Kontaktschuld – Ein Genosse geht zum Verfassungsschutz

Manchmal googelt man in Zeiten der Abwesenheit von Gefahr und großer
Not vor sich hin. Und plötzlich trifft einen der Schlag: Auf der
Homepage des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) findet sich der
Name des von mir sehr geschätzten Genossen Klaus Holz. Und darin wird
er nicht als gefährlicher, fanatischer, unsere allseits geliebte
Demokratie bedrohender Extremist gebrandmarkt. Mitnichten. Genosse Holz
wird persönlich in einer Begrüßungsansprache vom BfV-Präsidenten Fromm
in der Sicherheitsakademie Hohenschönhausen fast schon herzlich als
„kompetenter Referent” adressiert. So steht es nachzulesen in einer
Broschüre dieser Institution unter dem Titel: Neuer Antisemitismus?
Judenfeindschaft im politischen Extremismus und im öffentlichen
Diskurs. Ein Symposium des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 5.
Dezember 2005.

Hier kann man einen Aufsatz des Genossen Holz unter der Überschrift
„Neuer Antisemitismus? Wandel und Kontinuität der Judenfeindschaft
nachlesen” (1). Darüber hinaus finden sich an diesem Ort Beiträge, die
von einem namentlich nicht aufgeführten Referenten unter dem Pseudonym
„Innenminister Dr. Wolfgang Schäuble”, dem Generalsekretär des
Zentralrates der Juden und zwei Wissenschaftsbütteln vom BfV stammen.

Ein paar Reflexionen nach dem ersten Schock

Genosse Holz kann als ein wirklicher Antisemitismusexperte gelten,
der sich auch nicht davor scheut, zuweilen auf eigene Kosten zu
irgendeiner Antifa-Initiative in Sowieso zu fahren, die ihn einlädt, um
sich mit seinen Sichtweisen auseinander zu setzen. Ich habe ihn seit
den frühen 90er Jahren mehrfach auf politischen Veranstaltungen erlebt
– das erste Mal als vortragender Genosse irgendwo im
alternativ-autonomen Milieu in Freiburg im Herbst des Jahres 1992. Ich
habe sie durch sein kenntnisreiches wie gediegenes Auftreten auch heute
noch in gewinnbringender Erinnerung. Ein paar Mal bin ich mit ihm und
Bekannten Drogen trinken gewesen – ein wirklich außerordentlich
sympathischer Genosse. Und nun hat er sich also gemeinsam mit
Bundesinnenminister Dr. Schäuble – ein „harter und böser Mann”
(Hans-Jochen Vogel) – auf ein Podium gesetzt, um – sicher nach
Begleichung der Fahrtkosten – in ziviler Weise über den Antisemitismus
zu parlieren. An dem Symposium, zu dem Genosse Holz in der am gleichen
Tag verbreiteten Pressemitteilung des BfV namentlich noch gar nicht
angekündigt worden war (2), sollen ca. 200 sorgfältig ausgewählte
Anwesende, darunter eine Vielzahl von Präsidenten der Landesämter für
Verfassungsschutz, ihre Vizepräsidenten, Staatssekretäre, Fahrer und
sonstige Subalterne usw. teilgenommen haben.

Die Presseresonanz in den überregionalen Tageszeitungen zu diesem
Ereignis kann dabei aus der Sicht des Veranstalters sicher als
zufriedenstellend gewertet werden. Allerorten kam die Message rüber,
daß Dr. Schäuble die couragierte Auffassung vertrat, den Antisemitismus
„unverändert, aber differenziert, zu bekämpfen” (3). Das finde auch ich
beruhigend. Denn eine gegenteilige Meldung, in der sich der amtierende
Innenminister dieses Landes in aller Öffentlichkeit für „eine Förderung
des Antisemitismus” aussprechen würde, hätte ich diesem wirklich sehr
übel genommen. Gut also, daß es hier noch nicht wieder soweit ist. Und
bei diesem schönen Ereignis hat nun Genosse Holz in der Form eines
Vortrages – und das kann der Genosse wirklich gut – gesungen und
getanzt, denn die höchsten Offiziere der Großinquisitionsbehörde
wollten einmal fröhlich sein – um hier einmal eine Volksweisheit aus
dem Mittelalter zu variieren.

„Da gehören doch die antideutschen Hexenjäger und Scharlatane vom
Schlage eines Rensmann, Brumlik oder Küntzel hin, – sofern die ohnehin
nicht schon für diesen Laden arbeiten -, aber doch nicht Genosse
Holz!”, habe ich mir zunächst spontan versucht einzureden. Doch als ich
an den Genossen Holz die erste „Was soll ich gegen diese Verleumdung
Deiner Person tun?”-Mail geschrieben hatte, war schon zu ahnen, daß er
wirklich dort gewesen war. Ein Anruf bei der BfV-Pressestelle, wo ich
eine Frau mit dem Decknamen „Mende” erreichte, informierte mich
darüber, daß eine Broschüre, in der sich der Beitrag von Holz befindet,
demnächst erscheinen werde.

In meiner zweiten Reaktion zirkulierten in meinem Kopf einige
Ausschlußphantasien. Immerhin bin auch ich während meines Engagements
im Berliner Sozialforum gegen das Hartz I, II, III, IV-Regime im
Verlaufe des Jahres 2004 bespitzelt worden. Und daß die vom BfV
ausgeschickten Spitzel den sehr präzisen Auftrag haben, jeden Protest
und Widerspruch gegen die unerträglichen herrschenden Verhältnisse
unwirksam zu machen, steht außer Zweifel. Das geringste also, den
besagten Genossen wegen seines BfV-Engagements sofort aus allen
Zusammenhängen der Linken auszuschließen. Doch hat er das durch seinen
Auftritt beim BfV nicht schon selbst getan? Dieser erste Reflex ist 1.
verständlich, und 2. politisch deshalb falsch, weil er nicht ganz frei
von bürgerlichen Reinigungsphantasien ist.

Welche Gründe, so frage ich mich, könnten unter den herrschenden
Verhältnissen eigentlich einen Auftritt beim BfV gerechtfertigt
erscheinen lassen? Zwei sind mir zunächst eingefallen:

1. Es wird einem von Beauftragten dieses Amtes schlicht eine
geladene Knarre an den Kopf gehalten, oder etwas allgemeiner
formuliert: Die Androhung von körperlichem Schmerz, sprich Folter.
Selbstverständlich muß man, wenn Leben und physische Unversehrtheit auf
dem Spiel stehen, alles tun, was die Auftraggeber von einem erwarten.

2. Man geht direkt in das Haus des Henkers und redet gleich von
Anfang an vom Strick. Dabei hätte sich das annoncierte Thema
„Antisemitismus heute?” für den intelligenten Genossen Holz ganz
hervorragend angeboten, um ein paar konzentrische Überlegungen
anzustellen, z. B.:

– zu der Geschichte des BfV, dessen Präsident mit der längsten
Amtszeit Hubert Schrübbers hieß. Der hatte zuvor als rühriger SA-Mann
agiert und sich dann als Oberstaatsanwalt am OLG Hamm in den 30er und
40er Jahren um den Schutz der Verfassung des III. Reiches verdient
gemacht. Seine Strafanträge sorgten dafür, daß Kommunisten,
Sozialdemokraten und Juden für Nichtigkeiten auf Jahre im Kerker
verschwanden. Doch noch einmal darauf angesprochen, beteuerte der
gewiefte BfV-Präsident, er habe seine Delinquenten vor der Gestapo
bewahren wollen. Der Jüdin Anna Neubeck nutzte Schrübbers Fürsorge
allerdings nichts. Auf seinen Antrag hin zu 2 1/2 Jahren Haft
verurteilt, weil sie „Geld und Nahrungsmittel für politische
Flüchtlinge” gesammelt hatte, wurde sie am 7. Dezember 1942 vorzeitig
aus der Strafanstalt entlassen und nach Auschwitz verlegt, wo sie
Neujahr 1943 „starb”, wie der SPIEGEL nobel zurückhaltend formulierte.
Vermutlich ist Schrübbers nach dem 8. Mai 1945 auf den Einfall
gekommen, es einmal als Demokrat zu versuchen. Und siehe da: Er hatte
damit Erfolg und amtierte als BfV-Präsident von 1955 bis 1972.
Schrübbers lange Berufsbiographie kann insoweit als die eines doppelten
Verfassungspatrioten – mal mit mehr, aber auch mit weniger
Antisemitismus – beschrieben werden. Ist denn nun diese für das
Gedeihen und Werden von wohl nicht wenigen Referatsleitern und
sonstigen Angestellten im BfV so bedeutsame Berufsbiographie schon
aufgearbeitet worden – wohlmöglich sogar kritisch? Genosse Holz hätte
hier bei seinem Auftritt entscheidende Hinweise geben können (4).

– zu dem ganz hervorragenden Engagement des VS-Spitzels Peter
Urbach, der die Brandbombe für den Anschlag auf das jüdische
Gemeindehaus am 9. November 1969 in Westberlin geliefert hat (5).

– zu den filigranen Auffassungen von Innenminister Schäuble, der
sich in einem noch 1998 wiederaufgelegten programmatischen Buch darüber
beklagte, daß sich in der BRD „ein unverkrampftes nationales
Bewusstsein und ein positiv ausgefüllter Begriff von Nation kaum (habe)
entwickeln” können, gleichzeitig vor einem „Europa (…) als eine(r)
Gemeinschaft der Krämer” warnte und für eine „Rückbesinnung auf unsere
nationale Identität” plädierte. Selbstredend glaubte Schäuble sich
dabei von denen abgrenzen zu müssen, „die die Geschichte verbiegen und
benutzen, um eben im Namen der deutschen Geschichte irreleitende
Tabu-Schilder aufzustellen”, und warb um „Verständnis” dafür, „dass
Nation eben auch Schutzgemeinschaft nach außen” bedeute. Und die
beschrieb er gleich in dem nächsten Satz in schwülstiger Prosa als eine
„emotionale Bindung, das verinnerlichte Ethos einer stets zur
Selbstbehauptung und Verteidigung der Freiheit bereiten
Schicksalsgemeinschaft” (6). Wer so schreibt, dem fällt es leicht, den
„Auschwitz als Moralkeule”-Einfällen eines Martin Walser in der
Paulskirche am gleichen Ort zu applaudieren. Steckt nun in den völkisch
camouflagierten nationalen Überlegungen des amtierenden Innenministers
nicht der Antisemitismus wie das Gewitter in der Wolke? Ich kenne
keinen besseren als Genossen Holz, der prädestiniert gewesen wäre, Dr.
Schäuble die beunruhigenden Schnittstellen zwischen Nationalismus und
Antisemitismus einmal direkt in die Visage hinein zu erklären. Es ist
schließlich sein Verdienst, diesen in der Geschichtswissenschaft
geflissentlich unterschlagenen Zusammenhang in einem dicken Buch
aufgedeckt zu haben (7). Es stellt die hermeneutische Analyse von
Texten in den Mittelpunkt, um die Sinnstruktur der antisemitischen
Weltanschauung zu dechiffrieren. Dem lesegeübten Genosse Holz wäre es
mehr als leicht gefallen, die markanten Passagen in dem Schäuble-Buch
mit einer entsprechenden Textinterpretation – und selbstredend völlig
frei von „irreleitenden Tabu-Schildern” -zu versehen.

– zu der nun schon jahrzehntelang währenden und sicher nicht immer
einfachen Unterstützungsarbeit des BfV und der Landesämter für
Verfassungsschutz (LfV) für den Kaderstamm der NPD. Herauszustreichen
wäre hier insbesondere die hervorragende Rolle der beiden Ultra-Spitzel
Wolfgang Frenz und Udo Holthusen, die mehrere Jahrzehnte lang mit
extensiver logistischer Unterstützung der Geheimdienstämter
antisemitische Propaganda vom feinsten, Pardon: vom rechten Rand
herstellen und vertreiben konnten (8). Und der Gedanke, daß Genosse
Holz bei seinem Auftritt seinen Vortrag einfach mal mit dem Hinweis in
die versammelte Runde eröffnet hätte: „Antisemitismus heute? Aber meine
Herren Verfassungsschützer, da kennen Sie sich doch eigentlich viel
besser aus als ich es je könnte! Laden Sie doch mal alle Ihre
langjährigen NPD-Mitarbeiter zu einem jour fixe ein! Über einen
Versammlungsraum in Ihrer Behörde, der weit über hundert Leute faßt,
werden Sie ja wohl verfügen, oder irre ich mich da?” bereitet mir
wirklich ein großes Vergnügen.

Ja, alles das hätte Genosse Holz bei seinem Auftritt in der
Sicherheitsakademie ansprechen sollen. Und dann noch, daß er das durch
seine Referententätigkeit auf dieser Veranstaltung eingestrichene
Honorar auf das Solidaritätskonto des Heidelberger Antifaschisten
Michael Csaszkóczy überweist, der aufgrund der fachkundigen Arbeit des
Landesamtes für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg von einem
Berufsverbot betroffen ist (9). Dabei hätte sich der methodische
Einwand, bei den oben aufgeführten Sacherhalten handele es
gewissermaßen um alte Kamellen, die thematisch doch gar nicht in Bezug
auf die Themenstellung der Tagung stehen, leicht kontern lassen: Wie
soll denn bitteschön ein „neuer Antisemitismus” qualifiziert werden,
wenn der alte noch gar nicht umfassend ausgeleuchtet ist?

Genosse Holz hätte sich dann nur nicht davor fürchten dürfen, daß
erstens nicht geklatscht und zweitens er nie wieder von dieser
honorigen Institution eingeladen werden würde. Doch das klingt alles
viel zu gut, um wahr zu sein. Schließlich gilt: Wer mit dem Teufel
Pudding essen will, braucht wirklich einen verdammt langen Löffel.

Nun, nach etwas längerem Überlegen, ist mir doch noch ein Grund für
einen konstruktiven Auftritt bei der Großinquisitionsbehörde
eingefallen: Vielleicht ist ja die Annahme richtig, daß es in diesem
Land nicht die geringste Aussicht darauf gibt, daß ein Kampf gegen den
Antisemitismus von unten geführt werden kann. Dann mag es richtig
erscheinen, sich mit dem eigenen Gehirnschmalz beim Ausschmücken der
seit dem 23. Mai 1949 in diesem Land herrschenden philosemitisch
grundierten Staatsreligion zu beteiligen. Alle Beteiligten dürfen hier
immer wieder von neuem die entsprechenden Sprechformeln einüben und
aufsagen. Wer sich dabei verquatscht, wie z. B. Möllemann und Hohmann,
wird auch schon mal politisch kalt gestellt. Die intellektuellen
Vordenker der Antideutschen haben dieses Problem schon lange
entschieden und sich entsprechend – wenn auch zuweilen getarnt mit
etwas Kommunismus-Klimbim – in den Verfassungsbogen
der herrschenden Verhältnisse eingeordnet. Insoweit könnte es bei dem
Auftritt des Genossen Holz bei der Großinquisitionsbehörde darum
gegangen sein, in Sachen Anti-Antisemitismus als Staatsreligion vor
allem mit Antideutschen in das Rangeln um den staatlichen Geldsack
einzutreten. Und auch angesichts des Bundeswehrmachtengagements an den
Grenzen des Staates Israels zum Zwecke des „Schutzes” der in dieser
Region lebenden jüdischen Bevölkerung wird der staatliche
Beratungsbedarf in Sachen Philo- und Anti-Anti-Semitismus ohnehin noch
immens wachsen.

„Wir bei den aktuellen Neuarrangements”

Genosse Holz hat darauf verzichtet, unter Verweis, sagen wir: auf
die kranke Hauskatze seinen Termin beim BfV abzusagen. Was hat er denn
nun auf jener Tagung der Dunkelmänner genau mitgeteilt? Überhaupt: Es
gibt sowieso kaum etwas Schöneres für einen Referenten, als daß man
sich in aller Öffentlichkeit mit seinen Inhalten wie natürlich auch der
Form, wie und wo er vorträgt, auseinandersetzt. Und das gilt besonders
für eine so schwerwiegende Problematik wie die des Antisemitismus. Wer
Genossen Holz ein wenig kennt, weiß, daß es in seinem Sinne ist, diesen
Abgrund wirklich nach allen Seiten zu reflektieren.

Liest man nun in dem Tagungsband seinen Aufsatz, so sucht man darin
die oben von mir skizzierten Überlegungen (Schrübbers, Urbach, Dr.
Schäuble, NPD) zwar vergeblich. Gleichwohl findet sich darin eine ganze
Reihe von gelehrten Passagen. So widerspricht er dort der Annahme, daß
man es heute „mit einem neuartigen Antisemitismus” zu tun habe,
stattdessen würden lediglich seine „hergebrachten Strukturen (…) an
die veränderte weltgeschichtliche Lage angepasst” (S. 33). Danach
handelt der Autor in drei Kapiteln sowohl den „islamisierten” wie den
„antizionistischen Antisemitismus” und die „neue Eintracht im
Ost-West-Konflikt” ab. Zutreffend erscheint mir seine Zurückweisung der
nach dem Massenmord vom 11. September 01 popularisierten „Clash of
civilisations”-These zu sein, in der „der eine oder andere
Antisemitismuskritiker (meint), im Antisemitismus einen Wesenzug
muslimischer Identität (…) identifizieren zu können” (S. 51). Genosse
Holz beharrt zu Recht darauf, daß es sich bei dem islamistischen
Antisemitismus „zumindest in den grundlegenden Mustern – um einen
Import des europäischen handelt” (S. 50). Allerdings erst ganz zum
Schluß seines Beitrages – und systematisch nicht weiter ausgeführt –
werden von ihm die „fünf attraktivsten Elemente eines zukünftigen
Antisemitismus: Täter-Opfer-Umkehr, Tötungswunsch, jüdisches Geld,
Antiamerikanismus, Feindschaft gegen Israel” mit öffentlichen
Einlassungen von etwas bekannteren Persönlichkeiten dieses Landes wie
z. B. Martin Walser, Jürgen Möllemann, Roland Koch, Gerhard Schröder,
Hertha Däubler-Gmelin, Jamal Karsli verknüpft (S. 53). Das sind sehr
gute Überlegungen, machen sie doch etwas sichtbar, was Hannah Arendt in
ihrer Analyse der Praxis des Antisemitismus einmal als „zeitweiliges
Bündnis zwischen Mob und Elite” beschrieben hat. Die Frage aber, ob
Genosse Holz diese doch in das kulturelle Herz jener Versammlung von
Elitenunterstützern treffenden Betrachtungen in Anwesenheit u. a. von
BMI-Chef Schäuble direkt auch so vorgetragen hat, läßt sich nicht
beantworten. Denn er hat lediglich eine „überarbeitete Fassung” eines
bereits publizierten Artikels aus einer anderen Zeitschrift in der
diesbezüglichen Publikation des Bundesinnenministeriums freigegeben (S.
30).

Lösen die referierten Passagen zunächst meinen Widerspruch nicht
aus, so hat mich doch das in der freigegebenen Fassung mehrfach
verwendete „wir” in Form der direkten Adressierung an die Anwesenden im
Raum außerordentlich befremdet. „Wir bei den aktuellen
Neuarrangements”, lautet in diesem Zusammenhang die instruktivste (S.
52). Das bedeutet ja nichts anderes, als daß sich Genosse Holz noch
einmal nachträglich mit den höchsten Geheimdienstoffizieren der
Republik in einem programmatischen Sinne gemein gemacht. So muß alles,
was man zunächst konstruktiv an dem vorliegenden Beitrag geneigt ist,
wohlwollend zu interpretieren, verstanden werden als die Forderung an
die zuständige Fachbehörde nach noch mehr Überwachung, Spitzelei und
präziserer Denunziation. Was ist das für ein trostloses Leben!

Klaus Holz, ein bislang kritischer Wissenschaftler, hat hier als
Mensch, als politisches Wesen, eine falsche Entscheidung getroffen.
Sein Löffel, mit dem er probierte, gemeinsam mit dem Teufel Pudding zu
essen – das wird er vielleicht mittlerweile selbst so sehen -, war
einfach nicht lang genug. Seine Entscheidung hat ihm Beifall von der
falschen Seite – so z. B. eine freundliche Rezension seines jüngst
publizierten „lehrreichen Buches” in der Welt (10) -, weitere
freundliche Angebote von den Organen der staatstragenden Intelligenz,
so z. B. der ZEIT (11), und möglicherweise etliche andere Folgeprobleme
eingebracht. Eine intelligente Analyse ist zwar überall wahr, auch bei
einer Tagung des BfV, jedoch hat der Kontext Einfluß auf die
illokutionäre Kraft der jeweiligen Wahrheit. Und er hat Einfluß auf
den, der sich dazu verführen läßt, jeden auch noch so vermachteten
institutionellen und sozialen Kontext als gleich geeignet anzusehen, um
dort zu erzählen, was er als Wissenschaftler zu sagen hat. Die
Wahrheiten, die er als Intellektueller und Wissenschaftler zukünftig
erarbeitet, werden an Kraft einbüßen, selbst wenn die kritische
Analysefähigkeit von Klaus Holz von den Angeboten derer, die einen
Schlauen wie ihn gut instrumentalisieren können, nicht getrübt wird.
Denn noch so kluge Sätze sind nichts ohne die Kohärenz der Person, die
sie sagt.

MARKUS MOHR

(1) In der Internet-Fassung (www.verfassungsschutz.de/download/SHOW/symp_2005.pdf)
ist der Beitrag von Klaus Holz auf den Seiten 15-25 nachzulesen.
Mittlerweile werden die Beiträge des BfV-Symposiums in Form einer
Broschüre „im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums
des Innern” kostenlos vertrieben: Bundesministerium des Innern /
Referat IS3 (Hg.), Neuer Antisemitismus? / Judenfeindschaft im
politischen Extremismus und im öffentlichen Diskurs, o. O. (Berlin) o.
J. (2006) (Artikelnummer: BMI06323). Hier scheint weniger Platz als im
Internet gewesen zu sein, so daß sich der textidentische Beitrag von
Holz nunmehr auf den Seiten 30-53 findet, nach denen auch zitiert wird.

(2) Pressemitteilung des BfV, Köln vom 5.12.2005, Internet: www.verfassungsschutz.de/download/SHOW/me_051205_pressemitteilung.pdf

(3) Die Welt vom 6.5.2005, Internet: http://www.welt.de/data/2005/12/06/813598.html

(4) Vgl. Der SPIEGEL vom 24.1.1972: Nichts Unsittliches; Der SPIEGEL vom 31.1 1972: Mißglückter Schutz.

(5) Vgl. Tilmann Fichter: Verfassungsschutzer hallen APO zu kriminalisieren, in Der SPIEGEL vom 27.10.1980.

(6) Wolfgang Schäuble: Und der Zukunft zugewandt. Vollständige,
aktualisierte Taschenbuchausgabe. Berlin August 1998. Das Buch wird
zuweilen bei Ebay für einen Euro verkloppt. Die im Text referierten
Zitate finden sich in der Reihenfolge auf den S. 217, 200, 197, 214 und
217.

(7) Klaus Holz: Nationaler Antisemitismus/Wissenssoziologie einer Weltanschauung. Hamburg 2001.

(8) Vgl. Martin Dietzsch, Alfred Schobert: V-Leute bei der NPD –
Geführte Führende oder Führende Geführte? (Diss-Studie). Duisburg Juli
2002, Internet: dokmz.akdh.ch/interaktiv/download/npd-studie.pdf. Aber
auch: Ingrid Müller-Münch: Argwohn eines Spitzels / NPD-Aktivist Frenz,
der als V-Mann das Verbot zu Fall brachte, will von den Schlapphüten
eine Entschädigung, in Frankfurter Rundschau vom 6.11.2003.

(9) Michael Csaszkóczy hat in Heidelberg für den Erhalt eines
autonomen Jugendzentrums gekämpft und antifaschistische Stadtrundgänge
initiiert. Im Frühjahr 1999 beging er den weiteren Fehler, gegen den
grün-roten Kosovo-Krieg Stellung zu beziehen. Und der wurde bekanntlich
mit Hilfe der noch von den alten Wehrmachtseinheiten inspirierten
Gebirgsjägertruppen nach Auskunft des damaligen Außenministers zur
Abwehr eines zweiten Auschwitz geführt. Auch das blieb dem zuständigen
LfV nicht verborgen, so daß gegen Csaszkóczy aufgrund der filigranen
Erkenntnisse dieser Behörde ein Berufsverbot als Lehrer verhängt worden
ist. Der bislang nicht zu einem Symposium des BfV eingeladene
Delinquent kann jede Unterstützung auch finanzieller Art gut
gebrauchen. Weitere Informationen zu dem Berufsverbot unter: http://www.gegenberufsverbote.de/index1.php?secion=start&PHP-SESSID=c1a4a2512fc895c7252b81d38119d25e

(10) Die Welt vom 13.5.2006: Alter Haß im exotischen Tuch, Internet: http://www.welt.de/data/2006/05/13/885891.html

(11) Vgl. Klaus Holz: Aus trüber Quelle, in Die ZEIT vom 1.2.2006, Internet: http://www.zeit.de/2006/06/Islamo-Faschismus

Quelle: http://austria.indymedia.org/node/8912 

2 responses to “Kontaktschuld – Ein Genosse geht zum Verfassungsschutz”

  1. compa

    und warum der Staat durchaus ein Interesse daran haben kann, sich den Genossen Holz als Referent einzuladen, hier:
    http://www.studienbibliothek.org/texte/holz.html
    http://www.studienbibliothek.org/texte/holz.pdf

  2. Herbert

    Wenn der Teufel das Zepter in der Hand hält ist es besser mit ihm Pudding zu essen als gar nicht (oder nur im negativen) von ihm wahrgenommen zu werden.