Pressemitteilung der Verteidigung im "mg"-Verfahren
[einstellung.so36.net] Am heutigen Tag wurde die Vernehmung des BKA-Zeugen Oliver Damm vor
dem Kammergericht fortgesetzt. Auf ausdrückliche Fragen der
Verteidigung nach der Urheberschaft eines veröffentlichten
Diskussionsbeitrages zu militanten Aktionen erklärte der Zeuge Damm
nicht zu wissen, wer den Text verfasst hat obwohl der Text von
Mitarbeitern des Bundeskriminalamtes stammt. Erst nachdem ihm sein
eigener Vermerk, der dem Gericht allerdings nicht vorliegt und aus dem
sich die Urheberschaft des BKA ergibt vorgelegt wurde, gab er zu, dass
dieser Text vom BKA stammt und dass es daneben noch einen weiteren
Beitrag des BKA in der so genannten Militanzdebatte gab.
Seit dem 25.09.2009 wird unseren Mandanten vom 1. Senat des
Kammergerichts der Prozess wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen
Vereinigung gemacht, mittlerweile also seit einem halben Jahr. Bereits
vor Beginn der Hauptverhandlung hat die Verteidigung gerügt, dass die
Akten unvollständig sind und die Bundesanwaltschaft (BAW) sowohl der
Verteidigung als auch dem Gericht eine Vielzahl von Akten vorenthält.
Unter anderem wurden fehlende Sachstandsberichte vom
Ermittlungsführer KHK Damm vom BKA bemängelt. Diese waren nach
Aktenvermerken nicht zu den Akten gelangt, weil sie angeblich „zu
umfangreich“ seien. Am 19.02.2009 vor der vom Gericht geplanten
Vernehmung des Zeugen Damm beantragte die Verteidigung erneut
Einsicht in diese Sachstandsberichte. Diese wurden kurze Zeit später
der Verteidigung zur Verfügung gestellt.
Diese Aktenbestandteile wurden vor der Übergabe an die Verteidigung offensichtlich vom BKA nur unzureichend kontrolliert.
Denn aus dem BKA-Sachstandsbericht vom 07.06.2006 ergibt sich nun,
dass das BKA im Rahmen der sog. „Militanzdebatte“* unter ausgedachtem
Namen selbst heimlich daran teilgenommen hat. Es findet sich im Anhang
4, wo jeder Beitrag der Militanzdebatte aufgeführt ist, hinsichtlich
eines Textes aus der Interim 611 vom 10.02.2005, der unter dem Namen
„Die zwei aus der Muppetshow“ veröffentlicht wurde, folgender Hinweis:
„Nur für die Handakte: Der Text wurde vom BKA verfasst und
an die Interim versandt, um eine Reaktion bei der „militante gruppe
(mg)“ zu provozieren und gleichzeitig auf die Homepage des BKA
(Homepageüberwachung) hinzuweisen.“
Dieser Anhang 4 findet sich bis auf obigen Satz
identisch in jedem anderen Sachstandsbericht. Die anderen Berichte sind
also offensichtlich gesäubert worden oder es wurden von vornherein
verschiedene Versionen produziert. Der BKA-Zeuge Damm hat in seiner
bisherigen Vernehmung vor dem Gericht diesen Text als einen allgemeinen
Beitrag bezeichnet und kommentiert. Er hat entgegen seiner
Wahrheitspflicht bewusst verschwiegen, dass das BKA dieses Schreiben
selbst verfasst hat.
Die sog. Homepageüberwachung wurde mittlerweile vom
Bundesinnenministerium als illegal eingestuft und das BKA angewiesen,
diese Methode nicht mehr anzuwenden (vgl. Der SPIEGEL von dieser Woche).
Das BKA manipuliert die Akten und enthält sowohl dem Gericht
als auch der Verteidigung Entscheidendes vor. Beim BKA und eventuell
bei der BAW werden parallele Geheimakten („Handakte“) geführt, welche
offensichtlich brisant sind. Spätestens jetzt kann der Prozess gegen
unsere Mandanten nicht mehr als faires Verfahren bezeichnet werden. Als
Konsequenz muss er eingestellt werden.
Der BKA-Text befindet sich im Anhang.
Rechtsanwälte Franke, Herzog, Hoffmann, Lindemann, Schrage und Rechtsanwältin Weyers für die Verteidigung
Kontakt: Rechtsanwalt Alexander Hoffmann 0171-3284816
*Im Rahmen der Militanzdebatte wurde über Sinn und Unsinn von
militanten Aktionen, der Taktik und Strategie des Einsatzes von
Militanz etc. per schriiftlichen Beiträgen diskutiert. Die Beiträge
wurden in der Regel in der Szene- Zeitschrift Interim veröffentlicht,
welche alle 14 Tage erscheint.
Anlage: BKA-Text aus der Interim 611 vom 10.02.2005, Seite 11