Die Nachricht klang plausibel: Google
erwäge den Einsatz ziviler Drohnen, um Google Earth mit noch detaillierteren Bildern zu würzen, hieß es in einem Bericht. Doch der Konzern dementiert ungewöhnlich deutlich.
[spiegel.de] In ihrer aktuellen Ausgabe vom Montag berichtet die „Wirtschaftswoche“, dass Google erwäge, zivile ferngelenkte Drohnen der deutschen Firma Microdrones einzusetzen, um hochauflösendes Bildmaterial für Google Earth zu produzieren. Eine solche Drohne habe das Unternehmen bereits in die USA geliefert, zitiert die „Wirtschaftswoche“ dessen Chef Sven Juerss: Er hoffe, bald Dutzende Drohnen dorthin liefern zu können. Juerss in der Wirtschaftswoche: „Wir haben gute Chancen, mit Google dauerhaft ins Geschäft zu kommen.“
Mit niedrigfliegenden Drohnen ließen sich prinzipiell erheblich detailliertere Aufnahmen generieren als mit den von Google bisher eingesetzten Satellitenaufnahmen. Deren Auflösung hat Grenzen, weil die zivile und kommerzielle Nutzung solcher Aufnahmen Auflagen unterliegt: Militärische Sat-Aufnahmen ermöglichen höhere Qualitäten. Es gäbe also durchaus Argumente für einen Drohnen-Einsatz zur Verbesserung des angebotenen Bildmaterials – denn Drohnen sind auch noch preiswert.
Doch Google dementierte die Nachricht am Montag auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE:„Wir suchen immer nach Wegen, um unsere Karten-Dienste wie Google Maps oder Google Earth zu verbessern“, kommentierte ein Sprecher des Unternehmens. „Als Teil dieser Bemühungen erforschen wir viele verschiedene Technologien, aber wir testen oder nutzen diese nicht.“
Was implizit bestätigt, dass sich Google mit einer Drohne befasst
haben könnte, andererseits aber dementiert, dass dies zu einer Nutzung
führen werde. Eines der üblichen Dementis, wenn Nachrichten als Gerücht
zu früh lanciert werden, bevor die entsprechenden Deals in trockenen
Tüchern sind? Auch dafür ist Google durchaus bekannt (siehe Kasten in
der linken Spalte). Doch diesmal dürfte die Sache anders liegen: Es gibt
auch gute Gründe gegen Drohnen im Maps- oder Earth-Einsatz.
Zwar weiß, wer sich auskennt bei Google Earth, dass es dort
hochauflösende Bilder zu finden gibt, die von Drohnen, Drachen oder
ferngelenkten Flugzeugmodellen geschossen wurden. Nicht viele, aber doch
einige wenige. Eines der prominentesten Beispiele ist die Aufnahme
einer menschenleeren Kiesgrube in Frankreich, veröffentlicht von einem
Unternehmen, um zu zeigen, was alles potentiell machbar wäre mit solchen
Drohnen – wenn es denn legal zu machen wäre. Das ist es aber derzeit
kaum irgendwo.
Auflagen verhindern Drohnen-Einsatz
Denn in den meisten Ländern der westlichen Welt fehlt die
Rechtsgrundlage für den Einsatz solcher Drohnen für diese kommerziellen
Zwecke. Zwar werden Drohnen in verschiedenen militärischen und
polizeilichen Kontexten in der EU durchaus erprobt, ihre Nutzung ist in
der Praxis nach wie vor aber durch enge Vorgaben eingeschränkt.
Selbst die Bundespolizei, die in Niedersachsen seit 2008 bei Gelegenheit zwei Drohnen erprobt,
hadert mit den „fliegenden Augen“.
Die geltende Rechtslage verhindere, dass die Dinger dürfen, was die
Fahnder eigentlich von ihnen wollen – und das betrifft nicht nur den
Schutz der Privatsphäre (siehe Video oben links).
So dürfen die Drohnen nach Angaben der Polizei in Deutschland nur
tagsüber fliegen, bei Windstille, nicht über Menschenmengen, dafür aber
ausschließlich in Sichtweite des Piloten, der mit einer Funksteuerung
und einem Laptop am Boden steht. Sie kann außerdem nur 15 Minuten lang
in der Luft bleiben und ihre Videokamera hat weder einen Zoom, noch
vermag sie Standbilder aufzunehmen. Und die Bilder können auch nicht in
ein Lagezentrum übertragen, sondern nur vor Ort angeschaut werden.
In der Praxis heißt das: Die niedersächsische Polizei-Drohne ist
zurzeit einsetzbar, wenn man eine statische Situation auf freiem Feld
aus der Luft filmen will, keine Fotos braucht, keine Detailaufnahmen
notwendig sind, wenn es windstill ist und sonnig, sich keine Menschen am
Boden bewegen, und wenn zumindest einer der sechs Beamten im Dienst
ist, die das fliegende Auge inzwischen steuern können.
Mehr wäre möglich
Es sind also vor allem sicherheitstechnische Auflagen sowie
Datenschutzauflagen, die den Einsatz hier verhindern und die technischen
Möglichkeiten einschränken dürften. In anderen Ländern wäre mehr
möglich,
namentlich in Großbritannien,
wo Observation des öffentlichen Raums seit langem so ausgeprägt
betrieben wird, wie sonst nirgendwo auf der Welt. Und nicht nur die
Briten setzen Drohnen beispielsweise zur Demonstrationsbeobachtung ein.
Doch das ist etwas anderes, als flächendeckend ganze Landstriche und
Städte fotografisch zu erfassen. Zwar wurde in Deutschland die generelle
Genehmigungspflicht für Luftbildaufnahmen 1990 abgeschafft. Nach wie
vor verboten ist aber sowohl das Fotografieren militärisch relevanter
Objekte und Manöver, als auch das Eindringen in die Privatsphäre einer
Privatperson.
Das entschied der Bundesgerichtshof recht kategorisch am 9. Dezember
2003. Unter Aktenzeichen VI ZR 373/02 urteilte der BGH in einem
Verfahren, bei dem es um die Offenlegung der Position einer
Prominentenvilla auf einer Mittelmeerinsel durch Luftbilder ging:
„Grundsätzlich stellt es einen Eingriff in die Privatsphäre dar, wenn
jemand unter Überwindung bestehender Hindernisse oder mit geeigneten
Hilfsmitteln (z.B. Teleobjektiv, Leiter, Flugzeug) den räumlichen
Lebensbereich eines anderen ausspäht.“
Genau dieses konstatierte Prinzip brachte Googles Street View zuletzt
in die Bredouille, weil der Dienst teils scharfe Bilder über „Zaunhöhe“
produzierte – nach deutschem Empfinden ein Einbruch in die
Privatsphäre. So sah das im März 2010 ein Rechtsgutachten des
rheinland-pfälzischen Justizministeriums: Alles, was Google über die
übliche Sichtschutzhöhe von zwei Metern hinweg fotografiert zeige, sei
nicht statthaft und müsse neu produziert werden. Auch der Schweizer
Datenschutzbeauftragte Hanspeter Thür argumentierte im November 2009 auf
dieser Linie: Die Kameras könnten Fotos über Zäune, Hecken oder Mauern
hinweg machen. Google-Nutzer könnten auf den Bildern deswegen sogar mehr
sehen als Passanten auf der Straße. Damit sei die Privatsphäre in
vielen Gärten oder Höfen „nicht mehr gewährleistet“.
Die Analogie stimmt nicht ganz, ist aber naheliegend: Was „Fassade“
zeigt, aber keinen klaren Blick auf private Details, wird tendenziell
toleriert, was ins Detail geht, nicht. Es würde wohl zu einer ähnlich
heftigen Kritik an Google Earth führen, wenn der Dienst den Menschen
nicht nur wie bisher aufs Dach, sondern per Drohne auch auf den
Kaffeetisch blicken würde. Noch eine Datenschutzdiskussion braucht
Google derzeit aber wohl nicht.
pat
Source: http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,710851,00.html