US-Militär setzt im Irak auf neue Informations-Software

Screenshot des Tactical Ground Reporting System
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des Tactical Ground Reporting System. Die blaue Linie stellt eine
mögliche Route durch Bagdad dar, rote (interaktive) Icons registrierte
"feindliche Aktionen".

[heise] Nach zwei Jahren intensiver Programmierarbeit in der DARPA[1]
bekommen die US-Truppen jetzt etwas, das man als Google Maps für den
Straßenkampf bezeichnen könnte, berichtet Technology Review in seiner Ausgabe 05/08[2] (seit dem 17.4. am Kiosk oder hier[3] portokostenfrei online zu bestellen).

Die neue Technologie trägt den offiziellen Titel Tactical Ground
Reporting System, kurz TIGR und ist eine auf Landkarten basierende
Anwendung. Offiziere können das Material vor dem Einsatz nicht nur
einsehen, sondern hinterher auch ergänzen. Durch das Anklicken von
Icons und Listen können sie die Position von wichtigen Gebäuden wie
Moscheen, Schulen und Krankenhäusern herausfinden und Informationen
über vergangene Anschläge abrufen. Auch mit GPS-Daten versehene Fotos
von Häusern und anderen Gebäuden sowie von verdächtigen Aufrührern sind
abrufbar. Die Truppführer können sich sogar Befragungen von Zivilisten
anhören.

Das Pentagon spricht schon seit Langem davon, Soldaten mit
Informationen stärken zu wollen. Während des Einmarschs in den Irak
wurden einige neue Netzwerktechnologien eingesetzt, wenn auch mit
gemischten Ergebnissen (siehe TR 11/04). In den USA laufen mehrere
Milliarden Dollar teure Forschungsprogramme mit Namen wie Future Combat
System. Sie nehmen den Tag vorweg, an dem Flugzeuge, Bodenfahrzeuge,
Roboter und Sensoren in Uniformen Massen von Informationen liefern;
Software soll sie auswerten, Veränderungen erkennen und Ziele
identifizieren. Drahtlose Netze sollen Einheiten verbinden und sogar
einzelne Soldaten, die an ihren Helmen kleine Bildschirme befestigt
haben. Solche Technologien sind Teil der langfristigen Pläne für
"network-centric warfare", netzzentrierte Kriegsführung also.

Gerade die einfachen Soldaten allerdings, die in den gefährlichen
Straßen Iraks auf Streife gehen müssen, können von diesen
Hightech-Visionen nicht profitieren. Jeden Tag sind im ganzen Land etwa
300 Patrouillen unterwegs. Lange Zeit aber war es für die Truppführer
schwierig, digitale Informationen über ihre Routen zu bekommen. "Beim
Heer, der Marine und in der Luftwaffe gibt es erstens die Tendenz,
Systeme auf eine Plattform hin zu entwickeln – einen bestimmten Panzer
oder ein Flugzeug. Zweitens werden sie nur für die höheren Ränge
geschaffen", sagt Pat O’Neal, früher Brigadegeneral und heute Berater
der DARPA, dessen Sohn derzeit selbst als Soldat im Irak ist. Im Kalten
Krieg sei es darum gegangen, Truppen im sehr großen Maßstab zu
koordinieren. "Das hat uns nicht gerade geholfen, als wir uns im Irak
wiederfanden", sagt der Ex-General, "denn das ist ein sehr feinkörniges
Gebiet, eine Stück-für-Stück-Umgebung."

Im Jahr 2005 nahm sich die DARPA in Fort Hood im Bundesstaat Texas
dieses Problems an, unterstützt von zurückgekehrten Soldaten des First
Brigade Combat Teams. Programmierer aus von der Agentur beauftragten
Unternehmen fragten die Heimkehrer, was sie denn in der Ferne hätten
brauchen können. Daran beteiligt waren auch Beschäftigte der
Beratungsfirma Ascend Intel.

Technisch ist das System nichts besonders aufregend – die Software
läuft auf normalen Computern und zapft eine verteilte Datenbank an. Bei
der Entwicklung galt es im wesentlichen zwei Herausforderungen zu
meistern, die vor allem wegen der lückenhaften Versorgung mit
Datenverbindungen im Irak schwierig waren: Verteilte Kopien derselben
Datenbank mussten so synchronisiert werden, dass jeder
Patrouillenführer sie nach seiner Rückkehr für alle modifizieren kann;
und Multimedia-Informationen für die Soldaten mussten so ausgeliefert
werden, dass das System dadurch nicht überlastet wurde. Teil der Lösung
war ein vorsichtiger Umgang mit Bandbreiten. So wurde zum Beispiel
sichergestellt, dass Fotos standardmäßig nur als kleine Vorschau
angezeigt werden. Für eine größere Version muss der Soldat sie
anklicken – und bekommt nur dann eine Reaktion, wenn die aktuell zur
Verfügung stehende Bandbreite das zulässt.

(wst[4]/Technology Review)

Source: http://www.heise.de/newsticker/meldung/print/107017