vom
18. Oktober 2007
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung
Der
3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschuldigten am 18. Oktober 2007 gemäß §
304 Abs. 5 StPO beschlossen:
Die Beschwerde des
Generalbundesanwalts gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des
Bundesgerichtshofs vom 22. August 2007 (1 BGs 417/2007) wird verworfen.
Der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 1.
August 2007 (1 BGs 366/2007) wird aufgehoben.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Beschuldigten hierdurch
entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe:
Der Generalbundesanwalt führt gegen den Beschuldigten ein
Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer
terroristischen Vereinigung. Auf seinen Antrag hat der
Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs am 1. August 2007 Haftbefehl
gegen den Beschuldigten erlassen, worauf dieser in Untersuchungshaft
genommen worden ist. Mit Beschluss vom 22. August 2007 hat der
Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den Haftbefehl unter Auflagen
außer Vollzug gesetzt; der Beschuldigte ist daraufhin aus der
Untersuchungshaft entlassen worden. Gegen den Beschluss vom 22. August
2007 wendet sich die Beschwerde des Generalbundesanwalts. Das
Rechtsmittel hat keinen Erfolg; vielmehr führt es zur Aufhebung des
Haftbefehls.
Auf die Beschwerde hat der Senat nicht nur den
Beschluss vom 22. August 2007, sondern auch den Haftbefehl vom 1.
August 2007 zu prüfen; denn die vom Generalbundesanwalt erstrebte
Wiederinvollzugsetzung des Haftbefehls ist nur zulässig, wenn die
Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft gegeben sind
(OLG Stuttgart NJW 1982, 1296, 1297). Dies ist indessen nicht der Fall.
Der
Haftbefehl ist auf den Vorwurf gestützt, der Beschuldigte sei Mitglied
der “militanten gruppe (mg)”. Bei dieser handele es sich um eine
gewaltbereite linksextremistische Vereinigung, deren Zwecke und
Tätigkeit auf die Begehung von Delikten nach § 305 a StGB (Zerstörung
wichtiger Arbeitsmittel), § 306 StGB (Brandstiftung) und § 306 a StGB
(schwere Brandstiftung) gerichtet seien und die seit dem Jahr 2001 eine
Vielzahl von Brandanschlägen begangen habe; der Beschuldigte habe sich
daher gemäß § 129 a Abs. 2 Nr. 2 StGB strafbar gemacht.
Die
Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls liegen nicht vor; denn
weder die bis zur Anordnung der Untersuchungshaft am 1. August 2007
noch die danach angefallenen Ermittlungsergebnisse begründen gegen den
Beschuldigten einen dringenden Tatverdacht im Sinne des § 112 Abs. 1
Satz 1 StPO. Ein solcher ist nur gegeben, wenn den ermittelten
Tatsachen entnommen werden kann, dass sich der Beschuldigte mit große
Wahrscheinlichkeit der ihm angelasteten Tat schuldig gemacht hat; bloße
Vermutungen genügen dagegen nicht (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. §
112 Rdn. 5 – 7 m. w. N.). Nach diesem Maßstab kann ein dringender
Tatverdacht gegen den Beschuldigten nicht bejaht werden.
Nach
Auffassung des Ermittlungsrichters und des Generalbundesanwalts folgt
der dringende Verdacht einer mitgliedschaftlichen Beteiligung an der
“militanten gruppe” maßgeblich aus mehreren Treffen des Beschuldigten
mit dem Mitbeschuldigten L. , die nach den Ermittlungen in
konspirativer Weise vereinbart und durchgeführt worden seien. L. sei
dringend verdächtig, als Angehöriger der “militanten gruppe” am 31.
Juli 2007 an einem versuchten Brandanschlag auf drei
Bundeswehrfahrzeuge beteiligt gewesen zu sein.
Durch die Ermittlungen wird belegt: Die Kontaktaufnahme zwischen den
beiden geschah über den E-Mail-Account “o @yahoo.de”. In dessen
Entwurfsordner speicherten (jedenfalls auch) der Beschuldigte und L.
beim Besuch von Internetcafés verschlüsselte Nachrichten, die vom
jeweils anderen beim Aufruf des Accounts gelesen werden konnten, ohne
dass sie als E-Mail verschickt werden mussten.
Ein
solches Vorgehen deutet zwar darauf hin, dass der Beschuldigte seine
Kontakte zu L. und die mit diesem zu besprechenden Themen geheim halten
wollte. Ohne eine Entschlüsselung der in den Nachrichten verwendeten
Tarnbegriffe und ohne Kenntnis dessen, was bei den – teilweise
observierten und auch abgehörten – Treffen zwischen dem Beschuldigten
und L. besprochen wurde, wird hierdurch eine mitgliedschaftliche
Einbindung des Beschuldigten in die “militante gruppe” jedoch nicht
hinreichend belegt. Dies gilt umso mehr, als der Beschuldigte
ersichtlich um seine Überwachung durch die Ermittlungsbehörden wusste
und daher ganz allgemein Anlass sehen konnte, seine Aktivitäten
innerhalb der linksextremistischen Szene, etwa eine Mitarbeit an der
Zeitschrift “radikal”, vor diesen zu verheimlichen.
Soweit
die Ermittlungsbehörden nunmehr – nach Erlass des Haftbefehls – gewisse
zeitliche Regelmäßigkeiten zwischen den Zugriffen auf den
E-Mail-Account und Aktivitäten der “militanten gruppe” (Anschläge;
Selbstbezichtigungsschreiben) ermittelt haben, ist dies nicht geeignet,
den Tatverdacht in erheblicher Weise zu verstärken; diese zeitlichen
Zusammenhänge sind nämlich gerade nicht durchgehend feststellbar,
sodass die Zugriffe auf den Account, die in zeitlicher Nähe zu den
Maßnahmen der Ermittlungsbehörden vom 9. Mai 2007 vorgenommen worden
sind, wieder auf andere Weise interpretiert werden müssen.
Auch die gelöschten Dateien auf der Festplatte des beim Beschuldigten
sichergestellten Laptops, die durch die Ermittlungsbehörden
zwischenzeitlich wieder lesbar gemacht worden sind, begründen einen
dringenden Verdacht gegen den Beschuldigten nur dahingehend, dass er an
den Veröffentlichungen der letzten Ausgaben der Zeitschrift “radikal”
mitwirkte und dabei auch mit Texten arbeitete, die einen direkten Bezug
zur “militanten gruppe” und deren gewaltbereiter Ideologie hatten. Eine
eigene Zugehörigkeit des Beschuldigten zu dieser Organisation wird
dadurch jedoch nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit belegt; dies gilt
insbesondere für die Annahme der Ermittlungsbehörden, der Beschuldigte
sei als verantwortliches Mitglied der “militanten gruppe” in die
Redaktion der Zeitschrift “radikal” entsandt worden.
Das
weitere Beweismaterial, das beim Beschuldigten und bei Mitbeschuldigten
sichergestellt werden konnte (insbesondere etwa die bei dem
Beschuldigten gefundene Ausgabe von “radikal”, in der eine Seite mit
der Anleitung zum Bau von Brandsätzen aufgeschlagen war), ist ebenfalls
weder für sich noch in Verbindung mit den sonst bisher vorhandenen
Beweisen geeignet, einen dringenden Tatverdacht gegen den Beschuldigten
dahingehend zu begründen, er sei Mitglied der “militanten gruppe”. Es
bestätigt zwar in hinreichender Weise seine linksextremistische
Einstellung, seine Einbindung in die entsprechende Szene im Raum Berlin
und auch seine Mitarbeit an den letzten Ausgaben der aus dem Untergrund
publizierten Szenezeitschrift “radikal”; es mag auch ein Indiz für
seine Gewaltbereitschaft liefern. Mehr als einen Anfangsverdacht, dass
der Beschuldigte selbst Mitglied der “militanten gruppe” sein könnte,
ergeben die bisher aufgedeckten Beweistatsachen indessen auch in ihrer
Gesamtheit nicht.
Der Haftbefehl gegen den Beschuldigten kann daher keinen Bestand haben.
Tolksdorf Miebach Becker