbesserten Höheninformation in den Standard-Kartenwerken entgegen.
„Tandem-X“ wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie in öffentlich-privater Partnerschaft (Public-Private-Partnership PPP) zwischen dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Astrium GmbH realisiert. Das primäre Ziel der „Tandem-X“-Mission ist die Erstellung eines globalen digitalen Höhenmodells. Bei einem Abstand von hundert Metern werden hierzu die beiden Satelliten „Tandem-X“ und der nahezu baugleiche „Terrasar-X“ das erste konfigurierbare SAR-Interferometer (SAR: „Synthetic Aperture Radar“) im Weltraum bilden. Ein leistungsfähiges Bodensegment, welches eng mit dem von „Terrasar-X“ verzahnt ist, erlaubt die Steuerung dieser komplexen Mission und vervollständigt das „Tandem-X“-System. Zur Abdeckung der gesamten Erdoberfläche soll ein dreijähriger Parallelbetrieb im Formationsflug absolviert werden.
Das DLR ist verantwortlich für die wissenschaftliche Nutzung der „Tandem-X“-Daten, die Planung und Durchführung der Mission, sowie die Steuerung der beiden Satelliten und die Erzeugung des digitalen Höhenmodells. Astrium hat den Satelliten gebaut und ist an den Kosten für die Entwicklung und Nutzung beteiligt. Wie bei „Terrasar-X“ ist die Infoterra GmbH, ein Tochterunternehmen von Astrium, verantwortlich für die kommerzielle Vermarktung der Daten.
Astrium, eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der EADS, ist spezialisiert auf zivile und militärische Raumfahrtsysteme. Im Jahr 2009 erreichte Astrium nach eigenen Angaben einen Umsatz von 4,8 Milliarden Euro und beschäftigte rund 15.000 Mitarbeiter in Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Spanien und den Niederlanden. Das Kerngeschäft gliedert sich in drei Bereiche: Astrium Space Transportation für Trägerraketen und Weltraum-Infrastrukturen, Astrium Satellites für Satelliten und Bodensegmente sowie Astrium Services für die Entwicklung und Lieferung von Sicherheits- und kommerzieller Satellitenkommunikation und Netzwerken, Equipment für Hochsicherheits-Satellitenkommunikation, Produkte und Dienstleistungen für Geo-Informationen sowie Dienstleistungen für Navigation.
EADS ist ein global führender Anbieter in der Luft- und Raumfahrt, im Verteidigungsgeschäft und den dazugehörigen Dienstleistungen. Im Jahr 2009 lag der Umsatz nach eigenen Angaben bei rund 42,8 Milliarden Euro, die Zahl der Mitarbeiter bei mehr als 119.000.