Neue Steuernummer wird Schlüssel zur Totalerfassung der Bundesbürger
Manfred Kloiber im Gespräch mit Peter Welchering
[deutschlandradio] Seit
gestern kursiert die Version 0.1 des neuen Bundesmeldegesetzes. Und
dieser Referentenentwurf sorgt für heftige Diskussionen. Von einem
"zentralen Einwohnerregister mit Personenkennzeichen vergleichbar dem
ehemaligen DDR-Register" ist sogar die Rede. Datenschützer warnen vor
einer Superdatensammelbehörde.Manfred Kloiber: Welche
Daten sollen nach dem Entwurf aus Bundesinnenministerium denn im
Bundesmelderegister zusammengeführt werden, Peter Welchering?
Peter Welchering: Bisher
sind 35 Datensätze in dem hier vorliegenden Referentenentwurf
definiert. Das sind teilweise notwendige und harmlose Daten, wie Name,
Vorname, Tag, Ort und Staat der Geburt. Das sind von nur wenigen
Kritikern als gefährlich eingestufte Daten wie etwa die
Religionszugehörigkeit. Und das sind vor allen Dingen Daten, vor denen
fast alle Datenschützer warnen, wie zum Beispiel die
Steueridentifikationsnummer nach §139b der Abgabenordnung. Da hatte es
ja vor einem Jahr doch noch geheißen, dass die
Steueridentifikationsnummer nicht in den Melderegistern gespeichert
werden soll. Das war in der politischen Diskussion eine wichtige
Voraussetzung, damit die Einführung dieser Steueridentifikationsnummer
überhaupt beschlossen werden konnte. Und jetzt steht gerade diese
Identifikationsnummer im Referentenentwurf für das Bundesmeldegesetz.
Kloiber: Was ist denn so gefährlich an der Speicherung der Steueridentifikationsnummer?
Welchering: Nun,
diese Identifikationsnummer ist datentechnisch gesehen nichts anderes
als eine einheitliche Personenkennziffer, über die alle Daten zu dieser
Person in allen von Behören oder öffentlichen Stellen geführten
Datenbanken recherchiert werden können. Wo wohnt der Gesuchte, welches
Auto fährt er mit welchem KFZ-Kennzeichen, welche Kredite muss er
bedienen, welches Einkommen hat er, und bei der automatisierten
Erfassung von KFZ-Kennzeichen an Autobahnen kann sogar ermittelt
werden, wann er wohin gefahren ist. Seit dem 1. Januar gilt zudem die
Telekommunikationsvorratsdatenspeicherung. Über diese
Identifikationsnummer kommt man leicht an Handy- und Gerätenummer und
kann ermitteln, wann jemand in welcher Funkzelle war, also ein
Bewegungsprofil erstellen. Rein datentechnisch gesehen ist über diese
Personenkennziffer, wenn sie in einem zentralen Melderegister
zusammengeführt wird mit anderen personenbezogenen Daten nicht nur der
gläserne Bürger, sondern seine komplette Überwachung möglich.
Wohlgemerkt, das ist eine datentechnische Feststellung. Sie besagt
nicht, dass der Bundesinnenminister diese Totalüberwachung will oder
macht. Sie stellt nur fest, Totalüberwachung wird dadurch möglich.
Kloiber: Wer soll denn diese umfassenden 35 Datensätze pro Bundesbürger außer den Meldebehörden noch auswerten dürfen?
Welchering: Der
Referentenentwurf sieht hier vor, dass alle Datensätze, auch die
Steueridentifikationsnummer, sogar Lohnsteuerfreibeträge oder etwa die
elektronische Bürgeradresse, natürlich auch das Religionsbekenntnis an
alle Behörden und sonstige öffentliche Stellen übermittelt werden
dürfen. Da gibt es faktisch keine Datensatzbegrenzung mehr. Diese
öffentlichen Stellen müssen nur sagen, dass sie die Daten aus dem
Melderegister benötigen, um ihre Aufgabe erledigen zu können und dass
sie diese Daten selbst nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand
erheben könnten. Und § 30 Absatz des Bundesmeldegesetzes in dem hier
vorliegenden Entwurf stellt darüber hinaus dem Bundesnachrichtendienst,
dem Militärischen Abschirmdienst, dem Verfassungsschutz, dem
Bundeskriminalamt und den Landeskriminalämtern einen Freibrief aus.
Denn dieser Vorschrift zufolge muss bei Geheimdiensten und BKA, LKA
nichts geprüft werden, wenn die um Datenübermittlung bitten. Und noch
ein Punkt ist das hochinteressant: Fragen Geheimdienste oder
Polizeibehörden beim Bundesmelderegister an, dann muss nicht etwa das
Bundesverwaltungsamt, das das Bundesmelderegister führen soll, diese
Anfrage dokumentieren, nein das macht der Geheimdienst, also die
anfragende Stelle selbst. Das ist für den Geheimdienst sehr praktisch.
Aber das heißt für den Bürger: Er wird nie erfahren, wer da was über
ihn wissen wollte. Geheimdienste legen das ja in der Regel nicht offen.
Und da das Bundesmelderegister, sprich das Bundesverwaltungsamt, diese
Anfragen ja nicht dokumentiert, kann der Bürger da auch nichts einsehen.
Kloiber: Was sagt denn der neue Bundes-CIO Hans Bernhard Beus dazu?
Welchering: Der
kann die ganze Aufregung um das Bundesmeldegesetz gar nicht verstehen.
Das sei doch nur ein Referentenentwurf, ein Gesetz sei doch noch gar
nicht beschlossen. Im Übrigen hat die Bundesregierung noch Anfang
Dezember in ihre Beantwortung einer kleinen Anfrage zum Melderecht
hineingeschrieben, ich zitiere das mal aus der Bundestagsdrucksache
16/7383 Zitat: Es gibt derzeit noch keine konkreten Festlegungen zu
Einzelfragen eines künftige Bundesmeldegesetzes. Zitat Ende. Das war am
3. Dezember 2007. Und wenn man sich die Metadaten des seit gestern
kursierenden Entwurfs aus dem Bundesinnenministerium mal genauer
anschaut, geht daraus ganz klar hervor, dass dieser Entwurf am 30.
November in der Version 0.1 angelegt wurde. Und dieser Entwurf enthält
auf 39 Seiten eine Menge "konkrete Festlegungen zu Einzelfragen".