vom 18. bis 20. November 2011 in Frankfurt/Main
Wer hätte sich bei der ersten Konferenz im Dezember 2010 vorstellen können, dass kurz darauf der arabischen Frühling beginnen und wenige Monate später mit dem Sturz der Despoten das EU-finanzierte Wachhundregime in Nordafrika ins Wackeln geraten würde? Die Aufständigkeit im Maghreb inspiriert inzwischen die Krisenproteste in Südeuropa. Die Kämpfe gegen die Sparprogramme blitzen als transnationaler Aufbruch auf. Südlich der Sahara prägt jedoch die notgedrungene Rückkehr derjenigen, die im Krieg in Lybien zwischen die Fronten gerieten, die Situation. Und zugleich macht der Tod von über 2000 Boatpeople im Mittelmeer das Jahr 2011 zu einem der grausamsten in der Geschichte des EU-Grenzregimes. In Athen liegen Pogrome gegen MigrantInnen zeitlich wie räumlich nah neben den Massenprotesten gegen Regierung und Troika*. Angesichts hartnäckigen Widerstandes von Flüchtlingen und MigrantInnen und im Domino europaweiter Gerichtsentscheidungen musste auch das deutsche Innenministerium im Januar 2011 die Dublin-Abschiebungen nach Griechenland aussetzen. Doch der Abschiebeapparat läuft ansonsten weiter, verstärkt durch Frontex-gestützte Charterabschiebungen, gegen Roma Richtung Kosovo, gegen AfrikanerInnen nach Nigeria. Hinzu kommen Wahlerfolge rechtspopulistischer Parteien quer durch Europa – mit dem Breivik-Attentat in Norwegen als traurigem Höhepunkt.
Diese kurzen – hier auf Migration orientierten – Schlaglichter mögen genügen, um zu zeigen, wie widersprüchlich eine Bilanz der letzten Monate ausfällt. Unerwartete Aufbrüche und kalkulierte Katastrophen prägen gleichermaßen die globale Lage, die zu reflektieren wesentlicher Teil der zweiten antirassistischen Konferenz in Frankfurt sein wird.
Vision, Vernetzung, Verbreiterung lautete das dreifache (V-) Motto der gelungenen ersten Konferenz Ende letzten Jahres, an der sich bis zu 300 Interessierte und Aktive aus den unterschiedlichen Netzwerken beteiligten. Verschiedenste Initiativen stellten ihre Arbeit vor, gemeinsame Problemstellungen wurden ausgetauscht, neue Kampagnenpläne entwickelt. Seit Jahren zeichnet die antirassistische Bewegung eine beachtliche Kontinuität aus, und das gleichzeitig in lokal verankerten wie auch in transnational vernetzten Projekten. In Frankfurt wurde das Potential spürbar, das in dieser Vielfalt, in der Zusammensetzung, den Kontakten und Querverbindungen liegt.
An dieser positiven Erfahrung wollen wir mit der Folgekonferenz anknüpfen, erneut ist eine Mischung aus Plenas, Workshops und Worldcafes* in Vorbereitung. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund rasanter Umbrüche und Entwicklungen soll versucht werden, inhaltliche Debatten zu vertiefen und verstärkt die Frage der Vergesellschaftung unserer Forderungen in die Diskussion zu bringen. Der (im Vergleich zur ersten Konferenz) erweiterte Vorbereitungskreis wird das Programm entlang von 7 Schwerpunkten ausrichten. Um Anmeldungen wird unter der folgenden Adresse gebeten: conference(at)w2eu.net
Weitere Infos unter: http://conference.w2eu.net/
Programm
Freitag, 18. November
von 16 bis 18 Uhr
Ein Antira-Kompass zur Orientierung
Überblicksangebot für NeueinsteigerInnen mit Hilfe einer neuen Web-Plattform
von 19.30 bis 20.00 Uhr
Öffentliche Veranstaltung/Eröffnungsbeitrag:
Antirassistischer Jahresrückblick – Fragmente zu arabischem Frühling und subsaharischer* Krise, zu Flüchtlingskämpfen in Deutschland und transnationalen prekären Verbindungen…
von 20.15 bis 21.00 Uhr
Siebenmal Nein!
Pecha Kucha* – Bildervorträge zu den Schwerpunkten der Konferenz
No Border – No Lager – No Neocolonialism – No Sexism – No Deportation – No Racism – No Exploitation
Samstag, 19. November
von 9 bis 10 Uhr Frühstück
von 10 bis 10.30 Uhr
World-Cafes* zur Frage der Verbindungslinien der inhaltlichen Achsen
von 10.30 bis 13.30 Uhr
Arbeitsgruppenphase I
No Border
– w2eu.info: Webguide* für Flüchtlinge und MigrantInnen auf dem Weg durch Europa
– Resettlement*– Visakampagne – Freiheit statt Frontex: Forderungen und Kampagnen im Horizont der Bewegungsfreiheit
– „Fingers in Hungary“*- konkrete Dublin II*-Erfahrungen von Jugendlichen
No Lager
– Lageralltag: Erfahrungen von Flüchtlingen
No Neocolonialism
– “Fußballfeld des Westens”: Zum Verhältnis westlicher Länder zu Afrika
No Sexism
– Schnittstellen von Sexismus und Rassismus – Beschreibungsversuche als Diskussionsanstoß
No Deportation
– Last minute 1: Flüchtlinge verhindern ihre Abschiebungen
– Last minute 2: Wie UnterstützerInnen beitragen können, Abschiebungen am Flughafen zu stoppen
No Racism
– Sarazzin in Deutschland, Rechtspopulismus in Europa
– Antira-Netzwerke und Selbstorganisation – Solidarität oder „kalter Krieg“
von 13.30 bis 15 Uhr Mittagessen/Pause
von 15 bis 18 Uhr
Arbeitsgruppenphase II
Noborder
– Dublin II* muss weg!
– Wo ist unser „Platz“? – Arabellion* und Migration, mediterraner Aufbruch?
– Migrationskontrolle, Bevölkerungspolitik und Heteronormativität* am Beispiel der Heiratsmigration (Crossover* zu No Sexism)
– Selbstorganisierung von Abgeschobenen in Westafrika: Zwischen Neuorientierung und abermaligem Aufbruch…
No Lager
– Perspektiven der Anti-Lager-Kämpfe
– Wie sich Flüchtlingsfrauen selbst organisieren und sich in antirassistische Arbeit einbeziehen lassen (Crossover* zu No Sexism)
No Neocolonialism
– Frauenmobilisierung in Westafrika für Geschlechtergerechtigkeit (Crossover* zu No Sexism)
No Deportation
– Gemeinsamer Einstieg: Widerstand gegen Sammelabschiebungen
dann Aufteilung in AG 1 am Beispiel Nigeria: Gegen Botschaftsanhörungen und Frontex-Charter*
und AG 2 am Beispiel der Roma: Abschiebungen stoppen – Alle bleiben!
No Racism
– Kampf gegen rassistische Polizeigewalt (u.a. mit Bezug auf Oury Jalloh) und gegen rassistische Sondergesetze
– Reflektionen über Unterstützungsarbeit in der antirassistischen Bewegung
No Exploitation
– Undokumentiert streiken: praktische Anregungen nicht nur für den 1. März 2012
von 18 bis 20 Uhr Abendessen/Pause
von 20 bis 22 Uhr
Zwischen transnationaler Solidarität und gemeinsamen Kämpfen
Talkshow mit einer selbstorganisierten Abgeschobenen aus Mali, mit einem Afrique-Europe-Interact-Aktivisten aus Rostock, einem afghanischen Noborder-Aktivisten aus Lesbos/Berlin und einer w2eu-Aktivistin aus Hanau …
Sonntag, 20. November
von 9 bis 10 Uhr Frühstück
von 10 bis 11 Uhr
Plenum mit kurzem Überblick und Perspektivenfragen als Worldcafes
von 11 bis 12.30 Uhr
Arbeitsgruppenphase III: Wie weiter?
– Gemeinsames Projekt/Bündelungsmobilisierung/Nobordercamp 2012??
– Antira-Kompass als neues Medium der Verbreiterung und Vernetzung
– Workshop zur Mobilisierung gegen die IMK* im Dezember in Wiesbaden
– Landgrabbing*: Zuspitzung von Hunger und Klimawandel durch neokolonialen Landraub in Afrika (Kampagnenvorschlag von Afrique-Europe-Interact)
von 13 bis 14 Uhr Abschlussplenum
Glossar *:
No Border lasts forever: Ein Titel mit doppelter Bedeutung: Keine Grenze ist für immer & No Border Kämpfe gehen immer weiter;
Troika: Dreigespann von Internationalem Währungsfond, EU-Kommission und Europäischer Zentralbank;
subsaharisch: Länder südlich der Sahara wie z.B. Mali;
Pecha Kucha: Kurzweilige Vortragsmethode mit jeweils 20 Bildern;
World Cafes: Moderationsmethode, um in Versammlungen in kleinen Runden zu diskutieren;
Webguide: Leitfaden im Internet;
Resettlement: Neuansiedlung/Aufnahme von Flüchtlingen;
Fingers in Hungary: Registrierte Fingerabdrücke, die gemäß der Dublin II-Verordnung zur Rückschiebung nach Ungarn führen…;
Dublin II: EU-Verordnung zur Asylverteilung entsprechend der ersten Registrierung (durch Fingerabdruck oder Asylantrag);
Heteronormativität: institutionelle und gesellschaftliche Zwänge der Zweigeschlechtlichkeit;
Arabellion: Wortspiel aus Arabien und Rebellion angesichts der Kette von Aufständen in Nordafrika;
Crossover: Brücke zwischen zwei Themenschwerpunkten;
Frontex-Charter: Von der EU-Grenzschutzagentur koordinierte Sammelabschiebung;
IMK: Innenministerkonferenz, zweimal im Jahr in wechselnden Bundesländern, 2011 in Hessen;
Landcrabbing: Landaufkauf für Exportinteressen;
»no border lasts forever II«
KONFERENZ ZU BILANZ UND PERSPEKTIVEN ANTIRASSISTISCHER BEWEGUNG
18. bis 20. november 2011
frankfurt am main | universität
ffm-bockenheim, studierendenhaus/koz, mertonstr. 26 – 28
anmeldungen bitte bis 1.november 2011 an
kein mensch ist illegal | metzgerstr. 8 | 63450 hanau
e-mail: conference@w2eu.net | web: conference.w2eu.net
Wir bemühen uns um vorbereitete Übersetzungen ins Englische und Französische!