Die EU-Bilanz des Bundesinnenministeriums: Ein Raum der Überwachung und Kontrolle

Bild: Schäuble

Das
Bundesinnenministerium hat in Form einer dreisprachigen Broschüre die
Bilanz seiner Mitwirkung während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft
und die Ergebnisse der EU-Innen- und Sicherheitspolitik zusammengefasst.

Damit
nicht jeder die 47 deutschsprachigen Seiten lesen muss, hier die
markantesten “Erfolge” in der Bilanz des beendeten Arbeitsprogramms
“Sicherheit geht vor Freiheit” der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zum
Aufbau der europäischen Seite der “Sicherheitsarchitektur”:

Sicherheit (Überwachung und Kontrolle)

  • Überführung des Vetrages von Prüm in den Rechtsrahmen der EU:

Europaweiter Datenbank- und Informationsverbund, über den die Sicherheitsbehörden jedes EU-Mitgliedsstaats automatisiert auf DNA
und Fingerabdruck-Dateien sowie die Fahrzeugregisterdaten aller anderen
EU-Mitgliedsstaaten zugreifen kann. Beschleunigte Übermittlung von
Informationen zu Personen, die in nationalen Datenbanken als
“Terrorverdächtige” und “Gewalttäter” gespeichert sind.

  • Erweiterung
    der Befugnisse und Ausbau von Europol durch drei Änderungsprotokolle
    zum Europolübereinkommen und Überführung des Übereinkommens in den
    Rechtsrahmen der EU:

Über “gemeinsame
Ermittlungsgruppen” und “Analysegruppen”, die sich aus Beamten
nationaler Sicherheitsbehörden und Europol zusammensetzen, fließen
Daten aus Europol-Analysedateien in Datenbanken nationaler
Sicherheitsbehörden und umgekehrt. In den “Gruppen” arbeiten Vertreter
von Geheimdiensten und Polizeibehörden aus Nicht-EU Staaten mit,
namentlich der USA. Dazu ermächtigte
nationale Sicherheitsbehörden und Institutionen der Strafverfolgung
können direkt auf das Europol-Datenbank- und Informationssystem
zugreifen und Daten absaugen. Europols Arbeitsbereiche umfassen durch
Erweiterung des “Mandatsbereich” sowohl Terrorismus als auch alle
Formen der Schwerkriminalität. Die europäische Form der Aufhebung des
Trennungsgebots.

  • Verstärkte Überwachung des Internets bzw. Plattformen im WWW:

Durch Arbeitsteilungs- und Abstimmungsmechanismen zwischen nationalen Internet-Überwachungszentren (GTAZ und IMAS
in Deutschland), gegenseitigen Informations- und Datenaustausch über
die sogenannte “check the web” Plattform von Europol und informelle
“Expertentreffen”, auf denen die WWW-Plattformen analysiert/bewertet und neue Überwachungstechniken diskutiert werden.

  • Einrichtung der informellen hochrangigen beratenden Gruppe (Future Group):

Sie wird hinter verschlossenen Türen weitere Weichen für den “Raum der Überwachung und Kontrolle” stellen:

“Das
zweite Treffen der Zukunftsgruppe wird gleichfalls noch unter deutscher
Ratspräsidentschaft am 25. Juni in Brüssel stattfinden. Thematischer
Schwerpunkt soll die Verschmelzung von innerer und äußerer Sicherheit
sein. Geplant sind hierzu Diskussionen über allgemeine Rechtsgrundsätze
im Bereich Terrorismus und Sicherheit, den Ausbau der Zusammenarbeit in
Sicherheitsfragen mit Drittstaaten sowie einen ganzheitlicher Ansatz
bei EU-Missionen in Drittstaaten in Bezug auf eine bessere
Koordinierung des Einsatzes von Militär-, Polizei- und
Zivilschutzkräften” (Quelle).

  • Ausbau des Schengener Fandungssystems SIS und der “digitalen Grenzzäune” :

Anschluss aller neuen EU-Mitgliedsstaaten, in denen die technische Infrastruktur zur Teilnahme am SIS
aufgebaut wird. Europaweite Fahndung nach Kriminellen,
“Terrorverdächtigen” und unerwünschten Personen bzw. Verhinderung der
Ein- oder Ausreise über offizielle Grenzen.

Ab 2008 Einspeisung von Gesichtsbildern und Fingerabdruckdaten in SIS II mit der Möglichkeit für Sicherheitsbehörden, diese Daten direkt aus dem SIS II
abzurufen und darüber auszutauschen. Aufrüstung der “digitalen
Grenzzäune” über biometrische “automatisierte” Grenzkontrollen im
Binnenraum der EU und verstärkt an ihren Außengrenzen. Zusätzlich
europaweites “Alarmsystem” zur sofortigen gegenseitigen Information,
wenn die Ausweisung einer Person, die als “Terrorverdächtiger” oder
“Aufrufer zu Diskriminierung, Hass oder Gewalt” eingestuft wurde, in
einem Mitgliedsstaat ansteht, die Person aber noch nicht im SIS II gespeichert ist.

Einrichtung einer mobilen FRONTEX
Grenzschutz-Einsatztruppe aus 600 Grenzpolizisten und einem Pool aus
Flugzeugen, Helikoptern, Patrouillenbooten und weiterer
Überwachungstechnik, die flexibel und mit Eingreifbefugnissen
ausgestattet an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten eingesetzt werden,
die “erhöhte Versuche illegaler Migration” zu verzeichnen haben.

  • Rechtliche Grundlagen für EU-Visuminformationssystem (VIS) gelegt:

Beim VIS
handelt sich um einen weiteren EU-weiten Datenbanken- und
Informationsverbund, in den bereits bei der Antragstellung zur
Erteilung eines Visums in Botschaften der EU-Mitgliedsstaaten die
persönlichen und biometrischen Daten (Fingerabdrücke, Gesicht) der
Antragsteller eingespeist werden. Daneben enthält das VIS
Informationen zum Status eines Visumantrages. Alle Sicherheitsbehörden
der EU-Mitgliedsstaaten und Europol können mittels “neu geschaffener
Recherchemöglichkeiten zu Zwecken der Prävention, Aufdeckung und
Untersuchung terroristischer und sonstiger schwerwiegender Straftaten”
auf alle VIS-Daten zugreifen.

  • Anstoß
    und Ansätze zur Abschaffung der Anonymität und Errichtung eines
    Identifikations- und Authentifikations-Regimes für europäische
    Internetnutzer:

Die in unserer Präsidentschaft
bereits Anfang März durchgeführte Konferenz “Advancing eGovernment2007”
in Berlin hat dringliche Aufgaben der öffentlichen Verwaltung benannt,
um einen elektronischen Kommunikationsraum in Europa für die
Verwaltungen der Mitgliedstaaten zu realisieren: (…) ein
elektronisches Identitätsmanagement, das eine sichere Authentisierung
im Internet ermöglicht (…) Für die Zukunft wollen wir deshalb die
Verabschiedung europäischer Standards, insbesondere bei der
Onlineauthentisierung von Nutzern, vorantreiben. Dies wird ein
grenzüberschreitendes E-Government fördern sowie den
Identitätsmissbrauch im Internet bekämpfen.

Vorbild: Der deutsche E-Government 2.0 “Masterplan”.

  • In der Bilanz nicht enthalten:
    Neues Abkommen mit den USA
    zur Übermittlung von Flugpassagierdaten, die zwar in ihrem Umfang
    reduziert wurden, dafür aber für 15 Jahre dem Zugriff durch zahlreiche
    US-Geheimdienst- und Sicherheitsbehörden und der Speicherung in
    “Terror-Watch-Listen” ausgeliefert sind. Völliges Stillschweigen und halten zum Transfer der Bank und Überweisungsdaten europäischer Bürger in die USA über SWIFT
    und die dortige Durchsiebung mittels Data-Mining im Auftrag
    amerikanischer Sicherheitsbehörden, die durch lächerliche Safe Harbor
    Regelungen und Versprechen der USA beschränkt sein soll.

Freiheit

  • Datenschutzregelungen im Prümer Vertrag
  • Die
    Erhebung und Speicherung der Daten in den Datenbanken des “Europäischen
    Informationverbunds” und den Analysedatenbanken “wird den aktuellen
    Anforderungen an den Datenschutz gerecht” und “das Persönlichkeitsrecht
    der Bürgerinnen und Bürger Europas wird geschützt.”
  • Der
    “Rahmenbeschluss zum Datenschutz im Bereich der gesamten polizeilichen
    und justiziellen Zusammenarbeit in Europa” konnte “vorangebracht”
    werden.
  • Die “Zusammenarbeit beim Datenschutz” zwischen EU und USA wurde “vorangebracht”, denn “wir wollen, dass zukünftig alle EU-Bürger visumfrei in die USA einreisen können und seitens der USA im Datenschutz die von uns geforderten Standards eingehalten werden.”

Man könnte das Ganze und das Leitmotiv “Europa sicher leben” des Bundesinnenministeriums grafisch auch so zusammenfassen:
Europa sicher leben

“Wir
haben mit unserem Leitmotiv deshalb ganz bewusst die Interessen der
Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt der europäischen Innenpolitik
gestellt. Denn die Menschen müssen spüren, dass das gemeinsame Handeln
der EU ihrer Sicherheit, ihren Freiheiten dient, dass Europa einen
erlebbaren Mehrwert für sie hat.”

Aus dem Vorwort von Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble.

Quelle: http://blog.kairaven.de