Report “Verkettung digitaler Identitäten” untersucht die elementaren Zutaten für Privatsphäre in der Informationsgesellschaft
In
ihrem soeben veröffentlichten Report haben das Unabhängige
Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) und die
Professur Datenschutz und Datensicherheit der Technischen Universität
(TU) Dresden die wesentlichen Bausteine für Privatsphäre in der
vernetzten Welt unter die Lupe genommen: die „Verkettung digitaler
Identitäten“.
Hinter diesem abstrakt klingenden Titel stecken ganz konkrete
praktische Themen, die Menschen in ihrer Rolle z.B. als Bürger, Kunde,
Arbeitnehmer oder Internet-Nutzer bewegen: „Wo werden welche Daten über
mich erhoben? Wer kann sie miteinander verknüpfen, wo werden Profile
über mich erstellt? Wie lassen sich diese verketteten Daten auswerten?“
Der Report wurde im Auftrag und unter Förderung des Bundesministeriums
für Bildung und Forschung im Rahmen der Innovations- und Technikanalyse
erstellt.
Die Frage, inwieweit persönliche Informationen
verkettet werden können und sollen, betrifft die Basis des Konzeptes
„Datenschutz“ – oder genauer: des Schutzes der Privatsphäre der
Menschen. In unserer Informationsgesellschaft geschieht dies vor allem
über sog. „digitale Identitäten“. Diese finden sich beispielsweise in
Nutzerkonten bei Anbietern im Internet, in Kundendatenbanken von
Unternehmen oder auch in staatlichen Datenbeständen. Zu digitalen
Identitäten gehören auch Ordnungsnummern der Verwaltung, biometrisch
aufgenommene Merkmale wie z.B. Fingerabdrücke oder selbst flüchtige
Daten, z.B. die einem Gast eines Internet-Cafés zugeordnete IP-Adresse.
Mit ihnen lassen sich einzelne Datenspuren verketten und zu umfassenden
Persönlichkeitsprofilen oder persönlichen Historien verknüpfen.
Die Untersuchung des Themenfeldes durch das ULD
und die TU Dresden begann im November 2006 und endete mit der
Fertigstellung des Berichts im Oktober 2007. An dem Vorhaben arbeiteten
neben Juristen und Informatikern auch Betriebswirtschaftler, Soziologen
und Historiker mit, die das Thema im Report aus ihrer jeweiligen
Perspektive diskutieren.
Zu den wesentlichen Inhalten des 230
Seiten langen Berichts gehört die Bestandsaufnahme von Datensammlungen
und Verkettungsmöglichkeiten in Verwaltung, Wirtschaft und
Internet-Communities. Im technischen Teil werden Mechanismen zur
Verkettung vorgestellt, aber auch Maßnahmen, mit denen diese sich
verhindern oder einschränken lässt. Zudem wird die Problematik einer
nachträglichen „Entkettung“ aufgezeigt, die aus technischer Sicht kaum
zu garantieren ist. Vier Szenarien aus den Bereichen „Überwachung mit
Hilfe von Alltagsgegenständen“, „Internet-Suchmaschinen“, „Arbeitnehmer
und ortsbezogene Dienste“ sowie zum noch visionären „Ambient Assisted
Living“, in dem Menschen in einer Welt voller Sensoren in ihrem Tun
unterstützt werden, kombinieren die vorherigen Einzelbeobachtungen zu
lebendigen und gut nachvollziehbaren Praxisfällen. Darauf aufbauend
benennt der Report Handlungsempfehlungen und Bedingungen für die
Verkettung digitaler Identitäten. Die Bedingungen sollen
kontextabhängig im gesellschaftlichen Diskurs ausgehandelt werden und
zur Verbesserung der technischen Standards, Rechtsnormen sowie Best
Practices von Datenverarbeitern führen. Vorgeschlagen werden Maßnahmen
zur Erhöhung der Transparenz und des Verständnisses der Betroffenen,
zum Aufbau eines nutzergesteuerten Identitätsmanagements sowie zur
Qualitätssicherung. Diese Maßnahmen sollen hinsichtlich der Nutzung von
Informationstechnik vertrauensbildend wirken und für mehr Gerechtigkeit
und Grundrechtsschutz in der Informationsgesellschaft sorgen.
Der
Report zeigt auf, wie auch die Verkettung nicht-personenbezogener Daten
und die Erstellung anonymer Profile zu unerwünschten Folgen, z.B. zu
Diskriminierungen von Betroffenen, führen können. Er geht dabei über
das aktuelle europaweit harmonisierte Datenschutzrecht hinaus. Thilo
Weichert, Leiter des ULD: „Unser Report ist
der erste, der bereichsübergreifend die Verkettungsmöglichkeiten in
unserer Informationsgesellschaft darstellt und wissenschaftlich
analysiert.“ Das ULD führt den mit dem
Report angestoßenen Diskurs im Rahmen einer Arbeitsgruppe der
Europäischen Agentur für Netz- und Informationssicherheit (ENISA) mit
internationalen Datenschutzexpertinnen und -experten fort.
Der Report ist abrufbar unter https://www.datenschutzzentrum.de/projekte/verkettung/ und steht in Kürze auch als Buch zur Verfügung.