[heise] Die sächsische Landespolizei hat am heutigen Freitag mit dem Test eines Quadcopters begonnen, der aus einer Höhe von etwa 50 Metern die Beweissicherung am Boden unterstützen soll. Das von der Kreuztaler Firma Microdrones gelieferte 65.000 Euro teure Gerät wird in Sachsen "SensoCopter"
genannt. Es soll ein Jahr lang in wechselnden Ausstattungsvarianten
(Videokamera, hochauflösende Fotokamera und andere Geräte) unter
verschiedenen Einsatzbedingungen getestet werden. Bewährt sich das
System bei der Erstellung von Lagebildern in Echtzeit und vor allem bei
der Identifizierung von Fußball-Hooligans, will der Freistaat weitere
Exemplare der nahezu lautlos (unter 63 dBA) fliegenden Geräte ordern.
Quadcopter, auch Überwachungsdrohnen, "Unmanned Aerial Vehicle"
(UAV), Luftnägel oder "fliegende Augen" genannt, sind en vogue. Hacker
spielen mit selbstgebauten Modellen herum, die
Sicherheitsforscher
nutzen sie zur Vorfeldaufklärung. Nach einer Anfrage der
Bundestagsabgeordneten Gisela Piltz (FDP) gab das
Bundesinnenministerium bekannt, dass die Bundespolizei bereits zwei
Quadcopter testet. Nun startet die Landespolizei Sachsen ihren
SensoCopter-Feldversuch. Bereits auf dem europäischen Polizeikongress
hatte der sächsische Innenminister Alfred Buttolo in der Runde erklärt,
dass Sachsen mehr Probleme mit Fußball-Hooligans denn mit seinen
Landesgrenzen habe. Zum Start des Feldversuchs wurde darum in der Lokalpresse
der sächsische Landespolizeipräsident Bernd Mebitz zitiert, der den
Hooligans bestens dokumentiert auf der Spur bleiben will: "Unbekannte
Gewalttäter werden wir auf Litfaßsäulen heften."
Während sich der SensorCopter vor der zahlreich erschienenen Presse
in den kalten Februarhimmel schraubte, wurde eine Erklärung von
Innenminister Buttolo verteilt, der auf dem benachbarten Flughafen
Dresden festsaß und auf seinen Hubschrauber warten musste: "Der Bürger
erwartet vom demokratischen Rechtsstaat selbstverständlich eine
wirksame Verfolgung und Ahndung von Straftätern. Voraussetzung dafür
ist eine ordentliche Beweisführung." In Abwesenheit des Ministers
übernahm Jürgen Scherf, Pressesprecher der Landespolizeidirektion die
Erklärung des Systems: "Niemand muss Angst haben, dass dieses Gerät
durch die Straßen fliegt und in seine Fenster schaut. Es untersteht
direkt dem Einsatzführer und wird nur zur Beweissicherung benutzt. Es
ist eine fliegende Dokumentationskamera, die die Arbeit der Kollegen
vor Ort unterstützt, mehr nicht."
Während Scherf aus "einsatztaktischen Gründen" keine technischen
Details nennen wollte, waren die Techniker der Lieferfirma Microdrones
aufgeschlossener. Sie zeigten Bilder der herkömmlichen Videokamera in
PAL-Auflösung, aber auch solche, die zuvor mit einer
10-Megapixel-Kamera aufgenommen wurden. Aus 50 Metern Höhe waren die
Gesichter des auf den Minister wartenden Trüppchens von Journalisten
und Polizisten gestochen scharf zu sehen. Auch Kfz-Kennzeichen konnten
identifiziert werden. "Mauersteingenau" nannte Thorsten Kanand von
Microdrones das Auflösungsvermögen, während unter den Journalisten
Diskussionen darüber begannen, ob Hooligans die Drohne beschädigen
könnten. "Das schafft kein Hool – und wenn, dann hat er eine Waffe
benutzt, die ihm gleich eine Verhaftung einbringen könnte", war die
Antwort. Ob das stimmt, dürfte bald die Praxis zeigen: Neben dem Test
der sächsischen Landespolizei soll eine größere Zahl von fliegenden
Augen dabei helfen, dass die Fußball-EM 2008 in der Schweiz und
Österreich ein friedliches Fest bleibt.
Bedenken der Datenschützer kamen bei der Vorführung in Dresden nicht
zur Sprache. Sie monieren, dass die nahezu lautlosen Fluggeräte zu
einer heimlichen Überwachung führen können und fordern, dass Quadcopter
nur zur Verkehrsüberwachung oder bei konkreten Bedrohungslagen wie zum
Beispiel einer Geiselnahme eingesetzt werden dürfen. Weit abseits des
Polizeigeländes demonstrierte vor dem Zaun unterdessen eine kleine
Gruppe von Autonomen gegen die "neue Qualität des Überwachungsstaates".
(Detlef Borchers) /
(pmz/c’t)
Source: http://www.heise.de/newsticker/meldung/103607/from/atom10