BKA arbeitet „mit Hochdruck“ am Bundestrojaner

[heise] Nach der prinzipiellen Einigung
zwischen den federführenden Ressorts der Bundesregierung über einen
Entwurf für die Novelle des Gesetzes für das Bundeskriminalamt (BKA)
und die damit verknüpfte Ausforschung von IT-Systemen zeigt sich die
Wiesbadener Polizeibehörde nach eigenen Angaben gut gerüstet für die
versprochenen neuen Befugnisse. Das BKA sei derzeit mit "Hochdruck"
dabei, die entsprechende Spionagesoftware zu erstellen, erklärte der
Chef der Einrichtung, Jörg Ziercke, gegenüber der Nachrichtenagentur
AFP.

Die deutschen Ermittler sind bislang selbst noch nicht in der Lage,
die umstrittenen heimlichen Online-Durchsuchungen durchzuführen.
Entsprechende Schnüffelprogramme seien aber auch von anderen Ländern zu
bekommen, die bereits Festplatten ausspähen, meinte Ziercke. Man könnte
so jederzeit mit den verdeckten Durchsuchungen anfangen. Genauere
Angaben, wie die erforderlichen Trojaner auf Zielrechnern installiert
werden sollen, machte er nicht. Zugleich ging der SPD-Mann weiter davon
aus, dass das geplante Ermittlungsinstrument angesichts der strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr als zehnmal im Jahr zum Einsatz kommen werde.

Die Absprache zwischen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU)
und seiner Kollegin im Justizressort, Brigitte Zypries (SPD), hat
derweil zu stark kontroversen Reaktionen geführt. Brandenburgs
Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) sprach von einem Kompromiss und
bewertete diesen als "pragmatisch und richtig". Zugleich deutete er an,
dass die auf Drängen der Bundesjustizministerin nicht in den Entwurf
eingefügte Erlaubnis zum Eindringen von Ermittlern in Wohnungen zum
direkten Aufspielen der digitalen Wanzen auf die Rechner Verdächtiger
eventuell später erneut diskutiert werden müsse. Erst seien aber
Erfahrungen mit reinen Online-Lösungen zu sammeln.

Entgegengesetzter Ansicht ist neben CSU-Politikern aus der bayerischen Landesregierung die Gewerkschaft der Polizei (GdP).
Sie bewertete die gefundene Formulierung als "inkonsequent und
unverständlich". Damit werde der Schutz vor Terroranschlägen erschwert,
fürchtete der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg. Der Zugriff auf Computer
und andere IT-Geräte, der den Ermittlern nun lediglich über das
Internet aus der Ferne erlaubt werden soll, sei gegenüber einer
manuellen Installation kompliziert und zeitraubend.

Mittlerweile sind weitere Einzelheiten des neuen Entwurfs für das
BKA-Gesetz bekannt geworden. So lobte der innenpolitische Sprecher der
SPD-Fraktion im Bundestag, Dieter Wiefelspütz, dass sich das Papier
genau an die Leitlinien aus Karlsruhe halte. Schäuble konnte sich
Agenturmeldungen zufolge zudem nicht mit seiner Forderung durchsetzen,
dass etwa per großem Lauschangriff gewonnene Erkenntnisse aus der
elektronischen Überwachung verdächtiger Wohnungen von der Polizei ohne
Einschränkung an den Verfassungsschutz oder andere Geheimdienste
weitergeben werden dürfen. Dagegen hatte Zypries verfassungsrechtliche
Bedenken erhoben. Nach der jetzigen Fassung kann das BKA nur bei
Nachrichtendiensten anfragen, ob gegen Verdächtige etwas vorliegt.

Die ARD berichtet zudem, dass der Abhörschutz für
Berufsgeheimnisträger weiterhin im Unterschied etwa zu Seelsorgern der
evangelischen oder katholischen Kirche nicht für Imame
gelten soll. Erfasst würden nur Geistliche der "öffentlich-rechtlichen
Religionsgemeinschaften". Der Zentralrat der Muslime wetterte gegen die
"unsachgemäße Ungleichbehandlung".

Der Rechtsexperte der SPD-Fraktion, Klaus-Uwe Benneter, hat
unterdessen Vorbehalte angekündigt: "Wir werden uns genau ansehen, ob
der Gesetzentwurf mit den engen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts
übereinstimmt, und behalten uns einen Einspruch vor", sagte er der Berliner Zeitung.
Nicht zuletzt sei sicherzustellen, dass die rechtmäßige Anwendung des
Gesetzes regelmäßig überprüft werde. Auch müsse klar sein, dass
Betroffene im Nachhinein über die Durchsuchung ihrer Computer
informiert werden.

Vertreter aller Oppositionsparteien lehnten den Entwurf weiter
entschieden ab. "Wir sehen uns in unserer kritischen Haltung zum
BKA-Gesetz insbesondere auch dadurch bestärkt, dass der
Bundesinnenminister zusätzlich den Spähangriff auf die Tagesordnung
gesetzt hat", bemängelte die Innenexpertin der FDP-Fraktion, Gisela
Piltz. "Lauschen, spähen, Festplatten ausschnüffeln", Schäuble und
Zypries hätten mit diesem Ansatz die Grenzen des neuen, vom
Bundesverfassungsgericht aufgestellten "IT-Grundrechts"
verkannt. Karlsruhe habe eindringlich davor gewarnt, durch die
gebündelten Maßnahmen die Erstellung von Persönlichkeitsprofilen
möglich zu machen.

Petra Pau, Innenpolitikerin der Linken, sprach von einem "Kompromiss
gegen die Bürger, gegen ihre Freiheitsrechte". Die Netzbespitzelung sei
"ein weiterer Baustein auf dem Weg vom demokratisch verfassten
Rechtsstaat zum präventiven Sicherheitsstaat". Die Grünen-Vorsitzende
Claudia Roth bezeichnete die Einigung als "Gift für den Rechtsstaat".
Die große Koalition versuche unbelehrbar, in Richtung Überwachungsstaat
zu gehen.

Der Vorsitzende des Verbandes der deutschen Internetwirtschaft eco,
Michael Rotert, warnte, dass mit der geplanten Online-Durchsuchung auch
"das Vertrauen der Computernutzer in die Sicherheit von
Behörden-Portalen und Behörden-Software wie zum Beispiel dem
Steuerprogramm Elster untergraben" werde. Weiter monierte der
Providervertreter, dass sich die Strafverfolger mit dem im Raum
stehenden Vorgehen grundsätzlich derselben Methoden wie "kriminelle
Hacker" bedienen würden. (Stefan Krempl) /
(pmz/c’t)

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