Europäischer Datenschützer vermisst „Masterplan“ bei Sicherheitsprojekten

Frontex-Direktor Laitinen und Innenminister Schäuble

[heise] Der Europäische Datenschutzbeauftragte
Peter Hustinx warnte heute vor immer neuen Vorschlägen zur Überwachung
von Reisenden und Immigranten in der Gemeinschaft. Nach den Vorschlägen
zur Erhebung von Fluggastdaten in der EU, zur Weiterentwicklung des Schengen-Informationssystem (SIS II) und dem neuen Visa-Informationssystem
der EU (VIS) hatte die Kommission am 13. Februar gleich drei
Mitteilungen zu weiteren Datensammlungen bei der Einreise- und Ausreise
vorgelegt. In einer Mitteilung
(PDF-Datei) unterstrich Hustinx, auch wenn die Sicherung der Grenzen
ein legitimes Ziel sei, müssten die neuen Vorschläge sorgfältig
überprüft werden. Denn sie beinhalteten die Sammlung, potentielle
Zusammenführung, Weitergabe und Speicherung riesiger Datenmengen.

Der oberste Datenschützer der EU reagierte mit der Kritik auf zwei
gleichzeitig am 13. Februar von Justizkommissar Franco Frattini
eingebrachte Mitteilungen. Die Vorlage zur "Vorbereitung der nächsten Schritte beim Grenzkontrollsystem in der EU"
empfiehlt laut Hustinx, Daten über Ein- und Ausreisen aus der EU zu
sammeln, eine privilegierte Behandlung – also schnellere Einreise – für
bestimmte Kategorien von Reisenden zu erlauben und eine elektronisches
Authorisierungssystem für Reisende (ESTA) zu entwerfen. Frattinis
Mitteilung zum Aufbau des Grenzüberwachungssystems "EUROSUR"
konzentriert sich laut Hustinx auf die Verbesserung der Überwachung an
den Grenzen und ziele auf die "Entdeckung, Identifizierung, Verfolgung
und Überwachung" von Personen, die die Grenzen illegal übertreten.

Eine dritte Mitteilung, die sich mit der Weiterentwicklung der Agentur Frontex
befasse, erwählt der Datenschützer wohl vor allem, um den seiner
Meinung nach inflationären Charakter der Maßnahmen anzuprangern. Erst
im Dezember hatte sich Hustinx kritisch zu den Entwürfen für die EU-Version der Fluggastdatensammlung und zur Datenweitergabe nach dem Prüm-Vertrag geäußert.

"Allein schon die Zahl der Vorschläge und die Art, sie Stück für
Stück auf den Weg zu bringen, macht es für betroffene Interessengruppen
extrem schwierig, den vollen Überblick zu behalten", bemerkte Hustinx.
Es bestehe die Gefahr, dass sich ein für sich als akzeptabler Vorschlag
im Zusammenspiel mit anderen Maßnahmen als nicht haltbar erweise. "Der
Europäische Datenschutzbeauftragte sähe gerne einen Beweis dafür, dass
es hier einen Masterplan für all diese Initiativen gibt, der eine klare
Vorstellung von der Richtung der Initiativen vermittelt." Solch ein
Plan könnte dann auch ermöglichen, die Maßnahmen im Zusammenhang zu
analysieren, meint Hustinx. Darüber hinaus bemängelt der Datenschützer,
dass einmal mehr das Büro des EU-Datenschützers nicht in die
Vorarbeiten für die Mitteilungen einbezogen worden sei.

Im Einzelnen moniert Hustinx bei dem Grenzkontrollkonzept und bei
EUROSUR den fehlenden Nachweis, dass man überhaupt neue Systeme
brauche. Weit reichende Eingriffe in das Recht des Einzelnen auf
Privatheit müssten aber vor ihrer Einführung mit verlässlichen Zahlen
für den Bedarf begründet werden. Doch vorerst fehlt es sogar an einer
Überprüfung, ob bestehende und schon geplante Systeme überhaupt
wirkungsvoll seien oder ob sie der Ergänzung bedürfen. Als Beispiel für
ein schlechtes Kosten-Nutzen-System verweist Hustinx auf kritische
Anmerkungen des US-Rechnungshofs zum US-Visit-System. Das habe in den
ersten vier Jahren rund 1,3 Milliarden Dollar gekostet und sei erst zur
Hälfte umgesetzt. Bislang wurden rund 1500 Menschen damit an der Grenze
belangt oder zurückgeschickt.

Sorgen macht sich der Europäische Datenschutzbeauftragte schließlich
auch über die große Rolle, die biometrischen Daten in den neuen
Systemen zukommt. Angesichts möglicher Manipulationen müsse es
Vorkehrungen geben, Einzelpersonen davor zu bewahren, dass sie selbst
den Fehler im System aufklären müssten. Außerdem bestehe angesichts der
immer neuen Systeme das Problem, dass bei einer Zusammenführung nicht
plötzlich die Zugriffsrechte maximiert werden. Die Privilegierung von
"gutgläubigen" Reisenden, die dann rascher abgefertigt werden können,
bedeutet aus Sicht von Hustinx zuletzt eine Art Umkehr der
Unschuldsvermutung. Reisende, die nicht so oft unterwegs seien und sich
daher nicht nach dem neuen System registrieren ließen, werden Reisende
zweiter Klasse oder sogar Verdächtige. (Monika Ermert) /
(vbr/c’t)

Source: http://www.heise.de/newsticker/meldung/104413/from/atom10