„Massiver Eingriff in die Grundrechte“

Politiker und Datenschützer kritisieren Vorabübermittlung der
Absender- und Empfängerdaten von Paketen und Briefen aus Europa an
US-Behörden

Wie die ZEIT berichtete, verlangt die amerikanische Zoll- und Grenzbehörde CBP (Customs and Border Protection) u.a. bei Express-Paketen die
elektronische Bereitstellung der Kundendaten noch vor dem Eintreffen in
den USA. Vier Stunden vor der Landung des Transportflugzeugs müssen die
Daten den US-Behörden vorliegen. Ein Handelsabkommen (Trade Act) mit
der EU von 2004 sieht vor, dass diese Daten auch an
Strafverfolgungsbehörden weitergeben werden und mit kommerziellen
Datenbanken abgeglichen werden dürfen.

"Das geht weit über die Vorratsdatenspeicherung
hinaus", meint Gerhart Baum zu Telepolis. Obwohl die
Vorratsdatenspeicherung nur in begrenzten, juristisch klar definierten
Fällen erfolgen soll, lehne er sie ab. Die Übermittlung der Postdaten
aber sei nicht verfassungskonform. Das sei "ein massiver Eingriff in
die Grundrechte". Baum kündigte an, mögliche juristische Schritte
prüfen zu lassen. Er erwäge eine Unterlassungsklage gegen die
betreffenden Stellen. 2004 hatte das Bundesverfassungsgericht bereits
Baums Beschwerde gegen den Großen Lauschangriff stattgegeben.

Auch der Landesdatenschutzbeauftragte Thilo Weichert
ist empört: "Wenn die DHL vorab die Absender- und Empfangsdaten an
US-Behörden weitergibt, ohne die Betroffenen zu informieren, so
verletzt das Unternehmen sein Postgeheimnis", sagte er Telepolis. "Wenn
staatliche Behörden von dieser Grundrechtsverletzung wissen und diese
tolerieren, so kann man das Beihilfe durch Unterlassen nennen. Es wäre
ein jämmerliches Zeugnis von Grundrechts- wie von rechtsstaatlichem
Selbstbewusstsein, wenn sich die Europäische Union – wie bei den
Flugpassagierdaten – von den USA zur Herausgabe von Postdaten erpressen
ließe."

In der amerikanischen Regelung, dem sogenannten
Advanced Air Manifest, heißt es lapidar, nicht nur Express-Sendungen
und Pakete, sondern auch Briefe und Dokumente könnten dieser Regelung
unterliegen. Sollten auch die Absender- und Empfängerangaben von
Briefen auf diese Weise übermittelt und gespeichert werden, bedürfte es
nach amerikanischem Rechtsverständnis nur einer Mitteilung im Federal
Register. Denn Post wurde als Fracht eingestuft und somit der
Zuständigkeit der Sicherheitsbehörden zugeschlagen. So wurde bereits
die Übermittlung der Express- und Paketdaten in den vergangenen Jahren
faktisch umgesetzt – bislang ohne öffentliche Debatte.

Ein Unding, findet auch Ulla Jelpke, Innenpolitische
Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. Es wäre die Aufgabe der deutschen
Behörden, die Rechte der Bundesbürger zu schützen. Stattdessen wird
offenbar seit langem schon ein Rechtsbruch geduldet. Sie verlange, dass
das Thema auf die Tagesordnung des Innenausschusses kommt. Es müsse
geklärt werden, wer innerhalb der Bundesregierung für diese
Rechtsbrüche verantwortlich ist und welche Position sie innerhalb der
EU vertritt.

Die Posttochter DHL
liefert die Daten bei Express-Sendungen bereits, darunter auch die
Zollinhaltsangabe, die auf den Paketen gemacht werden muss. DHL,
ursprünglich eine amerikanische Firma, hat seinen Sitz in den USA und
Deutschland. Auf diesem Wege wurden klammheimlich amerikanische Gesetze
auch auf Deutschland ausgedehnt. Außerdem beruft man sich darauf, nur
das bilaterale Abkommen zwischen der EU und den USA umzusetzen – im
Dienste der Kunden. Nur die, das haben die Reaktionen der Abgeordneten
gezeigt, wissen davon gar nichts.

Die innenpolitische Sprecherin der FDP, Gisela Piltz
ist alarmiert: "Mit einer Vorabübermittlung von Postdaten bei Paketen
an US-Behörden, ohne die Betroffenen zu informieren, wird diese
Vertraulichkeit verletzt. Diese Datenweitergabe kann auch nicht mit der
Erhebung von Zöllen gerechtfertigt werden, die generell bei
transatlantischen Sendungen anfallen", so Piltz zu Telepolis. Denn die
Daten werden von den US-Behörden für andere Zwecke genutzt. "Eine
solche Zweckentfremdung lässt das deutsche Datenschutzrecht nicht zu
und ist daher durch staatliche Stellen zu verfolgen", verlangt Piltz
und hat sich deshalb mit einer Schriftlichen Frage an die
Bundesregierung gewandt.

Susanne Härpfer 22.01.2008

Source: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27125/1.html