Mit Antiterrorgesetz auf der Jagd nach Hundekacke

[telepolis] Hunderte von britischen Behörden und Organisationen dürfen nach dem
RIPA-Gesetz Bürger auch beim Verdacht geringfügiger Vergehen überwachen
Großbritannien, so sagen Kritiker, ist auf dem besten Wege, eine
Überwachungsgesellschaft zu werden. In dem Land werden besonders
schnell und massiv neue Überwachungs- und Kontrolltechniken eingeführt.
Wie jetzt der Telegraph
(1) herausfand, wurden unter dem Deckmantel der Antiterrorbekämpfung
neue Überwachungsmöglichkeiten eingeführt, die die Befugnisse der
Behörden praktisch willkürlich erweitern.

Im Telegraph werden die britischen Zustände bereits mit dem Verhalten
der Stasi in der ehemaligen DDR verglichen. Jeden Monat werden von
Behörden mehr als tausend Überwachungsaktionen gestartet. Da geht es
beispielsweise um die heimliche Beobachtung von Hundebesitzern auf
deren Spaziergängen, um festzuhalten, ob sie die Hinterlassenschaften
ihrer Hunde auch wieder entfernen. Ausspioniert werden auch
Jugendliche, ob sie verbotenerweise rauchen, oder es werden kleine
Überwachungskameras versteckt angebracht, um nachzuweisen, wer Abfall
in Mülltonnen von anderen füllt oder auf der Straße hinterlässt.
Hunderte von britischen Behörden haben zudem die Befugnis erhalten, die
Kommunikation von Menschen zu überwachen, mit wem sie telefonieren, von
wem sie Emails erhalten, welche Websites sie besuchen. Auf der RIPA-Webseite (2) des Innenministeriums heißt es:

The Regulation of Investigatory Powers
Act (RIPA) legislates for using methods of surveillance and information
gathering to help the prevention of crime, including terrorism.

In der Grafschaft Dorset wurden vom Borrough of Poole (3) beispielsweise eine Familie mitsamt 3 Kindern zwei Wochen überwacht
(4), weil man den Verdacht hegte, dass falsche Angaben in einem
Formular zur Bewerbung der dreijährigen Tochter für eine Schule gemacht
wurden. In den Protokollen stehen
(5) dann Einzelheiten wie: "Frau steigt mit drei Kindern in den Wagen
und fährt davon" oder "Vorhänge offen und Lichter an in den Zimmern".

Nachdem dies aufkam und die Aufmerksamkeit auf die freizügig gewährten Überwachungsaktionen fiel, verteidigte (6) die Behörde die Maßnahme ( Stellungnahme
(7)). Die Gemeinde sei verpflichtet, "die kleine Minderheit zu
überprüfen, die versucht, das Gesetz zu brechen und die Lebensqualität
der Mehrheit der das Gesetz befolgenden Bewohner von Poole zu
beinträchtigen". Man habe in einer "kleinen Zahl von Fällen" auf die
RIPA-Befugnisse zurückgegriffen, um möglicherweise betrügerische
Anmeldungen für einen Schulplatz zu überprüfen. Man habe es für
angemessen gefunden, dies als "potenziell kriminelle Angelegenheit" zu
betrachten.

Grundlage der Überwachungsaktionen ist der Regulation of Investigatory Powers Act (8) (RIPA), der zwar bereits im Jahr 2000 verabschiedet (9), nach dem 11.9. aber kräftig erweitert wurde. Seit 2004 ist ein Zusatz
(10) zum RIPA in Kraft getreten, der die Zahl der Behörden, die
Kommunikationsdaten von den Telefon- und Internetanbietern verlangen
können, drastisch erweitert worden. Namen und Adressen,
Verbindungsdaten, besuchte Websites und Lokalisierungsdaten bei
Mobiltelefonen können zur Prävention, Aufdeckung und Verfolgung von
Verbrechen oder zum Schutz der öffentlichen oder nationalen Sicherheit
können von 792 Ministerien, Behörden und Institutionen bis hinunter zu
kommunalen Behörden oder der Feuerwehr ohne richterliche Genehmigung
kontrolliert werden. Wie der Telegraph bereits zu Beginn des Jahres berichtete (11), haben britische Behörden im letzten Jahr täglich durchschnittlich 960 Lauschaktionen gestartet.

Links

(1) http://www.telegraph.co.uk/news/main.jhtml?xml=/news/2008/04/12/nspy112.xml
(2) http://security.homeoffice.gov.uk/ripa/about-ripa/
(3) http://boroughofpoole.com/
(4) http://news.bbc.co.uk/2/hi/uk_news/england/dorset/7343445.stm
(5) http://www.timesonline.co.uk/tol/life_and_style/education/article3724421.ece
(6) http://www.inthenews.co.uk/news/politics/poole-borough-council-admits-spying-on-family-$1218424.htm
(7) http://boroughofpoole.com/news/ref:N47FFA9B6EF849
(8) http://www.opsi.gov.uk/acts/acts2000/ukpga_20000023_en_1
(9) http://8452
(10) http://www.opsi.gov.uk/si/si2003/20033171.htm
(11) http://www.heise.de/newsticker/meldung/102616/

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27716/1.html